Alle Artikel in: Inspiration

Wortlabyrinth #obstsalat

Mit Kopf und Herz steckt unser gesamtes TIERINDIR-Team gerade in der Produktion von DRANG, unserem dritten Printmagazin. Deswegen gibt es diesen Monat nur eine klitzekleine Ausgabe von #obstsalat, bei der wir über unsere Lieblingswörter und deren Bedeutung für uns schreiben. Sommer (von Lena) Schnell wird mir klar, dass es bei einem Lieblingswort nicht auf den Klang des Wortes, sondern vielmehr auf das Gefühl, das es in mir auslöst, ankommt. Sommer ist für mich das Gefühl, auf das man das ganze Jahr wartet. Draußen picknicken, lesen, mit Inlinern an Wiesen vorbeidüsen, nur um jeden Tag dieselben Kühe zu sehen. Wenn ich an Sommer denke, denke ich daran, wie mir die Sonne warm auf die nackten Beine scheint und ich ins kalte Freibadwasser springe. Ich denke an Eis Essen, barfuß Laufen und einen Tagesausflug ans Meer. Alle Leute strahlen, wenn sie über den Sommer reden. Alles wird ein Stückchen erträglicher, wenn die Vögel schon früh am Morgen ihre Sommermelodie zwitschern und die Sonne durch die Vorhänge aufs Bett scheint. Sommer riecht nach Sonnencreme, Asphalt, Obst, Grillkohle, frisch …

Zwischen den Zeilen

Im Drogeriemarkt meiner Wahl stehe ich vor einem dieser vierseitigen Kartenständer aus Metall, an denen ich schon als Kind immer fasziniert stehen bleiben musste, um alle Seiten ausführlich zu betrachten und um zu beobachten, wie die Farben der Karten beim Drehen des Metallständers verschwimmen. Dieses Exemplar bietet ein breites Spektrum an Karten zu jeglichen Lebensereignissen. Manche davon glitzern, manche sind zum Aufklappen und manche können sogar Musik beim Aufklappen abspielen. Es ist eine bunte Mischung aus Pastellgelb, -grün, -rosa und -blau, verschnörkelten Schriftarten und diversen Motiven. Und da ist wirklich für jeden Anlass was dabei: Die Seite des Drehständers, die ich mir gerade anschaue, bietet eine große Auswahl an Karten mit Glückwünschen zur Geburt. Überall sehe ich Störche, Regenbögen und Babysocken. Klar gibt ́s auch hier die All-Time-Klassiker mit der Aufschrift „Es ist ein Mädchen!“ mit Herzen und Blumen auf einem rosa Hintergrund – und „Es ist ein Junge!“ mit Teddybären und Elefanten auf einem blauen. Geschlechterklischees, lieben wir. Ich drehe weiter und auf der zweiten Seite des Drehständers erwarten mich Karten zur Einschulung, zur …

Der Blickwinkel auf die Situation

Man arbeitet immer auf etwas hin. Auf etwas, nachdem man das Ziel erreicht hat, was das Leben erleichtert und hofft, dass eseinen bereichert.Doch wann hört dieser Kreislauf auf, wann ist die Luft raus.Man arbeitet auf Maximum doch ist am Minimum und es scheint, als ob die Zeit nichtrumgeht, obwohl das Ziel schon so gut wie im Raum steht.Und könnt‘ ich doch das schaffen, würd ich doch das lassen, dann wäre, dann wäre es anders.Doch den Anlass vergisst man und es ist zu spät dann, um aus dem Kreislauf raus zukommen, denn das Ganze hat begonnen und dich, sowie deine Zeit, eingenommen.Nichtsdestotrotz macht man es für ein Ziel, richtig?Und es erscheint doch auch echt wichtig, doch die Gedanken sind verschwommen.Vom idealisierten Bild verkommen.Also versuchst du einem Strang zu folgen.Suchst nach dem richtigen Weg, willst du vielleicht einfach nur weg?Weg von dem immer fortlaufenden Gedankenkreislauf.Doch was wird danach folgen?Planlos.Planlos übers leben.Was musst du geben, um das zu erreichen, wofür dein Herz schlägt.Es erscheint sinnlos.Sinnlos, weil es im Endeffekt eh anders sein wirdEs dich aber doch zersägt.Deine Gedanken …

„Ich wünsche mir, dass meine Musik bei denen landet, die sie brauchen“ #Wie ist es eigentlich…?

