Pünktlich zum Pride-Month packen auch dieses Jahr im Juni große Konzerne die Regenbogenbogenfarben aus, um ihre Läden, Logos, Websites und Produkte LGBTQ+-freundlich erscheinen zu lassen.
Dabei stellt sich die Frage, ob diese Konzerne tatsächliche Veränderungen an den Lebensbedingungen queerer Menschen bewirken oder sich einfach nur mit der Regenbogenflagge schmücken wollen. Das Zurschaustellen der eigenen vermeintlichen Queerfreundlichkeit, um sich als modern und progressiv darzustellen, bezeichnet man als Pinkwashing. Dabei polieren Unternehmen durch ihre scheinbare Solidarität mit queeren Menschen ihr Image auf. Die materiellen Verhältnisse dieser Menschen ändern sich dadurch allerdings nicht.
Konzerne als LGBTQ+-Botschafter*innen?
Der Konzern Daimler ruft dieses Jahr seinen eigenen „Daimler Pride Month“ aus. In einem Video erzählen verschiedene CEOs, wie viele homosexuelle Menschen sie in ihrem Umfeld kennen und wie wichtig es ist, sich für queere Menschen einzusetzen. Wie sie das, abgesehen von ein paar Coming-Out-Workshops für ihre Mitarbeiter*innen, umsetzen möchten, bleibt unklar. Immerhin entlarven sie sich durch die Beschreibung ihrer Intention selbst: „Wir sind davon überzeugt, dass Menschen motivierter, leistungsfähiger und zufriedener sind, wenn sie sich mit ihrer Persönlichkeit und Identität so einbringen können, wie sie sind“, ist auf ihrer Website zu lesen. Wenig überraschend scheint es, als ginge es Daimler nicht um die Überwindung von Geschlechternormen und queerfeindlicher Gewalt, sondern um möglichst produktive Mitarbeiter*innen.
H&M hat dieses Jahr, zusätzlich zu den obligatorischen T-Shirts mit Regenbogenflagge und „Pride“-Schriftzug, ein emotionales Video veröffentlicht. Der Inhalt ist: Pride ist nicht nur eine Party, sondern auch ein Kampf. Eigentlich ist das eine richtige Botschaft. Ein bisschen merkwürdig ist es allerdings schon, sich auf einmal für soziale Kämpfe aussprechen zu wollen, wollte H&M doch noch zu Beginn des Jahres eine große Anzahl von Müttern entlassen, weil diese nicht am Wochenende arbeiten konnten.
Dazu kommen Unternehmen wie AT&T, UPS oder Pfizer, die sich nach außen LGBTQ+-freundlich zeigen, jedoch gleichzeitig queerfeindliche Politiker*innen im Wahlkampf finanziell unterstützten (siehe Katapult-Magazin).
No Cops At Pride
„The First Pride Was A Riot“ ist nicht nur ein schmissiger Spruch, den man mit Glitzer im Gesicht auf seinem Demoschild tragen kann, sondern zeigt die Absurdität davon, wenn die Polizei sich mit einer Regenbogenflagge auf dem Streifenwagen dem CSD anschließt.
Der Ursprung des Christopher-Street-Day, der jedes Jahr als Pride gefeiert wird, sind die Stonewall-Proteste im Jahr 1969. Im New York der 1960er Jahre gab es wenige Orte, an denen queere Menschen sich ungestört versammeln konnten. Eine Ausnahme war die Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street, die, wie viele queere Orte, regelmäßig von Polizeirazzien kontrolliert wurden. Wenig überraschend waren die Personen, die besonders stark von Polizeirepressionen betroffen waren, häufig ohnehin schon marginalisierte Personen of Color und Menschen aus der Arbeiter*innenklasse.
Am 28. Juni 1969 widersetzten sich die Besucher*innen des Stonewall Inn der Polizei, woraufhin 13 Personen verhaftet und vier Polizisten verletzt wurden. Darauf folgten fünf Tage andauernde Proteste und Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Die Entscheidung der diesjährigen New Yorker Pride-Organisator*innen, keine Teilnahme von Polizist*innen zuzulassen und zudem den Schutz durch die Polizei weitestgehend zu reduzieren und auf private Schutzmaßnahmen zu setzen, ist in diesem Kontext zu sehen. Ein weiterer Grund dafür ist die massive, rassistische Polizeigewalt gegen Schwarze Menschen, Indigene und People of Color, die im letzten Jahr durch die Black-Lives-Matter-Proteste nach dem Mord an George Floyd durch einen Polizisten stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist.
Regenbogen-Kapitalismus statt queerer Befreiung
Natürlich ist es ein schönes Symbol, wenn Läden und Konzerne die Regenbogenflaggen hissen. Leider bleibt es in den meisten Fällen genau das – ein Symbol. Queerfreundlichkeit als Marketingstrategie lässt die Unternehmen zwar gut aussehen, viel mehr ändert sie allerdings nicht.
Queere Menschen sind überdurchschnittlich häufig von psychischen und körperlichen Krankheiten betroffen. Zudem sind sie stärker von Arbeits- und Obdachlosigkeit betroffen. Dazu kommt homo- und transfeindliche Gewalt sowie die strukturelle und alltägliche Diskriminierung, der queere Menschen ausgesetzt sind.
Diese Dinge ändern sich nicht durch leere Floskeln und den Fakt, dass queere Menschen speziell für sie designte Produkte konsumieren dürfen. Wir befreien uns nicht vom heteronormativen kapitalistischen Patriarchat, indem wir selbst zu den Unterdrücker*innen werden. Um es mit den Worten der Stonewall-Aktivistin Marsha P. Johnson zu sagen: There’s no pride for some of us without liberation for all of us.
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Text von Emma. Sie ist 23 und lebt in Freiburg, wo sie Soziologie und Germanistik studiert. Nebenbei schreibt sie für das Uni-Magazin und über alles, was sie bewegt: Patriarchat, Kapitalismus, Machtstrukturen und wie wir all das gemeinsam überwinden.