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Mein Lieblingsort ist die Heimat in meinem Kopf

Heimat. 

It means ‘home’, right? As in the house I live in? Oh wait, it means ‘homeland’ too? As in the country I was born in? In that case, can Heimat relate to cities and towns too? And how long do I have to live somewhere for it to become my Heimat? Can I have multiple Heimaten? Is there such a thing as being heimatlos

Das war ich, als ich das Wort Heimat zum ersten Mal gelernt habe. Ich bin Engländerin und lerne seit acht Jahren eure schwierige, aber gleichzeitig wunderschöne Sprache. Dieses Wort hat mich immer fasziniert, weil es in der englischen Sprache einfach nicht existiert. Na ja, wir könnten Heimat vielleicht mit Wörtern wie ,home‘ oder ,homeland‘ vergleichen, aber das würde das Thema verfehlen. Heimat hat keine feste Definition. Das ist das Wesen des Wortes.

Heimat ist so viel mehr als ein Wort. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl – nicht zu erklären, sondern zu spüren. Und der Begriff bedeutet was anderes für jede*n, der/die sich mit diesem Gefühl verbinden will. Wie bei vielen Fremdwörtern, die in der Übersetzung verlorengehen, lässt sich der Begriff nicht leicht verstehen, bis man das Gefühl der Heimat selbst erlebt hat. Und so habe ich Heimat endlich verstanden, als ich zum ersten Mal in meinem Leben umgezogen bin. 

Neues Haus. Neue Stadt. Alles. Einfach. Neu. 

Wenn man 19 Jahre innerhalb der gleichen vier Wände lebt, scheint die Aufgabe, sich von diesen Wänden zu lösen und wieder neu zu beginnen, fast unmöglich zu sein. Ich bin Teil meiner Heimatstadt, ebenso wie die Stadt zu einem Teil von mir geworden ist. Jedes Mal, dass ich aus meinem neuen Fenster schaue, bin ich einfach verwirrt. Ich sehe die gleichen Komponenten, die jede Stadt ausmachen – Gebäude, Grünflächen, Straßenschilder – aber sie sind so unterschiedlich angeordnet. Ich sehe neue Straßen und neue Häuser, die so anders aussehen als die Häuser, die ich in meiner Heimat so gut kannte. Jeder Baustein und jeder weiß gestrichener Zaun. 

Wenn ich morgens aufwache, gibt es vielleicht einen Bruchteil einer Sekunde, wo ich total vergesse, dass ich in einer neuen Stadt lebe. Ich bin tief im Gefühl des Morgenschlafs. Dann öffne ich die Augen und merke, wo ich wirklich bin. Sogar die Bettwäsche fühlen sich unvertraut an, als ich sie in den Händen halte. 

Ich muss mich immer noch an das neue Haus gewöhnen, muss um neue Ecken navigieren und mich durch neue Türen bewegen. Ich habe zahlreiche Stunden beim Weinen und Wünschen verbracht. Ich wünsche mir, dass alles sein könnte, wie es damals war. Ich bin jedoch endlich zum Punkt gekommen, wo ich akzeptiert habe, dass es keinen Sinn ergibt, mir etwas zu wünschen, was nicht passieren kann. Und nur weil ich nicht mehr in meiner Heimat lebe, bedeutet das nicht, dass die Erinnerungen weggespült werden müssen. Doch diese Erinnerungen – die Spuren meiner Vergangenheit – sind bunter und präsenter denn je.

Die Heimat, die ich so sehr liebe, lebt in meinem Kopf weiter. Für Gedanken und Erinnerungen, die meiner Heimat gewidmet sind, habe ich einen besonderen Platz in meinem Kopf reserviert. Dieser Platz ist mein Lieblingsrückzugsort, auf den ich mich immer verlassen kann, wenn ich mich wieder mit meinen Wurzeln verbinden möchte.

Ich schließe meine Augen und was sehe ich?

Ich sehe das Haus, in dem ich laufen und reden und lachen und lächeln lernte.

Ich sehe das Kinderzimmer, das ich 10 Jahre mit meiner Schwester teilte. Ich sehe uns am Heiligabend, als wir ,schlafen‘, während unsere Mutter ein kleines Geschenk auf unseren Kopfkissen liegt. Sobald meine Mutter den Raum verlässt, öffnen wir die Geschenke und kichern bis spät in die Nacht.

Ich sehe den Park, durch den ich jeden Tag auf dem Weg zur Schule ging. Die Kinder spielten immer im Park, auch an Tagen, als es regnete. 

Vor allem sehe ich mich. Ich sehe eine Person, die stolz auf ihre Heimat ist und der es so weh tut, an die Stadt zu denken, die jetzt ohne sie weiterlebt. Ich sehe eine Person, die in dieser Stadt aufgewachsen und zu einer selbstbewussten Frau geworden ist. Ich sehe eine Person, die zu spät erkannte, dass eine Heimat so viel mehr als ein Ort ist. Man trägt seine Heimat durchs Leben, egal wo man letztendlich landet.

Die Wirklichkeit ist: Man muss nicht in das Auto oder den Zug steigen, um die Heimat zu besuchen. Man muss einfach die Augen schließen und es fühlen. Denn bei Heimat, habe ich gelernt, geht es viel mehr darum, sich seiner Wurzeln bewusst zu sein und gleichzeitig zu akzeptieren, dass nichts von Dauer ist. An einem Ort zu bleiben, tut fast niemandem gut.

Wie groß auch immer die Entfernung, man ist nie zu weit von der Heimat entfernt.

Katie ist 19 Jahre alt und kommt aus England. Sie studiert Deutsch und Geschichte an der Universität Leeds und freut sich auf ihr Auslandsjahr, indem sie vorhat, ein Praktikum in Berlin abzuschließen. Obwohl Katie in England geboren wurde, sieht sie sich im Herzen als Deutsche. Außer des Schreibens sind Veganismus, Umweltschutz und Yoga Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Sobald die Pandemie vorbei ist, ist ihre erste Aufgabe, nach Berlin zu fahren und eine vegane Currywurst under dem Brandenburger Tor zu genießen.

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