Alle Artikel mit dem Schlagwort: Hier & Jetzt

Du bist (nicht), was sie aus dir machen

Zwischen gesellschaftlichem Druck und der eigenen Freiheit Viele kennen es, doch darüber sprechen tun die wenigsten. Egal, ob im Freundeskreis oder anderswo, der gesellschaftliche Druck, der von außen auf einen wirkt, ist immens. Als junge Frau setze ich mich tagtäglich damit auseinander. Ein Beispiel ist das ständige Rasieren. Frau soll weiblich sein und so aussehen, sich so anziehen und bewegen. Am besten noch ein strahlendes, selbstbewusstes Lachen auf dem Gesicht, als könnte ihr die Welt nichts anhaben. Doch warum? Warum ist da dieser Druck? Warum wirkt die Gesellschaft so auf uns? Oder gibt es diesen Druck etwa gar nicht? Ist er vielleicht nur ein Konstrukt der Fantasie, eine Art kreative Schöpfung? Fragen wie diese habe ich mir schon häufig gestellt. Ich habe versucht, sie zu ignorieren und einfach ich zu sein. Doch dann ist da diese Angst, von der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden und schiefe Blicke zu kassieren. Und schon ist man nicht immer und überall 100% man selbst. Es ist ein Teufelskreis, den wahrscheinlich viele kennen. Nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer. …

Offener Brief an einen alten, weißen Mann

„Sei doch nicht so politisch korrekt“, sagst du.„Komm mir jetzt nicht mit der Moralkeule“. Deine Stimme zittert.„Da wird man ja wohl noch sagen dürfen.“Jetzt bist du wütend und ich fühle mich schlecht, weil ich anscheinend der Grund dafür bin. Ich beginne zu zweifeln. Schließlich willst du doch das gleiche, sagst du – Freiheit und Gleichheit für alle Menschen. Ich bin verwirrt. Später, als ich mich wieder beruhigt habe, klären sich meine Gedanken und die Ohnmacht und das schlechte Gewissen verwandeln sich in Wut. Eine produktive Wut, in der ich meine Kraft bündle und eine Antwort verfasse – eine Antwort an dich. Wir leben in einem Land, in dem wir ein Maximum an Freiheiten genießen. Wir haben das Grundgesetz, wir haben freie Wahlen, wir haben unabhängige Gerichte und eine Meinungs- und Pressefreiheit, die fast uneingeschränkt gilt. Auf diese Meinungsfreiheit berufen sich dann Menschen, die Homosexuelle diskriminieren, den Holocaust leugnen oder allen Ernstes behaupten, Rassismus sei kein Problem mehr in der heutigen Gesellschaft; Menschen, die der Überzeugung sind, dass diese Themen in der Presse überproportional repräsentiert würden …

Wir <3 Stress

Auf YouTube wimmelt es von „Journal Setups“ und „Productive Morning Routines“, auf Pinterest findet man tausende Wochen- oder Essensplaner, die bis zum Minutentakt gefüllt werden können, auf Spotify gibt es Konzentrations- und Produktivitätsplaylists mit Walgeräuschen oder Jazz-Hop. „Work, work, work“ ist das Motto unserer Generation – Wir lieben die Arbeit und den Stress – aber vor allem das Gefühl, das Produktivität in uns auslöst. Was macht das mit uns? Eine kleine Hinterfragung am Beispiel von mir selbst. Die Hustle-Culture ist tief in uns verankert Wir lieben gestresst sein. Wir lieben es, uns nach zehn Stunden Arbeit völlig erschöpft auf die Couch zu hauen, nur um stolz darauf sein zu können, was wir alles geschafft haben. Wir fühlen Bestätigung, wenn wir auf Instagram teilen können, dass wir schon wieder seit fünf Stunden ohne Pause an unserer Hausarbeit gearbeitet haben und sämtliche Leute mit dem 100-Emoji auf die Story reagieren. Wir lieben Produktivität. Wir perfektionieren unsere LinkedIn-Profile und Portfolios und sind gleichzeitig immer auf der Suche nach neuen Projekten, um den Lebenslauf noch besser aussehen zu lassen. Wir …

