Manchmal tut es verdammt gut, über den Tellerrand hinauszuschauen und junge Menschen mit unterschiedlichsten Ansichten zumindest ein bisschen besser kennenzulernen. Alle zwei Monate fragen wir hier einen jungen Menschen nach seinen Träumen, Zweifeln und Leidenschaften. Heute wollen wir von Frida wissen, wer sie ist und wofür sie brennt.
Wer bist du?
Ich bin Frida Stittrich. Ich bin die 18-jährige Frida, die manchmal auf die 5-jährige Frida hört. Ich bin jemand, die in drei verschiedenen Städten gelebt und insgesamt fünf Schulen besucht hat. Das wird sicher für manche viel, für andere wenig sein. Ich bin ein Stadtkind, das sich immer gewünscht hat, auf dem Land zu leben und dem sein kleiner Bruder jetzt aber manchmal leidtut, da er ländlicher aufwachsen wird als sie. Ich bin eine leicht ambivalente Persönlichkeit, die hohe Erwartungen an sich selbst und an den Rest der Welt stellt. Ich bin die, die gerne Zähne putzt und seit Neuestem sich auch gerne mal vor der Kamera ausprobiert (ich mein damit nicht das Zähneputzen, sondern den Fakt, dass ich schaupiele).
Wofür brennst du?
Das ist eine Frage, die ich mir selbst gerade ziemlich oft stelle… Erwischt in einer kleinen Selbstkrise. Ich habe das Gefühl, in letzter Zeit sehr beschränkt auf mein Leben geguckt zu haben, das heißt, nur auf die Dinge die mich unmittelbar umgeben. Andere haben hier glaube ich so große wichtige Dinge wie Politik oder Nachhaltigkeit oder Solidarität aller Menschen angesprochen. Für viele dieser Dinge brenne ich auch. Ich habe mich schon mit 5 Jahren selber dazu entschieden, kein Fleisch mehr zu essen und habe meinen Eltern erzählt, dass Menschen eigentlich alle in einer Apokalypse sterben sollten, weil die doch alles Schöne auf unserem Planeten nur zerstören und Mutter Erde ohne uns sehr viel besser klarkommen würde. Heute suche ich nach Alternativen zur (auch etwas unrealistischen) Apokalypse und hoffe darauf, immer mehr Umweltbewusstsein in mir und bei anderen Menschen finden werden zu können (oder dass ich irgendwann für mich einen menschenleeren Fleck auf dieser Welt zum leben finde…).
Kurz und knapp gesagt brenne ich aber für Wissen und Verstehen. Ich wünsche mir ganz oft, ich könnte über der Erde schweben und alles auf einen Blick erfassen und verstehen. Danach würde ich mich umdrehen und auch im Universum alles auf einmal erblicken und begreifen.
Hast du einen Traum?
Viele. Mein größter Wunsch/Traum für mich und für alle auf dieser Welt ist es, zufrieden zu sein. Das ist für mich die höchste Tugend: Glückseligkeit. Mein anderer Traum ist es, alle Naturwunder dieser Welt gesehen zu haben. Ich bin fasziniert von dem Wald bei meinen Eltern. Es ist eine der wenigen Auenlandschaften Deutschlands und im Frühjahr sprießen die kleinen Hügel hellgrün und sind übersäht von kleinen weißen Punkten (Buschwindröschen). Darüber stehen die geraden Bäume und alles zwitschert und klopft. Das sieht halt einfach so aus wie bei Herr Der Ringe. Ich will das Great Barrier Reef sehen und Mangroven Wälder mit Seekühen in Florida und Polarlichter und Wüsten und Packeis und und und. Und ich träume davon, dass Menschen anders wären und diese Dinge nicht kaputt machen würden. Außerdem hoffe ich, mit meinem erlernten Verständnis der Welt, irgendwann Einfluss auf etwas nehmen zu können und etwas zum Besseren zu verändern.
Woran zweifelst du?
An Menschen und an mir selbst. Deshalb zweifle ich auch daran, dass wir jemals dahin kommen, diesen Planeten nicht weiter zu zerstören, sondern in Symbiose mit ihm zu leben. Stichwort Apokalypse. An mir selbst zweifle ich, weil ich immer mehr das Gefühl habe, keine Chance zu haben, Einfluss auf die Dinge zu nehmen und mich das alltägliche Leben und das Rasen der Zeit immer mehr in Anspruch nehmen. Ich habe Angst, keine Zeit mehr zum träumen und verändern zu finden. Und ich zweifle daran, dass Menschen immer daran denken, sich ihre eigene Meinung zu bilden, statt ihren Eltern oder Bekannten alles nachzuplappern.
Was sagen andere, was du gut kannst?
Die folgenden Dinge wurden mir schon mal gesagt: ich sei sehr lebendig (mein Lieblings-Attribut), sehr empathisch und hilfsbereit, sehr organisiert, ich kann gut eine Gruppe anleiten und gut sarkastisch sein.
Was hättest du gerne zehn Jahre früher gewusst?
