Alle Artikel in: Körper & Bewusstsein

Vor dem Rot: Zwangsstörung, Zyklus und PMS #readyornot

Bevor ich blute, bin ich zart und schmerzaffin, mein Herz ist schwerer und ich kann keine blöden Sprüche mehr hören. Ich spüre eine deutliche Distanz zum Außengeschehen, merke aber gleichzeitig, wie wichtig es ist, mich hin und wieder zu überwinden. Manchmal muss ich nach Hause, weil ich sonst wie ein Damm brechen und fluten würde. Muss aus der Straßenbahn rennen, weil mir schlecht ist, heiß und kalt, und alle Bedürfnisse sich zu Einem kristallisiert haben: Ich muss mich verstecken; vor dem verdreckten Hauptbahnhof und den aufgegebenen Besoffenen, vor den Knallfroschnachrichten, die einen beißenden Geruch hinterlassen, vor dem Geschirr, dass ich nicht spülen kann, vor dieser bodenlosen Trauer, die ich nur aushalten, aber nicht wegträumen oder vergessen kann. #readyornot beschäftigt sich mit Zwangsstörungen. Sie werden häufig missverstanden oder als „Putzfimmel“ abgetan, was sehr schade und hinderlich ist: Durchschnittlich werden Betroffene nämlich erst nach neun Jahren diagnostiziert. Menschen mit Zwangsstörungen leiden unter unerwünschten Zwangsgedanken und/oder unter Zwangshandlungen, die ihren Alltag zunehmend vereinnahmen und alle möglichen Themenfelder umkreisen können. Effektiv behandelt werden Zwänge mit kognitiver Verhaltenstherapie und Konfrontation mit …

Noch (k)ein bisschen Schlaf #gutunddir

Nächtliche Schlaflosigkeit – eine erschreckend alltägliche Nebenwirkung unserer Gesellschaft lebend im Paradox aus Leistung und Mehrwert?  All die Fragen, die den Stunden zwischen Abenddämmerung und Morgengrauen nicht müde werden, die unermüdliche Suche nach all dem, was uns nachts hellwach statt hundemüde macht. Die Generation die vor Müdigkeit das Schlafen verlernt,weil der Tag zu laut ist für die Stille der Nacht. Nachts ist alles lauter – Vol. 1 Nachts, wenn alles schweigt, dann wird es in mir auf einmal laut. Denn nachts werfen meine Gedanken viel längere und tiefere Schatten, als sonst. Eine nie enden wollende Gedankenkette. Ein ständiges Ich muss noch das machen und Das darf ich auf keinen Fall vergessen. Es ist fast so, als wolle mein Kopf gar nicht schlafen, als ob es ihm Spaß machen würde, mich die ganze Nacht zu quälen. Und obwohl ich totmüde bin – kein Entkommen. Egal wie viele Kinderhörspiele ich mir anhöre oder Atemübungen mache: Ich bin wach. Hellwach. Panischwach. Je mehr Zeit vergeht, desto angespannter werde ich. Im Kopf überschlage ich die Zeit, die ich noch …

Orange-roter Horizont

Es ist wie ein Wettlauf gegen die Zeit. Doch du kommst dagegen nicht an.Probierst, aber scheiterst.Stehst auf, fällst.Der Feind ist unsichtbar,die Gefühle hell und klar. Du schaust hinaus auf das unendliche Meer. Bist extra ganz früh aufgestanden, um den Sonnenaufgang genießen zu können. Keiner ist hier bei dir. Du bist alleine mit Mutter Natur. Atmest die frische Meeresbrise ein und blickst hoch in den orange-roten Himmel. Langsam kriecht dann doch noch die befürchtete Gänsehaut nach oben zu deinen Oberarmen, bis hin zu deinem Hals. Du lachst, als du dich daran erinnerst, dass du eigentlich noch eine Jacke mitnehmen wolltest. Eigentlich. Noch eine Stufe nach oben und noch eine.Eine weite Wendeltreppe vor dir,der Abgrund hinter dir.Eine kalte, deutliche Angst,die kein Ende nehmen möchte. Mutig packst du deine Socken und streifst sie ganz langsam ab. Nach einer kurzen Zeit traust du dich, mit deinen Zehen den Sand zu berühren. Erst ganz zaghaft, dann wirst du von dem Mut getrieben und begibst dich weiter Richtung Meeresbrandung. Es fühlt sich herrlich an, diese Weite vor sich her und die Ruhe …