Für die dritte Ausgabe von #Wie ist es eigentlich…? treffe ich den Songwriter Pablo Brooks. Pablo ist 19 Jahre alt und wohnt in Berlin. Im November 2021 brachte er seine Debüt-EP „Not Like The Movies“ raus. Wir sprechen über die Lügen, die uns Coming-of-Age-Filme erzählen, über Pablos ersten Song, das erleichternde Gefühl verstanden zu werden und Zukunftspläne (oder die Abwesenheit davon). Pablo, wie ist es eigentlich ein aufsteigender Musiker zu sein? Ich sitze in einem Café in Friedrichshain. Die Wände sind in einem kräftigen Blauton gestrichen, die Tischplatten aus hellem Holz, transparente Glaslampen baumeln von der Decke. Hinter mir sitzen Studierende, die angestrengt in ihre Laptops starren, vorne links schlürfen zwei Männer ihre Flat Whites aus bunten Keramiktassen. Alles ist so, wie sich meine Freund*innen aus der Heimat ein hippes Berliner Café vorstellen. Ich muss zugeben, mich in diesem Klischee inzwischen wohl zu fühlen. Vielleicht, weil es mir nach fast zwei Jahren in Berlin so vertraut geworden ist. Den Ort hat Pablo Brooks, der eigentlich Pablo Mühle heißt, vorgeschlagen. Pablo und ich kennen uns zu …

Was wir lesen #obstsalat

In dieser Ausgabe von #obstsalat lassen wir die Hüllen aus bedrucktem Papier fallen und stellen Dir unsere Literaturempfehlungen aus den letzten Monaten vor. The Seven Husbands of Evelyn Hugo (2018) von Taylor Jenkins Reid 🔖 ist ein wunderschön geschriebener Roman, in dem man sich komplett verlieren kann. Eine queere Liebesgeschichte, die im alten Hollywood spielt. Die trotzdem aber unfassbar zeitlos und aktuell ist. Und so ein Buch, das genau richtig ist, um die turbulente Welt um einen herum für einen kurzen Moment vergessen zu können – um währenddessen daran erinnert zu werden, wie schön das Leben eigentlich ist! Und dass wir jeden Moment bewusst schätzen sollten. Ach, ich freue mich einfach über diese GROßE queere Liebe! – MARA Becoming Beauvoir: A Life (2020) von Kate Kirkpatrick 🔖 Jean-Paul Sartre (1905-1980) und sein existenzialistischer Freiheitsbegriff sind in philosophischen und literarischen Diskursen keine Fremdworte. Zitate wie „Die Existenz geht der Essenz voraus“ oder „Die Hölle, das sind die anderen“ sind fast schon Kult. Simone de Beauvoir (1908-1986) war wie Sartre auch Schriftstellerin und Philosophin, Existenzialistin und Vertreterin …

Ein Ort namens Zufriedenheit

Es gibt Tage, an denen ich abends im Bett liege und nicht einschlafen kann. kommt vor, ist nichts weiter schlimmes und kennt ja schließlich jeder. doch ab und an, da wollen mir meine Gedanken einfach keine Ruhe lassen und wenn ich mich dann um halb zwei noch immer in den Laken wälze, halte ich es manchmal einfach nicht mehr aus. Wie mechanisch greift meine Hand dann zum Handy und mit zwei, drei schnellen Fingerbewegungen öffnet sich auch schon Instagram. Zack – sofort springt mir das grinsen irgendeiner Bekannten, die ich vor Jahren mal im Urlaub kennengelernt habe, ins Gesicht. ein kurzer Klick und ich weiß, sie ist gerade auf Bali, verbringt ihre Zeit dort mit Surfen und dem lesen von feministischer Literatur. und ab und an häkelt sie sich ein neues kurzes Top im Schatten der Palmen. Könnte das Leben leichter sein? Na super, denke ich, und merke, wie meine Laune schlagartig fällt. Bis vor zwei Minuten war mir noch nicht einmal bewusst, dass ich gerade lieber auf Bali unter irgendeiner Palme irgendein viel zu …

„Das Gefühl, dass ich da auch hingehöre“ #Wie ist es eigentlich…?

Für die zweite Ausgabe von „Wie ist es eigentlich…?“ treffe ich Angelina, eine Freundin, die inmitten zweier sehr unterschiedlicher Kulturen aufgewachsen ist. Zwischen Supermarktregalen und bunten Spielzeugkartons sprechen wir über „doppelte Fremdheit“, die Bedeutung von Sprache, verschiedene Zubereitungsarten von Kartoffeln und grüne Limonade. Meine Frage: Angelina, wie ist es eigentlich aus einer russlanddeutschen Familie zu kommen? Bevor ich über die Feiertage zu meinen Eltern nach Hause fahre, sitze ich auf dem Sofa in meiner Einzimmerwohnung und denke nach. Über wen schreibe ich? Wer aus der Heimat würde sich mit mir für meine Kolumne treffen? Ich öffne WhatsApp, scrolle durch die Chatübersicht und sehe Angelinas Namen. Angelina ist das, was man eine „Sandkastenfreundin“ nennt. Wir wurden in der gleichen Stadt geboren und teilten uns gleichermaßen Pausenbrote und Versuche des Erwachsenwerdens. Seit unserem Abitur sehen wir uns jedoch nur noch selten. Ich lebe in Berlin, Angelina studiert BWL in Köln und verbringt ihre Freizeit als leidenschaftliche Skilehrerin. Ich beginne eine Nachricht zu tippen, um zu fragen, ob Angelina zufällig jemand einfällt und halte dann plötzlich inne. Mir …

