Manchmal tut es verdammt gut, über den Tellerrand hinauszuschauen und junge Menschen mit unterschiedlichsten Ansichten zumindest ein bisschen besser kennenzulernen. Alle zwei Monate fragen wir hier einen jungen Menschen nach seinen Träumen, Zweifeln und Leidenschaften. Heute wollen wir von Bela wissen, wer Bela ist und wofür Bela brennt.
Wer bist du?
Mein Name ist Bela Belissima. Ich bin 23, in Berlin aufgewachsen und lebe nun nach 4 Jahren Reisen und Auslandsstudium wieder hier. In der Lockdown 2 Einöde habe ich im Januar 2021 meinen eigenen Podcast „Queering the Perspective“ gestartet der sich aus meiner Perspektive als nicht-binäre Person mit diversen Themen im Bereich intersektionaler Queerness beschäftigt. Mit der Arbeit an diesem Podcast identifiziere ich mich zur Zeit sehr stark.
Wofür brennst du?
Queerness, Subversion, und das damit verbundene Potential für gesellschaftliche Veränderung ist etwas wofür ich brenne. Ich denke wir haben eine Zeit errreicht in der wir in der Lage sind, jahrhundertelang bestehende Machtverhältnisse zu hinterfragen und zu dekonstruieren. Die Zeit des Wartens auf Gleichheit und Gerechtigkeit ist vorbei. Wir nehmen unser Schicksal selber in die Hand und schaffen unsere eigenen utopisch erscheinenden Realitäten.
Hast du einen Traum?
Die Verwirklichung utopisch erscheinenden Realitäten ist mein größter Traum. Utopisch erscheinende Realitäten für mich als Person die außerhalb der Geschlechterbinarität lebt aber genauso für alle anderen marginalisierten Gruppen. Unsere Gesellschaft nicht mehr auf Homogenität und Assimilierung zu trimmen, sondern stattdessen Differenz zu zelebrieren und unsere Gesellschaft daran zu orientieren: das ist mein Traum.
Woran zweifelst du?
Häufig zweifele oder besser verzweifele ich an der Langsamkeit/Trägheit von Veränderungsbereitschaft. Kohleausstieg 2038… wo kommen wir da hin? Die Interessen dahinter liegen auf der Hand: Industrie- und Lobbykonzerne und Menschen die ihre Privilegien nicht abgeben wollen. I get it. Privilegien zu haben macht Spaß, der erdlichen Resourcen ausbeuten für den eigenen Profit, macht Spaß. I get it. Wie kommen wir gegen diese scheinbar übergroßen Mächte an, welche durch einen deregulierten Weltmarkt jeden Tag an Kapital und damit Einflussvermögen gewinnen. Während wir seit gefühlt Jahrzehnten über das Gendersternchen reden werden auf globaler Ebene weiterhin Regenwälder abgeholzt, Kohle aus der Erde gepumpt, und Menschen müssen vor immer heftigeren Naturkatastrophen fliehen. Wie können wir die benötigte WELTWEITE gesellschaftlichen Bewusstseinsveränderung erreichen? Und wie kommen wir gegen ausbeuterische Marktinteressen an? Ist es überhaupt möglich?
Was sagen andere, was du gut kannst?
Reden und Begeistern, dass kriege ich meistens als Feedback. Durch meine Art radikal des „Ich-Seins“ auch wenn dies vielen Menschen nicht besonders passt und ich an vielen Stellen der gesellschaftlichen Vorstellungen anecke. Ich versuche, jeden Tag unkonditionelle Selbstliebe zu praktizieren und mich so zu akzeptieren und lieben wie ich bin. Mich für niemanden zu verstellen oder anzupassen. Um an diesen Punkt zu gelangen hat es sehr lange gedauert und unglaublich viel Energie und Durchhaltevermögen gekostet und ich weiß dass ich noch lange nicht da bin wo ich gerne sein würde. Aber alleine diese klar sichtbare Reise wirkt häufig inspirierend auf andere (so wird es mir wenigstens kommuniziert).
