Monate: November 2021

Weil Ausdruck alles baut #zwischenTürundAngel

Friedrich Dürrenmatt richtete sein Leben nach seinen Stoffen aus, kreisenden Gedanken. Aber was heißt das? Über Wolgadeutsche, Fehlschlüsse und Ausdruck. Ich: Mit welcher Farbe identifizierst Du Dich?Er*Sie: Schwarz.Ich: Und welche Farbe ist Deine Lieblingsfarbe?Er*Sie: Rot. Aber so ein Hellrot. Wie sieht sein*ihr Hellrot aus? Ich blicke mich nach roten Dingen um. Wir stehen im Flur unserer Schule und warten darauf, dass wir in unseren Klassenraum gehen können. Donnerstagnachmittag, Deutsch-LK. Wir kennen uns noch nicht lange, ein knappes Dreivierteljahr würde ich schätzen. Er*Sie hat sich in unsere Freund*innen-Gruppe so schnell integriert wie Robin in How I Met Your Mother, – nur mit dem Unterschied, dass uns diese seltsame Dreier-“Ex“-Konstellation verschont bleibt. Ich: Und welches Geräusch bist Du?Er*Sie guckt mich stutzig an.Er*Sie: Welches Geräusch?Ich: Ja! Welches Geräusch macht Deine Seele? Über Pusteblumen im Regen Er*Sie fängt an darüber zu sprechen, welches Geräusch er*sie gerne wäre. Er*Sie spricht von Musik, – David Bowie fällt natürlich. Dabei singt er*sie selbst auch so wunderschön. Und er*sie kann schreiben! Ich: Aber welches Geräusch wärst Du, wenn Du nicht das Geräusch wärst, …

Du (bist weg)

Du Du und ich, ich und duSo nah wie noch nieSo intensiv als wärst du ewig weg gewesenDeine Nähe so warm und beruhigendDu tust mir gut und ich hoffe, ich tue dir gutWohlfühlen und intime ZweisamkeitSo fühlt sich bestimmt Zuhause anDeine Arme so kräftig und doch so zartIch möchte es nie wieder missenIch vermisse dichDeinen GeruchDeinen AtemDein LachenIch bin hier, du bist daWir sind mal hier mal daMit dir bin ich immer daImmer da, wo ich mich am wohlsten fühle Sind wir da, bin ich dein und du bist mein Du bist weg Seit du weg bistfühle ich mich verlorenfühle ich mich so leerfühle ich mich so einsamSeit du weg bistbin ich nicht mehr ich selberbin ich nicht mehr glücklich  bin ich nicht mehr ZuhauseSeit du weg bisthört mir keiner mehr zu wie dufasst mich keiner mehr an wie dunimmt mich keiner mehr ernst wie duSeit du weg bistliebt mich keiner mehrwärmt mich keiner mehrschätzt mich keiner mehrSeit du weg bistFuck seit du weg bist, bist du wegDu bist weg und ich bin hierOhne dich, bin ich …

„Oft wird mir einfach viel zu wenig zugetraut“ #Wie ist es eigentlich…?

In der ersten Ausgabe von „Wie ist es eigentlich…?“ treffe ich Sarah. Sarah ist 30 Jahre alt und wurde in Münster geboren. Sie singt gerne, häkelt, bevorzugt Decken in knalligen Farben, hat Probleme damit, ihre Locken zu bändigen und eine Behinderung, die sich VACTERL-Assoziation nennt. Wir treffen uns bei ihr Zuhause. Neben fünfzehn Minuten Verspätung bringe ich auch eine Frage mit: Sarah, wie ist es eigentlich im Rollstuhl zu sitzen? VACTERL-Assoziation. Eine Behinderung, die den meisten Menschen nicht bekannt ist. Sie äußert sich durch eine Kombination verschiedener angeborener Fehlbildungen. Dabei ist das Wort VACTERL ein Akronym für die Regionen, die betroffen sein können. Derzeit wird davon ausgegangen, dass etwa eines von 10.000 bis 40.000 Neugeborenen VACTERL hat. Statistiken zufolge überleben etwa die Hälfte der Kinder mit VACTERL-Assoziation das erste Lebensjahr nicht. Sarah hat überlebt. Sarah hat überlebt, doch ihre Behinderung führte unter anderem dazu, dass sie seit ihrem 6. Lebensjahr im Rollstuhl sitzt. Ich treffe sie in ihrer Wohnung im dritten Stock eines weißen Mehrfamilienhauses. Den Weg dorthin finde ich ganz ohne Google Maps, denn …

