“ Als ich heute Morgen aufwachte,
hat mein Herz noch geschlafen.
Dann dachte ich an deine Stimme
und meine Brust wurde schwer.
Ich erinnerte meinen Kopf an die
Entfernung zwischen unseren Händen,
doch mein Herz war längst erwacht.“

Du bist schon eine Weile weg und wirst noch eine Weile wegbleiben.
Dinge haben sich verändert und werden sich noch mehr verändern. Aber du bist und bleibst in meinem Gedanken. Ich weiß nicht mehr, wie sich vermissen anfühlen soll und ob ich mir erlaube, dieses Gefühl so zu nennen. Ich weiß aber, dass dieses namenlose Gefühl, was sich manchmal in mir breit macht, nicht da sein sollte. Trotzdem hat es sich in meinem Herzen festgebissen und ich kämpfe nicht dagegen an.
Du hattest schon immer viele verschiedene Gesichter.
Ich glaube, du passt sie an die Menschen um dich herum an und dann verstehe ich, warum man dich nicht leiden sollte. Aus der Ferne sehe ich oft auch nur eins dieser Gesichter und kann nicht glauben, wie unschön und uninteressant es ist. Ich fühle mich, als hätte ich ein Gänseblümchen in meiner Hand, dem ich ein Blütenblatt nach dem anderen ausrupfe. Ich mag ihn, ich mag ihn nicht. Ich vermisse ihn, ich vermisse ihn nicht.
Auch die Gegensätze deiner Gesichter sind nichts Neues.
Um ehrlich zu sein, hast du mir deine Gesichter bereits vor drei Jahren vorgestellt. Und auch wenn ich die meisten nicht mag, akzeptiere ich alle. Dein eines, vertrautes Gesicht ist das, was ich mir manchmal wünsche. Aber es ist das Einzige. Mit den anderen will ich eigentlich nicht mal befreundet sein. Wie soll ich das einer anderen Person erklären, wenn ich es selbst nicht verstehe? Gleichzeitig fühle ich mich geehrt, dass ich ein anderes Gesicht von dir kenne und schiebe in schwachen Momenten den Rest deiner Gesichter in den Hintergrund, bis ich nur noch das eine Gesicht sehe und die anderen langsam verblasen. Und dieses Gesicht schaut mir tief in die Augen und sieht mich. Ist Gesehen-werden nicht das, wonach wir alle suchen?
Doch manchmal schaue ich dir in die Augen und suche nach dem vertrauten Gesicht und dem namenlosen Gefühl und finde nichts.
Dann ist alles still und ich bin durchsichtig für dich. Manchmal verliere ich auch den Überblick über deine Gesichter und merke, wie verrückt Alles ist. Dann denke ich, wie es mir nicht reicht, gelegentlich ein vertrautes Gesicht zu sehen. Ich sollte dieses Gesicht immer sehen können und wissen, dass es mich auch immer sieht.
Ich weiß nicht, ob ich mich freue, dich wiederzusehen, denn ich weiß nicht, auf welches Gesicht ich treffen werde.
In diesem Spiel habe ich keine Macht und muss abwarten, so wie man auf Schnee im Winter hofft. Man hat keine Macht über die Natur, sie lässt sich in ihrer Entscheidung nicht beeinflussen. Aber ich glaube, ich bin ein hoffnungsvoller Mensch. Jedes Jahr hoffe ich wie ein Kind auf weiße Weihnachten. Und auch, wenn ich die letzten Jahre jedes Mal bereits ahnte, dass ich enttäuscht werden würde, bleibt mir nichts anderes übrig, als zu hoffen. Vielleicht ist es mit dir ähnlich. Die Wahrscheinlichkeit das ich ein anderes Gesicht sehen werde, vielleicht ein ganz neues, ist sehr hoch.
Trotzdem hoffe ich auf dein vertrautes Gesicht, an dem ich mit namenlosen Gefühlen hänge.
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Gestaltet wurde der Beitrag von Selma. Sie ist eine der Gestalter:innen bei TIERINDIR und für die Gestaltung der Kolumne #gutundir zuständig. Selma ist 22 Jahre alt, studiert Druck- und Medientechnik und arbeitet nebenbei als Grafikerin in Berlin. In ihrer Freizeit ist sie gern kreativ, liebt lange Spaziergänge und verliert sich in Büchern aus ihrem Bücherregal oder der Bibliothek.