Dass ich mich nicht so abhängig von anderen Menschen machen darf/kann. Dass ich für mich selber lebe und manchmal das Leben auch alleine bewältigen können muss. Und dass Corona kommt und ich keinen Abiball haben werde, dann hätte ich mich schon mal früher an diesen Gedanken gewöhnen können.
Was ist kleines Glück für dich?
Pflanzen gießen, freihändig Fahrradfahren (mit Musik) und beim Joggen nette Menschen auf der Straße in die Augen schauen und dann lächelt man sich gegenseitig an. Und selber kochen. Pferde berühren und Gras auf der nackten Haut. Im Meer schwimmen und durch die Wellen brechen und das Salz von den Lippen lecken.
Zukunft oder Vergangenheit?
Ich bin ein sehr sehr sehr nostalgischer Mensch. Zum Glück. Aber auch leider. Ich verliere mich oft in Träumereien an die Vergangenheit. Im Flugzeug bei Start und Landung bringt mich das immer bis zum Weinen und mein Gedankenverlauf ist immer folgender: Erinnerung; Freude darüber, dass ich mich daran noch erinnern kann; Erinnerung abspielen; lächeln; realisieren, dass der Moment nie wieder kommt; heulen. Zukunft macht mir häufig Angst, aber ein bisschen fühlt sich Zukunft auch wie Brausepulver an. Prickelnd spannend und hoffentlich Waldmeister oder Himbeere.
Stadt oder Land?
Interessant. Ich habe mich tatsächlich in letzter Zeit häufiger mal mit dieser Frage auseinandergesetzt, da ich vor Ostern mit Freunden eine Fahrradtour durch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gemacht habe und wir verschiedene landwirtschaftliche, aber auch Stadtabwanderungsprojekte angeschaut haben. Wir haben viel darüber geredet, wie willkommen Menschen aus der Stadt auf dem Land sind, was gegenseitige Stereotype sind und wo mehr Diskriminierung stattfindet. (Unsere Antworten darauf wären jetzt etwas zu komplex um sie hier auszuführen).
Ich habe oben geschrieben, dass ich immer gerne „auf dem Land“ gelebt hätte. Das kam sicherlich durch Filme wie „Hände Weg von Mississippi“ oder „Flicka“. Ich wollte auf dem Land leben, ein Pferd haben und mit ihm über Felder galoppieren. Näher an der Natur sein und ein besseres Verständnis von unserer Nahrung haben. Ein Teil von mir will das immer noch. Ich bin den größten Teil meines Lebens in Berlin aufgewachsen, nicht gerade die ländlichste Stadt. Aber ich habe auch das Gefühl, dass man in der Stadt näher an der heterogenen Welt ist. In Berlin habe ich viele weltinteressierte Menschen getroffen, von denen ich sehr viel lernen kann und die sich für die unterschiedlichsten Sachen interessieren.
Träumen oder Realität?
Meine Freunde nennen mich Realistin. Ich bin schon auch oft sehr pragmatisch und wenn es um Zeit und Geld geht, eher pessimistisch (außer wenn es um Wegzeit geht, da bin ich immer seeeehr optimistisch; und meistens zu spät). Allerdings sagt meine Mama mir auch, ich sei ein sehr sensibler Mensch und das merke ich bei mir selbst, wenn ich meine Umgebung ganz genau beobachte und tausend Sachen zwischen die Zeilen interpretiere. Ich kann mich besonders gut in der Natur mal schnell verträumen.
Aber auch das Schauspielen liebe ich so, weil ich dabei mich in andere Realitäten und Köpfe hineinträumen kann. Ähnlich geht es mir so mit Büchern.
Laut oder Leise?
Ich kann wieder mal sagen, dass meine Freunde mich ganz klar als laut beschreiben würden. Manchmal anstrengend laut. Und naja, eigentlich hab ich nichts, was ich dem entgegen setzen könnte. Ich war nie jemand die lange die Klappe halten konnte. Aber es hängt stark von meiner Laune ab. Wenn ich mich schlecht fühle, bin ich natürlich auch eher leise. Aber ansonsten drücke ich Freude gerne durch singen, kreischen oder lachen aus.
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Franzi ist 23 und ein Sommerkind. Eine Nacht unter freiem Himmel, frische Bergluft und ein bisschen Gitarrenmusik reichen, um sie glücklich zu machen. Wenn sie nicht irgendwo draußen unterwegs ist, lernt sie im Rheinland das professionelle neugierig Sein und absolviert dort ein Volontariat.
Jede und jeder junge Mensch hat unterschiedliche Ansichten, Träume, Zweifel und Meinungen. Was dabei wohl die Gemeinsamkeit ist, ist, dass alle das Recht haben, gehört zu werden. In der Kolumne Auf einen Tee soll genau das passieren – sie ist ein bisschen wie ein digitaler Kaffee- bzw. wohl eher Teeklatsch, in dem verschiedene junge inspirierende Leute portraitiert werden und einen Einblick in ihr Leben geben.