Autor: Dominik

Die Systemrelevanten

Anmerkung: Ich habe in den letzten Wochen an verschiedenster Stelle den Hinweis wahrgenommen, dass die Bezeichnung „Weltfrauentag“ teilweise problematisch ist, da das Lexem „Frau“ nicht umfassend genug für alle Spektren sei und andere Personengruppen, die unter dem Patriarchat leiden, ausschließe. Die Schreibweise des Wortes „Frau“ mit Gender-Sternchen, wie ich sie in meinem Text letztes Jahr auch verwendet habe, da ich diese für spektrumsübergreifend hielt, sei demnach auch falsch. Leider habe ich bisher keine andere, adäquate Schreibweise ermitteln können, die niemanden ausschließt und so im nachfolgenden Text die einfache Schreibweise „Frau“ gewählt, ohne die Absicht, ein Spektrum damit benachteiligen zu wollen. Über Hinweise bezüglich einer passenden Schreibweise wäre ich dankbar. Seit meinem Text zum Weltfrauentag 2020 hat sich die Welt verändert. Neben all den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie, gibt uns die Krise aber auch Chancen, neue Bewusstseinsperspektiven zu entwickeln – auch für ohnehin schon bestehende Problematiken, deren Dringlichkeit sich durch die Krise verstärkt.  Der Weltfrauentag 2021 ist wichtiger wahrzunehmen als je zuvor, denn ein Jahr in der Pandemie hat gezeigt, dass es Frauen sind, die unsere Gesellschaft …

Danke für die Blumen

Heute vor genau zwei Jahren ging mein erster Text bei Tierindir online. Dass dieser Termin genau auf den Weltfrauen*tag fiel, ist natürlich kein Zufall gewesen. Damals war ich 16 Jahre alt und die feministische Debatte war ein Thema, mit dem ich mich zu diesem Zeitpunkt seit mehreren Monaten beschäftigt hatte. Ich will nun nach zwei Jahren die Möglichkeit nutzen, um einfach mal Revue passieren zu lassen: Was ist von meinen damaligen Wünschen an eine gleichberechtigte Gesellschaft übrig geblieben? Habe ich denn überhaupt selbst genug dazu beigetragen? Wenn ich mich gedanklich zwei Jahre in die Vergangenheit zurückversetze, dann war da gerade einiges in meinem Leben los. Ich kam in die Oberstufe und fing an, mich intensiver mit Politik und den Vorgängen, die um mich herum und in unserer Gesellschaft passieren, auseinander zu setzen. Woher mein besonderes Interesse für die Rechte und die Gleichstellung von Frauen* in unserer Gesellschaft damals kam – außer, dass ein gewisses Interesse für besagte Dinge von jedem zu erwarten wäre und einfach nur anständig ist – kann ich nicht mehr komplett zurückverfolgen. Was ich aber …

Wieder/ Noch – Zeit/ Geschehen

Im September 2018 schrieb ich den Text über die Vorfälle in Chemnitz mit der Überschrift „Ein Versuch, Worte zu finden“. Gerade mal ein Jahr später stehe ich wieder vor diesem Versuch und es fällt mir schwerer denn je. Mittwoch, 9. Oktober, es ist später Mittag, kurz vor 13:45. Mein Koffer steht gepackt und ich will mich gerade auf den Weg zum Bahnhof machen, um wieder zurück nach Halle zu fahren, wo ich gerade dabei bin, mein Studium anzufangen. Mein Handy vibriert. Eine Nachricht aus einer Gruppe, in die ich erst wenige Tage vorher eingetreten war und in der Leute Mitglied sind, die ebenfalls dieses Semester in Halle anfangen, Kunstgeschichte zu studieren. Jemand schickt einen Screenshot; das erste was ich sehe ist ein roter Leitkegel und darunter das Wort „WARNUNG“. Ich lese weiter: „12:50, Schießerei im Stadtgebiet Halle, Wohnungen und Gebäude nicht verlassen, von Fenstern und Türen fernhalten“. Ich lese die Benachrichtigung mehrere Male durch und denke nur „Was für ein blödes Timing“. Bei dem Wort „Schießerei“ denke ich erst daran, dass es vielleicht einen Raubüberfall …