Black lives matter

Heute gibt es auf Instagram nichts zu sehen. Alle posten schwarze Bilder mit den Hashtags #BlackLivesMatter* und #BlackOutTuesday, um ihre Solidarität mit schwarzen Menschen und People of Color zu zeigen und dem 46-jährigen George Floyd zu gedenken, der bei einem Einsatz in Minneapolis durch Polizeigewalt ums Leben kam. Dieser Hashtag hat inzwischen schon mehr als 28 Millionen Beiträge. Ich finde es schön, zu sehen, wie sich alle gemeinsam gegen Rassismus aussprechen. Diese Zahl fühlt sich mächtig an, aber sie ist gleichzeitig auch nur eine Zahl auf meinem Bildschirm. Ein Gefühl der Stille kehrt ein, die wir zum Nachdenken nutzen und uns fragen können, ob wir die Möglichkeit haben, etwas zu ändern und welchen Teil wir als weiße privilegierte Personen tun können. Wir finden es falsch, uns nicht zu diesem Thema zu äußern. Wir wollen die Plattform nutzen, die wir haben. Weiter unten im Text findet ihr interessante Posts, mit denen ihr euch (und wir uns) noch weiter beschäftigen können (und sollten). Außerdem seid ihr herzlich dazu eingeladen, eure Gedanken zu diesem wichtigen Thema mit uns …

Delfine in Venedig

Alles ist ungewiss. Eine quasi undefinierbare Lage. Über den Köpfen der Menschen schweben Fragezeichen, während sie hektisch eine Insta-Story nach der anderen posten: Leere Supermarktregale präsentieren, obwohl genug vorhanden ist. Fraglich, ob sie selber das Regal ausgeräumt haben – alles für das Foto. Fragezeichen, Falschmeldungen, Hiobsbotschaften. In diesen Tagen haben wir von allem reichlich. Reichlich Informationen, die sich im Minutentakt aktualisieren. Reichlich Verpflegung, aber auch reichlich Ängste. Existenzängste und die Ängste vor dem unsichtbaren Feind, dem Virus. Ängste, die uns verbinden. Uns, die Menschen – die Menschheit. Wir alle haben Angst. Einige mehr, andere weniger. Einige präsenter, andere eher still für sich. Doch ist dies ein Punkt, der uns alle miteinander verbindet. Den Menschen wird unterstellt, sie seien egoistisch geworden. Vor allem aber, wurde es unterstellt. Zur Zeit lässt sich der Begriff der „Nächstenliebe“ wieder mehr anwenden. Nachbarn helfen Nachbarn, junge Menschen bieten Älteren Hilfe an. Und das ist nur der Anfang. Die meisten leben seit einer Woche in der Isolation und schon wird vielerorts das „Wir“ und „Sie“ wichtiger als das „Ich“. Egoismus macht …

Corona und Wir

Das Leben um uns herum scheint langsam ausgeschaltet zu werden: Bars, Cafés, Museen und Clubs schließen. Die Straßen und Nudelregale sind wie leergefegt, Menschen streiten im Drogeriemarkt über ein paar Rollen Klopapier. Wir sind irgendwo zwischen Panikmache und Informationsbeschaffung, zwischen Überreaktion und den Ernst der Lage unterschätzen. Es gibt vieles, was mir zur momentanen Lage einfällt, was mir Angst macht, mich sauer macht und mich beschäftigt. Aber eine Frage drängt sich dauernd in meinen Kopf: Wo will ich sein, wenn ich in Quarantäne muss? Die Grenzen werden geschlossen, auf einmal sind wir eingesperrt und uns wird bewusst, wie privilegiert wir eigentlich leben: Die ständige Freiheit zu haben, dort hinzugehen, wo wir hin möchten, nie vor einer verschlossenen Türe zu stehen, tun und lassen zu können, was immer wir wollen. Plötzlich sind wir in dieser Freiheit eingeschränkt, was bei vielen Menschen auf Panik stößt. Unser Kreis verringert sich, wir canceln die spontane Städtereise im April, Konzerte, auf die wir uns lange gefreut haben, werden abgesagt. Wir überlegen uns zweimal, ob es wirklich nötig ist, morgen zu …

Fallbeil der Demokratie #gibmirwiderworte

Wir alle sind Zeugen einer Straftat geworden. Einer Straftat, die an unserer Gesellschaft, den damit einhergehenden Werten, unseren Gründervätern und damit der allgemeinen Demokratie verübt wurde. Diesen Text verfasse ich am 14. Februar 2020. Im Bundesrat wird heute über das Tempolimit auf den deutschen Autobahnen abgestimmt. Eine wichtige Errungenschaft für die Verkehrssicherheit und ein zeitgemäßer Schritt in die richtige Richtung, vielleicht auch ein Thema für einen zukünftigen Post. Diese Abstimmung ist wichtig. Sehr wichtig ist aber auch, für mich, für Dich, für uns alle, dass heute ein Sitz im Bundesrat, der Vertretung der Ministerpräsidenten aller Bundesländer, frei bleibt. Es ist der meiner Heimat und der Tatort eines politischen Krimis: Thüringen. Der Anfang vom Chaos Bereits die vorhergegangene Landtagswahl im Oktober 2019 hat die Thüringer Politik mit einer komplizierten Situation konfrontiert. Mit einer dominierenden Partei Die Linke, die einmalig in Deutschland stärkste Kraft wurde und der AfD an zweiter Stelle, kündigten sich schon damals verzwickte Koalitionsgespräche an.  Deutscher Konsens der Parteienlandschaft ist das Erstreben einer Mehrheitsregierung. Eine Koalitionsform, die mehr als die Hälfte des Parlaments ausmacht. Mit gegebener …

Was ist Dir deine Zeit wert?

