Seit Stunden höre ich dir zu. Wir laufen nebeneinander her und du erzählst mir von ihm. Davon wie du nicht verstehst. Wie kann so schnell vorbei sein, was nicht mal richtig anfangen durfte? Es war doch so gut, denkst du. Und mit allem was du erzählst, malst du das schönste Bild. Du findest nur Worte, die sich übertreffen. Alles stimmte, an ihm. Deine Augen funkeln traurig.
Seit Stunden laufen wir nebeneinander her und ich höre dir zu. Wie du von ihm erzählst. Du redest und redest und dann guckst du auf mich, deine traurigen Blicke suchen in meinen Augen nur eines: Bestätigung. Sie suchen nach etwas, was dir sagt: Alles stimmte, an ihm.
,,Aber vielleicht”, sage ich vorsichtig. ,,Vielleicht ist er gar nicht so schön.” Es ist der erste Satz von mir. Die ganze Zeit hast du auf meine Antwort gewartet, aber an deiner Reaktion merke ich, dass das sicher nicht war, was du hören wolltest. Du bleibst stehen. ,,Ich meine nur”, sage ich. ,,Was ist, wenn das Schöne an der Geschichte nicht er ist, sondern du?”
Du bleibst still, siehst mich nur an. ,,Nach allem, was ich dir erzählt habe, fragst du mich, ob ich schön bin? Hast du mir überhaupt zugehört?” Nach diesen Worten setzt du dich wieder in Bewegung. Und damit ist auch er wieder da. Als hättest du mich überhört, machst du einfach dort weiter, wo du aufgehört hast.
Es war so gut, er war so gut. Du erzählst, was er wann gesagt und getan hat. Von gemeinsamen Abenden, Ausflügen, Interessen, Plänen. Davon, dass zum ersten Mal seit langem jemand zu oft die richtige Antwort gegeben hat. Dass jemand zu oft wusste, was du hören wolltest. Seit so langer Zeit hat es sich mit ihm mal wieder leicht und gut angefühlt. Aufregend und ruhig.
Ich kann nicht mehr zuhören. Also bin es diesmal ich, die stehen bleibt. ,,Ich glaube dir, dass du all das gesehen hast. Das Schöne, das er gesagt und getan hat. Ich glaube dir, dass es das gibt. In deinem Blick. Er hat vielleicht die richtigen Worte gefunden, die passenden Interessen gehabt. Aber er ist es auch, der gegangen ist ohne ein Wort zu dir.
Und all das Schöne, das hast du gesehen. Es ist eine Fähigkeit, eine schmerzhafte und wundervolle Eigenschaft an dir. Dass du Menschen durch deine Augen in einer Weise zeichnen kannst, die verzaubert. Und es ist mit Sicherheit da, das Schöne. Aber neben dem Schönen gibt es mehr, was du nicht siehst.
Du willt die Person um ihrer Willen, willst sie kennenlernen und verstehen. Aber siehst du auch, was er dir nicht gibt? Was er nicht ist zu dir? Hat er neben den richtigen Antworten auch genauso oft die richtige Frage gestellt? Willst du eine Person, die nicht in dir sehen kann und will, was du in ihr siehst?
,,Das Schöne ist in dir und bestimmt auch in ihm. Aber nur du hast es gesehen, nur du hast es gesucht”, sage ich, laufe weiter und frage nochmal: ,,Also, was denkst du jetzt, wenn ich dich frage. Vielleicht war das Schöne an der Geschichte nicht er, sondern du?” Du kennst die richtige Antwort, aber du siehst sie nicht. Du siehst dich nicht. Dein Blick auf Menschen ist schmerzhaft und wunderschön. Und ich wünschte du könntest dich selbst mal mit deinen Augen sehen. Dich so schön zeichnen, wie du bist und verzaubern. Du siehst das Schöne und das macht dich umso schöner.
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Kim ist 24 und studiert Psychologie in Konstanz. Vorher hat sie drei Jahre Vollzeit als Journalistin gearbeitet und sich auch mal als Architektin probiert. Aber egal was sie gemacht hat, sie hat immer geschrieben. Alles, was sie sieht und fühlt, packt sie in Worte. Daraus entstehen journalistische Texte, Gedichte, kurze Beiträge oder Songtexte für ihr eigenes Musikprojekt. Bei allem steckt immer das ganze Herz drin.
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