ambiguitätstoleranz. das aushalten von widersprüchlichkeiten, paradogmen, verschiedenen realitäten. von nebensächlichkeiten, die sich addieren und so schwer wiegen.
ich bin nicht gut darin. um genau zu sein, fällt es mir verdammt schwer. in meiner welt soll alles geordnet, geplant, getaktet sein. sinn soll es machen. das ist lustig, denn wenn man mich so ansieht, sehe ich garnicht so aus. bunt, schrill, chaotisch, durcheinander – meine äußere hülle.
oft wird mir alles zu viel, die widersprüche in der welt und die widerspüche in mir. das außen und das innen. fühlen. das haben beide seiten gemeinsam. ich fühle so viel, dass ich irgendwann nichts mehr fühle. eine klappe geht zu und weg.
da ist dann dieser knoten in mir, wenn die klappe zu geht. in meinem bauch, genauer gesagt in der magengegend. ich spüre ihn durchgehend. ein knoten aus metallenen drahtsträngen, die ineinander verworren sind und aneinander festkrallen. ist die klappe auf, dann hat der knoten platz, sich zu bewegen – ein stückchen freiraum. für den knoten und für mich. koexistenz.
geht die klappe zu, ist da kein zentimeter platz mehr für irgendetwas anderes. er nimmt mich ein. er wird größer. einzelne drähte verschlingen sich, versuchen auszubrechen, schnüren mir die luft ab, machen mich starr und steif. unbeweglich. der knoten lebt. die metallenen stränge sind bis zum zerbersten gespannt. mir ist schlecht und ich muss aufs klo. mich übergeben. zumindest möchte ich das so oft, aber es funktioniert nie. ich kann vor dem, was in mir ist, nicht weglaufen, ich kann es nicht loswerden. das taubheitsgefühl, die panik, die anspannung, das verworrene, die angst. sonst ist da nichts in mir. sonst existiere ich nicht. existiere ich überhaupt noch? getrübte wahrnehmung, in watte eingepackt, taub.
meine therapeutin hat bei mir ein trauma gesucht – vergeblich. sie sagt, ich muss lernen, die widersprüche auszuhalten. mit unangenehmen gefühlen umzugehen. ich möchte die gefühle vermeiden, sie einsperren, mich von ihnen distanzieren, sie auskotzen. sie sagt das gehe nicht auf dauer, dann geht die klappe wieder zu. ich erwidere, dass ich einfach sein möchte. Einfach. Sein. Sein. ohne knoten.

ich bin die schöpferin meines eigenen untergangs. dem untergang in mir selbst. versinken. in mir und meinen gedanken. das denken hinterfragen, überdenken, zu viel beachtung schenken, analysieren, auseinander nehmen. zerfallen: um ein bündel aus nichts zu sein.
das paradoxe an der sache ist, dass sie – die sache an sich, meine existenz, mein empfinden – paradox ist. vielleicht besteht mein problem darin, dass ich mich meine eigenen widersprüchlichkeiten aushalten muss. können die dinge nicht parallel existieren, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen? ist mein gehirn in der lage, keine zusammenhänge zwischen nebensächlichkeiten herzustellen? einfach zu sein? koexistenz?
–
Caro. Von Freund*innen Carlos genannt. 19. Irgendwo zwischen Büchern, verschiedenen Haarfarben und Pflanzen – Zimtschnecken, Musicals und Schlaf. Meistens jedoch wach und erquickt anzutreffen.
Merve lebt in Karlsruhe und studiert an der HfG Kommunikationsdesign. Sie ratscht gerne mit vielen Menschen, genießt es aber auch sehr alleine in die Natur zu fahren oder zu töpfern. Was sie sehr liebt: Zusammen mit ihren Liebsten und einem Tee im Park Menschen zu beobachten und zu zeichnen und gemeinsam über Träume und Ängste sprechen. Bei TIERINDIR ist sie Gestalterin.