Das Medium Haut – Tattookünstler Florian Rudolph #FUTURABOLD

Florian Rudolph ist Tattookünstler und Besitzer eines queeren Tattoostudios namens TTTRIP in Berlin. Auch ich war schon Kundin in seinem Studio. Als ich vor unserem Termin in meinem Hotelzimmer am Rande einer Panikattacke war und der Termin ins Wasser fallen zu drohte, hat Florian mich kurzerhand selbst abgeholt und ist mir gemeinsam den Weg mit der U-Bahn zu seinem Studio gefahren. In einer Branche, die sehr zeitorientiert arbeitet, ist das keine Selbstverständlichkeit. Wer also ist Florian Rudolph? Welche Verantwortung trägt man als Tätowierer? Welche tiefere Bedeutung hat die Profession und was hat es mit Cultural Appropriation auf sich? Ich habe gefragt und bewundernswerte Antworten erhalten. Ich würde gerne mit deinem Werdegang einsteigen: Wie bist du zum Tätowieren gekommen? Ich glaube wir haben darüber schonmal gesprochen und du hast mir gesagt, du hast eigentlich Produktdesign studiert? Genau, ich habe ein Master im Produktdesign gemacht. 2014 hab ich den Abschluss gemacht, in Saarbrücken. Und bin dann nach Berlin gezogen, eineinhalb Jahre später. Dort war ich anfangs sehr viel alleine und hatte dann auch viel Zeit, darüber nachzudenken, …

Das kleine Glück ist groß

Am Morgen, wenn der Tag noch neu und unberührt, oder am Abend, wenn der Tag bereits vergangen und verbraucht ist, machen wir uns Gedanken. Gedanken darüber, was noch wird oder was bereits war. Wir schmieden Pläne für den Tag, erstellen To-Do-Listen und schreiben Notizen. Wir wollen nichts vergessen, alles erledigen, jedem gerecht werden und zuletzt einfach einen Haken hinter den Tag setzen. Mit einem fetten Punkt oder einem großen Ausrufezeichen dahinter. Um am Ende des Tages sagen zu können: „Ich habe alles geschafft, was ich mir für den Tag vorgenommen habe“.  Blicken wir auf den Tag zurück, erinnern wir uns an die erledigte Buchhaltung, den kleiner werdenden Papierstapel auf dem Schreibtisch, an die erfolgreich absolvierte Präsentation. Oder an den wieder vollen Kühlschrank, die gemachten Uniaufgaben, den gemähten Rasen. Das sind Pflichten und Prinzipien, Verbindlichkeiten und Selbstverständlichkeiten. Sie gehören zu unserem Leben, unserer Selbst und zum Alltag dazu. Sie füllen den Tag. Aber ist der Tag dadurch erfüllt? Sind wir dadurch erfüllt? Denn blicken wir noch länger auf den Tag zurück, haben wir zwar nichts vergessen, …

„Oft wird mir einfach viel zu wenig zugetraut“ #Wie ist es eigentlich…?

In der ersten Ausgabe von „Wie ist es eigentlich…?“ treffe ich Sarah. Sarah ist 30 Jahre alt und wurde in Münster geboren. Sie singt gerne, häkelt, bevorzugt Decken in knalligen Farben, hat Probleme damit, ihre Locken zu bändigen und eine Behinderung, die sich VACTERL-Assoziation nennt. Wir treffen uns bei ihr Zuhause. Neben fünfzehn Minuten Verspätung bringe ich auch eine Frage mit: Sarah, wie ist es eigentlich im Rollstuhl zu sitzen? VACTERL-Assoziation. Eine Behinderung, die den meisten Menschen nicht bekannt ist. Sie äußert sich durch eine Kombination verschiedener angeborener Fehlbildungen. Dabei ist das Wort VACTERL ein Akronym für die Regionen, die betroffen sein können. Derzeit wird davon ausgegangen, dass etwa eines von 10.000 bis 40.000 Neugeborenen VACTERL hat. Statistiken zufolge überleben etwa die Hälfte der Kinder mit VACTERL-Assoziation das erste Lebensjahr nicht. Sarah hat überlebt. Sarah hat überlebt, doch ihre Behinderung führte unter anderem dazu, dass sie seit ihrem 6. Lebensjahr im Rollstuhl sitzt. Ich treffe sie in ihrer Wohnung im dritten Stock eines weißen Mehrfamilienhauses. Den Weg dorthin finde ich ganz ohne Google Maps, denn …