Bestandsaufnahme

Alles niederzuschreiben, was ich momentan denke und fühle, passt auf kein weißes Blatt Papier. Man sagt immer, dass der Sommer nach dem Abi, vor dem Studium, eine der besten Zeiten wird. Mir fällt es schwer, mich dieser Vorstellung anzupassen. Klar Denken geht momentan fast gar nicht, obwohl mich nichts daran hindert. Meinen letzten Schultag im April habe ich nicht miterlebt, weil mir vor Fieber die obere Schädeldecke nahezu explodiert ist. Doch dann war erstmal ein bisschen Frühling, die Zeit war einfach schön, über irgendwelche Prüfungen habe ich mir nicht viele Gedanken gemacht aber sie trotzdem geschafft. Nach meiner letzten Prüfung war es dann schon Ende Mai. Ich kam nach Hause und dachte: jetzt wird es richtig, richtig schön – weil man eben sagt, dass das immer so ist. Gerade mal eine Woche hat diese Euphorie angehalten. Danach war jeder Tag mehr und mehr eine Last. Schon vor den Prüfungen war der Verlust dieser Routine, jeden Tag in die Schule gehen zu müssen, irgendwie befremdlich, aber durch das Abi war ich erstmal beschäftigt und dieses befremdliche …

Wieso weshalb warum? – Europawahl

Wer in der letzten Zeit nur halbwegs mit geöffneten Augen durch seine Umwelt läuft, der wird wohl kaum um das Thema Europawahl herumkommen. An jeder Ecke und an jedem Laternenpfahl lachen uns wieder teils fremde, aber auch altbekannte Gesichter der verschiedenen Parteien an, die jedoch alle eins gemeinsam haben: Was auf unseren Plakaten steht, ist jetzt gerade wichtig für dich und deine Zukunft. Nicht nur das; in jedem Atemzug steckt momentan immer irgendwie Europa. Wer soll da noch durchblicken, ohne den Überblick zu verlieren? Was ist für mich richtig, was ist falsch? Was soll ich überhaupt mit leeren Begriffen wie EU und Europaparlament anfangen? Vor allem für Erstwähler, die sich ihr bisheriges Leben vielleicht eher vage mit (Europa)politik auseinandergesetzt haben, ist das nichts als erschlagend und überfordernd. Doch auch, wenn ihr noch nicht wählen könnt, ist es alles andere als unwichtig, im Bilde darüber zu sein, was auch für Minderjährige die Zukunft bedeutet. Dieser Text soll keine Wertungen abgeben, keine Parteien vorschlagen – nichts davon. Die Welt fordert uns immer wieder auf: geht wählen! Nur …

Hannah – Wer wir sind

Die Tatsache, dass Hannah krank ist, kenne ich länger als Hannah selbst. Doch über den Verlauf dieses Leids und überhaupt irgendwelche Details, wusste ich nichts – bis heute. Erinnerungen, wann irgendetwas anfing, sind schwierig. Es fing um 2013 an – ich wollte perfekt sein. Wenn ich andere Menschen gesehen habe, die glücklich wirkten und auch in ihrer Familie glücklich waren, dann dachte ich: dieses Glück muss man irgendwie erreichen können. Und ich habe begonnen, mich in vieles rein zu zwängen und alles zu machen, was man von mir verlangt hat – ob ich wollte oder nicht. Meine Vorsätze für das Jahr 2014 waren dann Dinge wie „Keine dummen Fragen stellen“, „Nur sprechen, wenn man dazu aufgefordert wird“ und „Nein ist keine Antwort“. Ich wollte einfach zufriedener werden; ich wollte abends ins Bett gehen und mir sagen können: „Heute war es gut.“ Doch „gut“ hat mir schnell nicht mehr gereicht. Ich habe eine Stoffwechselstörung, wegen der ich sehr auf meine Ernährung achten muss. Lief da einmal was falsch, war das für mich gleich wieder eine Verunsicherung. …

Wer hat Angst vor Greta Thunberg? – Zeit/Geschehen

„Ich will, dass ihr in Panik ausbrecht!“ – so selbstbewusst würde (und da bin ich mir sicher) kaum einer von uns sich vor die ganze Welt stellen und das Kind beim Namen nennen. Greta Thunberg ist deshalb besonders, weil sich über das Gewöhnliche hinweg setzt. Das Gewöhnliche, die bestehenden Verhältnisse zwar vielleicht nicht zu dulden, aber konkret, vielleicht auch aus einem gewissen Mangel an Mitteln heraus, doch irgendwie einfach zu dulden. Greta Thunberg tauchte auf wie ein Schrei, der schon vielen lange in der Kehle saß, aber nie ganz ausgestoßen wurde. Und mit dem was sie sagt, eröffnet sie vor allem uns, denen, die nicht in der Liga der hohen Politiker mitspielen, ganz neue Blickwinkel auf die Klimapolitik und die Lage der Welt. Dass der Klimawandel ein Problem ist und uns schon warnend auf die Schulter tippt ist und zwar allen bekannt, doch wer von uns überblickt schon vollkommen klar und informiert alle klimapolitischen Probleme unserer Erde?Doch Greta klärt nicht nur auf, sondern tut vor allem eines: sie prangert eben diese Menschen, der hohen Klimapolitik …