Was hättest du gerne zehn Jahre früher gewusst?
So viele Dinge!!! Dass trans* Personen existieren. Dass Geschlecht und Sexualität fluid sind. Dass queere Menschen eine Zukunft haben. Dass Diversität schön ist. Dass ich als weißer Mensch manchmal rassistisch handle (ob ich das will oder nicht). Das Schönheits- und Geschlechterideale reine Erfindung sind und nichts mit der Realität zu tun haben… und so vieles mehr.
Was ist kleines Glück für dich?
Wenn Menschen meine richtigen Pronomen verwenden und wenn ich entweder tanze oder im Meer schwimme (oder beides gleichzeitig).
Zukunft oder Vergangenheit?
Unser Vergangenheit bestimmt unsere Zukunft. Unsere Vergangenheit lehrt uns so viel über die Realität sowie die Zukunft. Wenn wir lernen unsere Vergangenheit zu verstehen, und zwar nicht nur die weiße, cis-männliche Vergangenheit die uns in der Schule gelehrt wird, dann können wir jetzt die Weichen stellen um die Zukunft zu verstehen. Dann können wir handeln sodass die Zukunft zu einer Realität werden kann welche in der Vergangenheit noch nicht möglich war.
Stadt oder Land?
Ich bin durch und durch Stadtkind und habe es geliebt in Berlin aufzuwachsen. Die Vielzahl an Menschen, die du triffst, die Vielfalt an Aktivitäten, und die Möglichkeiten des politischen Aktivismus, dies alles ist nun mal in der Stadt mehr möglich als auf dem Land. Gleichzeitig überstimuliert mich die Stadt auch häufig und ich merke wie sehr ich abgelenkt bin durch diverse Einflüsse. Der ländliche Raum bringt mich häufig wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und kann mir helfen, abzuschalten und aufhören konstant zu rennen wie das in der Stadt manchmal passiert. Aber ob ich auf dem Land leben könnte… ich weiß ja nicht… wenn dann irgendwo, wo die Winter nicht ganz so kalt sind.
Träumen oder Realität?
Falls es aus den vorherigen Antworten noch nicht klar geworden ist: Für mich sind Träumen und Realität sehr sehr stark miteinander verbunden. Träumen ist unglaublich, unglaublich, unglaublich wichtig, um Dinge in der Realität zu ermöglichen und sich nicht ermutigen zu lassen von Dingen die einen in der Realität frustrieren. Gleichzeitig führt konstantes Träumen meiner Meinung häufig zu desillusionierten Vorstellungen von der Realität oder so sogar Realitätsferne, was dann auch häufig ein starkes gesellschaftliches Privileg ist. Insofern würde ich abschließend auf die Frage antworten: mehr Träumen für marginalisierte Gruppen welchen durch prekäre Umstände und Diskriminierung häufig das Träumen verboten wird.
Laut oder Leise?
Laut. Ganz klar. Widerstand durch lautstarken Protest auf den Straßen. Voices are our liberation.
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Franzi ist 24 und ein Sommerkind. Eine Nacht unter freiem Himmel, frische Bergluft und ein bisschen Gitarrenmusik reichen, um sie glücklich zu machen. Wenn sie nicht irgendwo draußen unterwegs ist, lernt sie im Rheinland das professionelle neugierig Sein und absolviert dort ein Volontariat.
Jede und jeder junge Mensch hat unterschiedliche Ansichten, Träume, Zweifel und Meinungen. Was dabei wohl die Gemeinsamkeit ist, ist, dass alle das Recht haben, gehört zu werden. In der Kolumne Auf einen Tee soll genau das passieren – sie ist ein bisschen wie ein digitaler Kaffee- bzw. wohl eher Teeklatsch, in dem verschiedene junge inspirierende Leute portraitiert werden und einen Einblick in ihr Leben geben.