Mit Kopf und Herz steckt unser gesamtes TIERINDIR-Team gerade in der Produktion von DRANG, unserem dritten Printmagazin. Deswegen gibt es diesen Monat nur eine klitzekleine Ausgabe von #obstsalat, bei der wir über unsere Lieblingswörter und deren Bedeutung für uns schreiben.
Sommer
(von Lena)
Schnell wird mir klar, dass es bei einem Lieblingswort nicht auf den Klang des Wortes, sondern vielmehr auf das Gefühl, das es in mir auslöst, ankommt. Sommer ist für mich das Gefühl, auf das man das ganze Jahr wartet. Draußen picknicken, lesen, mit Inlinern an Wiesen vorbeidüsen, nur um jeden Tag dieselben Kühe zu sehen. Wenn ich an Sommer denke, denke ich daran, wie mir die Sonne warm auf die nackten Beine scheint und ich ins kalte Freibadwasser springe. Ich denke an Eis Essen, barfuß Laufen und einen Tagesausflug ans Meer.
Alle Leute strahlen, wenn sie über den Sommer reden. Alles wird ein Stückchen erträglicher, wenn die Vögel schon früh am Morgen ihre Sommermelodie zwitschern und die Sonne durch die Vorhänge aufs Bett scheint. Sommer riecht nach Sonnencreme, Asphalt, Obst, Grillkohle, frisch gemähtem Rasen, Chlor und Wassereis. Im Sommer gehen wir auf Reisen, um die Welt in ihrer schönsten Version zu sehen, wenn die Natur ihr schönstes Blütenkleid trägt.
Egal wie alt ich bin und wie lang ich schon nicht mehr in die Schule gehe: Das Gefühl von Sommerferien und einer damit einhergehenden Freiheit vergeht nie. Egal, wie oft ich darüber klage, dass es zu heiß ist, ich will den Sommer nie in seinen Winterschlaf entlassen. Wenn er mich dann doch wieder verlässt, klingt seinem Wort Melancholie und Sehnsucht nach. Im Moment heißt Sommer aber vorfreudig auf das zu sein, was kommt und auch in schweren Zeiten einen Lichtblick zu haben, der einem Momente voller Leichtigkeit beschert.

glücksverkatert
(von Diana)
Schwadronieren und sinnieren, Stück für Stück. Wind in meinen Haaren, Sonne auf meinem Gesicht. Die Mücken kleben an meiner verschwitzten Haut. Durchtanzte Augenblicke, die unkonservierbar sind. Zerspringen und wieder zusammenkleben. Singen, springen. Lachen und weinen. Mich in mir verkriechen, weil es so schön war. Laufen, bis ich renne. Tortellini mit Gorgonzolasoße und Mais und Paprika. Bisschen Cola, bisschen Nabusaft. Mit Max kuscheln. Deine Stimme in meinem Ohr, dein Atem auf meiner Haut. Papas Bartstoppeln, wenn ich ihn drücke und Mamas weiche Wange. Ich am Telefon; weinend. Der Moment, wenn alles schläft und Du wach bist. Du weißt, Aufstehen wird morgen hart, aber gerade ist alles egal. Den Moment genießend an der Zukunft verzweifeln und sich für die Vergangenheit schämen. Menschen, die auf Dich zukommen, Dir die Hand auf die Schulter legen und sagen: „Gut gemacht“.
In der Badewanne liegen und lesen und schreiben. Das Papier wellt sich unter mir. Finger voller Tinte, Finger voller Farbe. Dasitzen und denken und sein. Sprechen und meinen. Mutig sein, sich trauen, sich verzeihen. Gütig sein; mit sich und mit anderen. Milch Milch Milch, ich will in Dir baden. Mit Pelmeni und Tschebureki und Bananenkuchen. Musik wie von Engeln oder Mephisto. Irren, aber scheißegal, hauptsache streben. Irgendwohin. Irgendwie. Zeitlos und zeitvoll und nicht linear und nicht aus Gold. Worte erfinden und Insider und Gedankenbilder. Ein bisschen hier, ein bisschen da. Alles assoziieren, bis ich mich dissoziiert fühle. Greifen. Immer hoch schauen in den Himmel, egal welche Farbe er hat. Aus dem Krankenhaus gehen und Deda sagen: „Я тебя люблю“. Glücksverkatert.