Gestern morgen bin ich um 7.30 von selbst aufgewacht. Mein Fenster hatte ich die Nacht über offen gelassen, weshalb die Morgensonne vom gegenüberliegenden Haus reflektierte und mein Zimmer in ein rötliches Licht tauchte. Kurz überlegte ich, mich wieder umzudrehen und einfach weiterzuschlafen. Aber das schöne Licht ging mir nicht mehr aus dem Kopf, weshalb ich mir Jeans und Pulli anzog, mein Handy ganz bewusst liegen ließ und nur mein Notizbuch und eine Wasserflasche einsteckte. Aus dieser spontanen Aktion wurde ein einstündiger Spaziergang, bei dem ich das Verschwinden des Morgennebels beobachten, die kühle Luft einatmen und viel nachdenken konnte. Aber das beste daran war: Ich war allein mit meinen Gedanken. Hörte nur meine Schritte. Und mir wurde zum ersten Mal bewusst, wie selten das vorkommt. Ich dachte daran, dass ich früher abends eine Stunde lang fernsehen durfte. Den Rest des Tages habe ich mich mit mir selbst beschäftigt, gemalt, gezeichnet, gelesen. Als ich dann ein bisschen älter war, durfte ich dann auch mal zwei Stunden am Tag Sims spielen. Aber wie schnell sind zwei Stunden um, …

Vom Pferd fallen: und wieder aufstehen

1 Gerade erst mit der Ausbildung begonnen hatte ich nach drei Monaten den ersten Unfall. Ich wurde vom Pferd getreten – das war mir bisher nur einmal zuvor passiert. Doch diesmal war es mehr als nur ein kurzer Schock und ein blauer Fleck. Ich bin fast ohnmächtig geworden vor Schmerz. Mein Bein schwoll sofort auf den doppelten Umfang an. Ich konnte kaum noch gehen. Jeder einzelne Schritt war eine Qual und kostete mich unglaublich viel Kraft. Die halbe Stunde bis Feierabend arbeitete ich noch zu Ende, humpelte dann 16.30 Uhr vom Stall aus ins Wohnheim und kühlte mein Bein unter dem kalten Wasser der Dusche. Und da sah ich es erst richtig: mein rechter Oberschenkel war zur Hälfte blau und auch der linke Oberschenkel hatte etwas abbekommen- ebenfalls geschwollen und blau, jedoch weitaus nicht so schlimm wie das andere Bein. Für mich gab es jetzt nur eine Option: so schnell wie möglich nach Hause zu fahren. Zwei Stunden Autofahrt standen mir bevor, den Krankenwagen hatte ich abgelehnt – panische Angst in einem fremden Krankenhaus zwei …

zielloses verschwenden? – Zeit/Geschehen

Wir sind eine Wegwerfgesellschaft, das ist unumstritten. Unser übermäßiger Konsum und ein wenig nachthaltiges Kaufverhalten sind dabei die maßgeblichen Auslöser. Die gesamte Weltbevölkerung schafft pro Tag rund 3,5 Millionen Tonnen Abfall, und bis zum Jahr 2025 soll das Abfall-Aufkommen auf nahezu 6 Millionen Tonnen steigen. Lässt man sich das durch den Kopf gehen, ist es enorm, fast beängstigend. Die größten Müllerzeuger sind dabei Amerika und Europa, und auch Deutschland trägt einen wesentlichen Teil zur Vermüllung der Welt bei.    Im Jahre 2013 sind hierzulande 36 Millionen Tonnen Müll angefallen, das sind pro Kopf ein Müllberg von 453 kg. Von diesem Betrag landen rund 160 kg auf dem Hausmüll, 30 kg auf dem Sperrmüll, 50 kg in der Biotonne, 60 kg in der Tonne für pflanzliche Abfälle, 150 kg Müll sind Wertstoffe und sonstige Abfälle, wie Batterien, machen davon 2 kg aus. Die rund 150 kg Wertstoffe setzen sich aus Glas, Verpackungen, Leichtverpackungen, Papier, Pappe, Metall, Holz, Kunststoff und Textilien zusammen. Vor allem das Problem mit den Verpackungen hat sich in den letzten 10 Jahren noch …