Mit beiden Beinen auf dem Boden
Ich habe nie darüber nachgedacht, ob ich bodenständig bin. Vor einem halben Jahr bin mit einer Freundin auf das Wort gestoßen. Wir haben eine Woche lang alle möglichen Menschen gefragt, was sie unter Bodenständigkeit verstehen, ob sie bodenständig sind und ob das etwas Positives oder Negatives ist. Mich hat fasziniert, dass es keine eindeutige Definition gibt und Menschen so unterschiedliche Meinungen dazu haben. Für manche, vor allem für Menschen aus meiner Generation, ist sie die Spitze des Spießbürgertums. Bodenständigkeit repräsentiert für sie Unfreiheit und ein Gefangensein in den konservativen Moralvorstellungen ihrer Eltern und Großeltern. Für andere ist sie eine Tugend und Idealvorstellung eines unbesorgten Lebens. Ist Bodenständigkeit ein Überbleibsel aus alten Zeiten oder ist sie ein Wert, der auch heute noch eine Rolle spielt? Lässt sich diese Frage überhaupt beantworten? Darüber habe ich in den letzten Monaten mit Freund*innen, meinen Eltern und Großeltern geredet. Am Ende habe ich die Soziologin Barbara Thériault interviewt, die dem Konzept Bodenständigkeit eher zufällig begegnete, als sie sich mit dem Alltag von Menschen der Erfurter Mittelklasse beschäftigte und das Buch …