In Honig schwimmen

9:30 Mein Wecker klingelt. Ich stehe auf und starte die Kaffeemaschine, schnappe meine Sportklamotten und laufe eine Runde durch den Park. Wieder daheim, warten nach dem Duschen schon Müsli, Kaffee und Podcasts auf mich. Danach ziehe ich mir ein frisches Outfit an, setze mich mit einem Buch bewaffnet in den Park und erledige dann Dinge für die Uni. Okay das war gelogen. Leider. 9:30 (jetzt wirklich) Der erste Handyalarm klingelt. Ich werde wach, gehe über die kalten Dielen zum Handy und schalte ihn aus. In den nächsten Minuten werden noch weitere klingeln. Ich habe Zeit, warum sollte ich die Wärme meines Bettes auch verlassen? Aber anstatt wieder einzuschlafen, denke ich daran, was ich gerade eigentlich machen sollte oder könnte. Ich merke nicht, wie ich immer tiefer in Laken und Gedanken versinke. 10:00 Der zweite Alarm klingelt. Ich gehe zum Handy, schalte den Flugmodus aus und deaktiviere alle noch kommenden Wecker. Ich bin ja wach. Oder zumindest sowas in der Art. Ich sehe nach, wer mir geschrieben hat und aktualisiere meine sozialen Medien. Dann gehe ich …

Wie ich lernte, mein Sexleben zu definieren #offenherzig

In der ersten Ausgabe von #offenherzig schreiben wir über Schmerzen beim vaginal penetrierenden Sex, mögliche Gründe dafür sowie den Druck, ein durch die Gesellschaft geprägtes, normatives Verständnis von Geschlechtsverkehr erfüllen zu müssen – und darüber was das alles in einem Menschen auslöst. Es geht um den Mut und die Experimentierfreudigkeit sein Sexualleben abseits dieser Norm zu erforschen, zu definieren und die eigenen Vorlieben kennenzulernen.

Meer der Erkenntnisse 

Welle eins  Ich will ein Meer zwischen mir und all dem was war.Zu oft häng ich mich an altem auf.23:10,lieg in meinem Bett und starre die leere Teetasse auf meiner Fensterbank an.Sie erinnern mich an all das, was ich noch machen wollte.Wie z.B. die Tasse in die Küche zubringen. Es stört mich, kann mich nicht beruhigen.Ca. 23:30,Schwebe irgendwo in meinen Gedankenkreisen.Bin schon in meiner Kindheit angelangt.Störe mich Feli, das Kommentar von Elias gesagt zu haben.Ich weiß noch wie ich versucht habe das Gras schneller drüber wachsen zu lassen.Jetzt wühle ich das ganze Beet wieder auf.Ich weiß: Es ist nicht mehr rückgängig zu machen.Nach vorne schauen sollte ich, auf die nächste Welle aufspringen.Ich seh aber nur den Sturm hinter mir, den ich zurückgelassen habe.23:52,Der Tag ist gleich vorbei und ich habe das Gefühl, nichts erreicht zu haben.Ich möchte noch was aus ihm rausholen. Vielleicht das Jetzt noch spüren, nachdem ich in einer anderen Zeit über meine Fehler nachgedacht habe.Ich beschließe aufzustehen und in den nächsten Tag zu tanzen.24:00,Habe gespürt, getanzt und geschwiegen.mir war klar was das hier ist. Ich musste …

Bleiben

(Triggerwarnung: Essstörungen) Meine Gefühle gehen manchmal so tief, dass ich Angst habe, auf der anderen Seite der Erde herauszukommen. Oder mich selbst wie ein schwarzes Loch zu verschlucken. Lustiger Gedanke, aber lange wollte ich genau das. Verschwinden ohne jede Spur. Schön nachhaltig, keine Rückstände. Am liebsten wäre es mir gewesen, wenn ich dafür nichts zu tun gehabt hätte. Der Boden öffnet sich, saugt mich auf und that’s it. Niemand fragt nach, niemand vermisst etwas. Dachte ich. Doch die Welt hat diese Option nicht auf Wunsch im Angebot, also anders. „An dir ist ja gar nichts mehr dran“ meint meine Oma, als wir uns zur Begrüßung umarmen, gefolgt von „nimm doch mal wieder ein paar Kilo zu“. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Mittlerweile sind diese Begrüßungssätze bei meinen Besuchen zu Floskeln geworden. Sie mache sich doch nur Sorgen, sagt sie dann. Früher hatte ich immer das Gefühl, dass da eine Art Barriere zwischen meiner Umwelt und mir ist, eine unsichtbare Membran, die beidseitig nur tröpfchenweise Dinge durchlässt. Diese Schutzhülle wurde über die letzten Jahre …