Plusminus
(von Nele)
Plusminus gut, plusminus fertig, plusminus glücklich, plusminus erwachsen.
Plusminus vor Adjektiven, vor Verben, plusminus vor Nomen, vor Adverbien. Plusminus vor dem, was uns fühlen lässt, was uns jung sein lässt, vor dem, was uns sein lässt. Ob Bahn oder laue Sommernacht, in der Nachricht um 13:35 Uhr oder 1:35 Uhr, im Alltag und allem irgendwo dazwischen. Angefangen als bloße Floskel im Leichtsinn des Heranwachsens, nichts Halbes und nichts Ganzes, und trotzdem alles und nichts.
Ein Glas fernab von halbleer oder halbvoll, eine Gleichung fernab von richtig oder falsch, eine Antwort fernab von gut oder schlecht, sein oder nicht sein, mögen oder nicht mögen. Entschieden für das Unentschiedene. Gegensätze vereint durch das Werden und das Sein, ein Kontinuum zwischen Champagner und Kamillentee, Ankommen und Gehen, neongrau und bittersüß. Nicht gut, nicht schlecht, nicht optimistisch und nicht pessimistisch, nicht plus, nicht minus – irgendwas dazwischen eben. Und vielleicht ist es genau das, was alles manchmal leichter macht. Das Unbestimmte, die Ansichtssache, die Perspektive, das Plusminus im Hier und Jetzt – immer und immer wieder aufs Neue.

heimelig
(von Dessany)
heimelig ist kein Wort, das ich im Alltag häufig verwende, mit dem ich meine Sätze fülle. Es ist ein Gefühl, das sich für mich nicht greifen lässt und irgendwo tief in mir verankert ist. So oft es geht, versuche ich, dieses Gefühl herauszulocken, es einzufangen und ganz genau zu betrachten. Die Momente zu konservieren, die dieses Gefühl ausgelöst haben, um mich genau dann an sie zu erinnern, wenn sie so weit entfernt scheinen. ‚Heim‘ oder ‚Heimat‘ löst diese Gefühl nicht aus – zumindest nicht per se. Ob ich mich heimelig fühle, hängt ganz von bestimmten Orten und Situationen ab.
heimelig fühle ich mich, wenn ich im Sommer mit Mama am See sitze und wir unsere übersalzenen Seepommes essen, die Mittagssonne unsere Nasen kitzelt und eine leichte Brise über unsere gebräunte Haut streicht.
heimelig fühle ich mich, wenn ich inmitten singender und verschwitzter Menschen tanze, die genau so gebannt auf die Bühne starren wie ich. Es auch nicht glauben können, dass sie diese Band, die während der Pandemie ihr musikalischer Anker war, nun endlich spielen sehen.
heimelig fühle ich mich, wenn du mich in deine langen Arme schließt, ich meine Nase an deiner Brust vergrabe, du meine Haare küsst und dann deinen Kopf auf meinem ablegst. Dann kann ich einmal tief durchatmen, weil ich weiß, dass ich nun angekommen bin.
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Die Gestaltung ist von Mara.
obstsalat ist eine Kolumne, die das TIERINDIR-Team gemeinsam entwickelt und veröffentlicht. Immer dann, wenn es uns so in den Kram passt und wir irgendwo eine Lücke finden, liest Du hier Empfehlungen unterschiedlichster Art. Ein Schmankerl für zwischendurch eben.
Lena sieht in ihrer Arbeit bei TIERINDIR den perfekten Ausgleich zum stressigen Alltag und die Möglichkeit, die Welt zu einer besseren zu machen. Sie übernimmt als Projektmanagerin organisatorische Tätigkeiten. In ihrer Freizeit tanzt sie am liebsten Jazz und Modern.
Diana ist Autorin der Kolumne zwischentürundangel und lebt in Trier. Manchmal gestikuliert sie so stark, dass ihre Mitmenschen lieber Abstand zur ihr halten. Wenn sie gerade nicht politisch unterwegs ist, findet ihr sie bei ihrem tierischen Begleiter Max. Sie liebt heiße Schokolade, Worte und holpriges Tanzen.
Nele ist Teil der neuen Kolumne gutunddir und schreibt diese zusammen mit Ana Paula. Am liebsten macht sie alles und nichts, von vielem irgendwie ein bisschen. Tendenziell sagt sie lieber Moin statt Hallo, ist sich ziemlich sicher, dass Ligretto das beste Spiel der Welt ist, mag Spaziergänge im Regen fast lieber als bei Sonnenschein und kriegt vom Kaffee am Morgen ab spätestens 16 Uhr Herzrasen.
Dessany studiert Germanistik in Leipzig und lebt als Redakteurin ihr literarisches Feingefühl in der Betreuung der Autor*innen aus. In ihrer Kolumne unterkörperwelten erkundet sie mit einem kleinen Spiegel bewaffnet Orte unterhalb des menschlichen Bauchnabels. Im Dschungel gesellschafltich tabuisierter Themen umherstreifend, möchte sie ein möglichst schambefreites und liebesvolles Bewusstsein für das schaffen, was es mit dem „da unten“ auf sich hat.
Mara ist 24, Crossmedia Publishing Studentin und Fotografin. In ihrer Freizeit ist sie Hundesitterin für einen Chihuahua namens Holly. Sie hat sich bisher in ihrer Kolumne FUTURA BOLD mit Personen aus Kunst und Kultur über verschiedensten Themen unterhalten, die Gespräche erschienen auch als Podcast auf Spotify und Apple Podcasts. Im Moment betreut Mara aber die Gestalter*innen bei TIERINDIR.