Trampolin im Becken #unterkörperwelten

Der Beckenboden – ein lebenslanges Thema. Denn nicht nur dann, wenn sich ein kleines Köpfchen mit durchschnittlich 35 cm Umfang durch den Geburtskanal schiebt, spielt er eine große Rolle. Der Beckenboden ist unabdingbar für unser Wohlbefinden, doch warum? Zeit, ihn einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Den Kopf auf die Matte Ich betrete die mit Neonröhren hell erleuchtete Sporthalle und denke: „Oh wow – hier riechts unfassbar eklig“. Dicht gefolgt von motivierten Studierenden, mit denen ich die nächsten acht Stunden sehr engen Körperkontakt haben werde – zweieinhalb Jahre und eine noch immer anhaltende Pandemie später hat dieser Gedanke etwas Beängstigendes an sich. Zum Umzug von der Klein- in die Großstadt hielt ich es noch für sinnvoll, einen Intensivworkshop zum Thema Selbstverteidigung und Deeskalation zu besuchen, sicher ist sicher. Allerdings hat sich in meinem Kopf kein einziger Griff, keine einzige Strategie einen dauerhaften Platz ergattern können. Ganz ohne Souvenir habe ich den Kurs aber nicht verlassen: Ein Student hebelte mich beim Krav Maga so unerwartet aus dem Stand, dass ich erst mit dem Po und dann …

Fühl‘ mal, mein Fomo-Herz #gutunddir

Akronym Fomo – Fear of missing out. Eine Generation scheinbar gratwandernd zwischen „Was wäre wenn…?“ und „Wenn… dann…„. Da, wo „Ich hab Fomo!“ vor allem ehrliches Zugeständnis statt bloßes Symptom einer digitalisierten Social-Media Gesellschaft ist. Da, wo sie sich nicht erst mit dem bevorstehenden Wochenende am Freitagabend, sondern direkt Montagmorgen vor dem ersten Kaffee zu Dir an den Tisch setzt. Eine Suche nach all den Gründen für die Gefühle der Angst, etwas zu verpassen. All die Fragen des Verpassens Der Begriff Fomo – „Fear of Missing Out“, die Angst etwas zu verpassen – taucht erstmals 2004 in einem Magazin der Harvard Business School des Autor Patrick James McGinnis auf und wird definiert als „gesellschaftliche Beklemmung, Angst oder Besorgnis, die das zwanghafte Verlangen nach einer sozialen Interaktion beschreibt, um eine besondere Erfahrung, ein aktuelles Ereignis nicht zu verpassen„. Soziale Interaktion erscheint auf den ersten Blick so urmenschlich wie das Verlangen nach Nahrung, wie das Verlangen nach einem Zufluchtsort. So fundamental, so natürlich, so menschlich. Aber, was ist, wenn dieses Bedürfnis nach sozialer Interaktion zu einem unterbewussten …

Das Medium Haut – Tattookünstler Florian Rudolph #FUTURABOLD

Florian Rudolph ist Tattookünstler und Besitzer eines queeren Tattoostudios namens TTTRIP in Berlin. Auch ich war schon Kundin in seinem Studio. Als ich vor unserem Termin in meinem Hotelzimmer am Rande einer Panikattacke war und der Termin ins Wasser fallen zu drohte, hat Florian mich kurzerhand selbst abgeholt und ist mir gemeinsam den Weg mit der U-Bahn zu seinem Studio gefahren. In einer Branche, die sehr zeitorientiert arbeitet, ist das keine Selbstverständlichkeit. Wer also ist Florian Rudolph? Welche Verantwortung trägt man als Tätowierer? Welche tiefere Bedeutung hat die Profession und was hat es mit Cultural Appropriation auf sich? Ich habe gefragt und bewundernswerte Antworten erhalten. Ich würde gerne mit deinem Werdegang einsteigen: Wie bist du zum Tätowieren gekommen? Ich glaube wir haben darüber schonmal gesprochen und du hast mir gesagt, du hast eigentlich Produktdesign studiert? Genau, ich habe ein Master im Produktdesign gemacht. 2014 hab ich den Abschluss gemacht, in Saarbrücken. Und bin dann nach Berlin gezogen, eineinhalb Jahre später. Dort war ich anfangs sehr viel alleine und hatte dann auch viel Zeit, darüber nachzudenken, …