Warum wir reden müssen – Zeit/Geschehen

Als ich im Dezember mit einer Freundin einkaufen gehen wollte, wurden wir vor einem Supermarkt von einer Parteiangehörigen der MLPD angesprochen, die mit der Mitgliedschaft für eine anti-imperialistische Liste warb. Unteranderem zählte die Frau ein paar Parteiziele der MLPD auf und erwähnte unteranderem, dass es ein Ziel sei, der AfD und dem Rechtsruck in Deutschland entgegenzuwirken. Eingetragen haben wir uns nirgends doch uns später an diesem Tag über die Worte der Frau unterhalten. Als meine Freundin sagte, dass sie die AfD wähle, muss ich kurz schlucken, bin erschrocken, aber sage erstmal nichts weiter darauf. Ich füge nur hinzu, dass die AfD nicht die richtie Partei für mich sei. Am nächsten Tag denke ich erst richtig über alles nach. Als erstes fällt mir auf, dass wir uns noch nie über Politik unterhalten haben, ich also eigentlich nie wirklich hätte rausfinden können, wen sie eigentlich wählt. Lediglich dieser Zufall vor dem Supermarkt hat mich jetzt vor einen Konflikt gestellt. Ich bin mit einer AfD-Wählerin befreundet – hätte mir das jemand gesagt, ich hätte es für eine Lüge …

Alle Jahre wieder – und wenn nicht?

Als ich vor ein paar Wochen durch die licht- und dekorationsüberflutete Stadt lief, vorrüber an Weihnachtsbuden, Eisbahn und durchgestylten Schaufenstern, kam mir eine Frage: Was hat Weihnachten überhaupt noch für eine Bedeutung für uns? Warum jedes Jahr aufs neue ein Zeitabschnitt, in dem eine Fassade aus dem Nichts auftaucht und für ein paar Wochen so tut, als ob? Was gibt uns diese Zeit eigentlich? Dass nicht jeder Weihnachten feiert, dürfte klar sein; egal ob aus religiösen oder anderen persönlichen Gründen. Jedoch können wir uns alle, egal ob wir Weihnachten feiern oder nicht, schlecht gegen die Flut von vorweihnachtlichen Konsumgütern, übertriebener Dekoration und Gedudel im Radio wehren. Die Weihnachtszeit ist in meinen Augen nur noch die Zeit von Konsum und Profit. Uns allen ist klar, warum Weihnachten eigentlich gefeiert wird. Aber was sich daraus entwickelt hat, ist irgendwie seltsam. Ich frage mich immer, warum es gerade die Weihnachtszeit ist, die so von der Allgemeinheit zelebriert und kommerzialisiert wird. Warum ist es beispielsweise nicht Ostern? So viele Fragen, auf die ich keine Antwort weiß. Unser schon angesprochenes …

Lieblinge im November

Jedes Jahr fürchte ich mich ein bisschen vor dem November. Dunkelheit, Kälte, der erste Schnee, Leute, die bereits komplett die Fassung mit ihrer Weihnachtsdekoration verlieren. Nie bin ich melancholischer und meist schlechter gelaunt als im November. Doch auch diese Zeit muss ich überstehen und viele schöne Dinge helfen mir auch dabei. Um ein paar der schönsten soll es heute hier gehen. Eines der schönsten und bewegendsten Bücher die ich je gelesen habe, hat mich gleich Anfang des Monats erfreut: Kitchen von der japanischen Schriftstellerin Banana Yoshimoto. Gehört habe ich von ihr schon einige Male, doch habe nie irgendetwas von ihr gelesen. Im Frühjahr las ich eine Rezension über Kitchen und war nicht abgeneigt. Noch im April habe ich das Buch gekauft, aber seither im Schrank stehen lassen. Im Nachhinein weiß ich: was für ein Fehler. Das Buch ist in drei Teile gegliedert, wobei die ersten beiden Teile zusammengehören und der dritte Teil eine für sich abgeschlossene Geschichte mit völlig anderen Personen erzählt. In den ersten beiden Teilen, die wie das Buch auch Kitchen und Kitchen …