Jahr: 2021

Tabuthema? Vaginaler Ausfluss #unterkörperwelten

Ein Chamäleon namens fluor vaginalis – den vaginalen Ausfluss gibt es in den unterschiedlichsten Farben und Konsistenzen. Für Menschen mit Uterus ist er ein alltäglicher Gefährte, der natürlicher nicht sein könnte. Widmen wir ihm also etwas mehr Aufmerksamkeit. Dezember. Die Außentemperatur sinkt nachts auf minus 5 Grad Celsius. Für viele bedeutet das All I Want For Christmas auf repeat. Für mich, meine eingestaubten, ausgeleierten Thermostrumpfhosen aus Kisten kramen und inständig hoffen, dass die Motten sich in den vergangenen Monaten nicht daran bedient haben. Schicht um Schicht schlinge ich um meinen Körper, damit er der eisigen Kälte standhält. So kam es, dass ich in einem niedlichen Café saß, an meinem Chai Latte nippte und das hektische Treiben der Menschen vor der Glasscheibe beobachtete. Bauchnabel abwärts trug ich: einen Slip, eine Thermostrumpfhose, eine Feinstrumpfhose (damit besagte Thermostrumpfhose keine Möglichkeit hatte, der Außenwelt in ihrer Hässlichkeit Hallo zu sagen), ein Paar dicke Socken und eine Jeans. Es war also wohlig warm, da unten. So saß ich noch ein gutes Stündchen, mit überschlagenen Beinen und drückte mich vor der …

Tanzen lässt frei sein – Ich will jetzt wieder tanzen!

Endlich ist es so weit. Zwischen Geimpften und Getesteten ertanze ich mir ein Stück Normalität. Die Tür des Clubs dahinten ist wieder auf. Und wir schlängeln uns durch die Menschen, halten uns fest an den Händen, um uns nicht zu verlieren. Es ist voll hier. Die Leute sehnen sich nach der Normalität. Nach verschwitzen Körpern, die sich im Tanz um eine Mitte aneinanderdrängen. Nach bittersüßen Getränken in kleinen Gläsern und nach Küssen mit Fremden, die einen bittersüßen Nachgeschmack auf der Zunge hinterlassen. Wir stehen hier, in der kalten Nachtluft. Meine Mädels nenne ich euch. Ein bisschen kitschig und ein bisschen so, wie in einem der Liebesromane, die ich mit 12 Jahren gelesen habe. Damals, als man schon dachte man sei erwachsen. Obwohl die Wangen rot von der Kälte sind, friert hier keine und keiner in den knappen schwarzen Oberteilen. Dann und wann blitzt ein Neon Gelb oder Pink durch die Menge. Ich stehe mir die Beine in den Bauch, denke ich. Aber mit euch könnte ich auch noch die ganze Nacht vor Eingängen stehen. So …

Mut zur Lücke #gutunddir

Unsere Generation beschäftigt ganz schön viel – Klimawandel, Zukunftsängste, Leistungsdruck. Kein Wunder also, dass man auf die Frage, wie es einem geht, meist lieber floskelhaft mit gut antwortet. Aber was heißt dieses ‚gut‘ eigentlich schon? Die ersten Gedanken, der erste Text als Beginn einer gemeinsamen Reise, um zu ergründen, wie viel mehr hinter einem “gut, und dir” stecken kann. gut kann alles sein. Alles und nichts. Vom guten Wetter, über gutes Essen, hinzu dem einen guten Lied, welches du seit Tagen rauf und runter hörst. All das kann gut sein, gut schmecken oder sich gut anhören. Wenn man genauer darauf achtet, ist es nahezu erschreckend wie alltäglich und floskelhaft das Wort gut in unserem Sprachgebrauch verwoben ist. Ein scheinbar universal einsetzbares Adjektiv, ganz unabhängig von Situation oder Kontext. Aber was genau heißt dieses gut eigentlich und wo kommt es her? Ist gut vielleicht nur eins der vielen Füllwörter der deutschen Sprache, mit dem wir beweisen, wie halbherzig wir aus den Vollen des uns zur Verfügung stehenden Wortschatzes schöpfen? Um der Frage auf den Grund zu …

Abends, wenn der Mond zu sehen ist

Abends, wenn der Mond schon zu sehen ist,mache ich meine Gedanken frei.Von allem, was mich beschäftigt.Aber du bleibst.Auch wenn ich es wirklich versuche,muss ich immer an dich denken.Meine Gedanken drehen sich nur um dich.Am Tag und in der Nacht.Aber vor allemAbends,wenn der Mond schon zu sehen ist. Ich drehe mir eine Zigarette auf meinem Balkon und ziehe meine Jacke enger um meinen Körper. Ich kann einfach nicht anders und schließe die Augen. Ich träume noch viel von dir und von der vergangenen Zeit:Wie wir von den warmen Sonnenstrahlen im Gesicht aufwachen.Wie ich aufstehe, nur in einem zu großen T-Shirt, um Kaffee zu machen, den wir in unserem großen Bett trinken.Die Bettbezüge sind weiß und riechen noch nach Liebe.Es ist noch früh, weshalb wir beschließen zum Flohmarkt zu radeln.Dein Pony weht im Wind und ich grinse dich an.Du grinst zurück.Auf dem Flohmarkt finden wir beide Dinge, die uns glücklich und zufrieden machen.Wir schlendern Hand in Hand über den vollen Platz, bleiben stehen und küssen uns in der Sonne.Dann radeln wir durch den Wald zum Meer. Hier ist es frisch …

Klimaschutz ist nicht immer klimagerecht #dieweltimrücken

Deutschland unter Wasser. Griechenland in Flammen. Überschwemmungen in Ägypten. Unwetter und Tornados in Sizilien. Dürre in Kenia. Menschen, die fliehen müssen. Tier- und Pflanzenarten, die aussterben. Ist das gerecht? Kurz zu mirBevor wir gleich inhaltlich einsteigen, eine kurze Einordnung zu mir: Ich bin Paula, 18 Jahre alt und seit zwei Jahren bei Fridays for Future aktiv. Im folgenden Text schreibe ich aus einer aktivistischen Perspektive. Wenn ich von “wir” rede, meine ich die Aktivist*innen bei FFF und mich.  Kannst du dich noch an die Bilder aus den letzten Monaten erinnern? Deutschland unter Wasser, Griechenland in Flammen. Menschen, die fliehen müssen. Tier- und Pflanzenarten, die aussterben. Fluten, Dürren und andere Naturkatastrophen sind jede Woche mindestens einmal in den Medien zu sehen. Die Klimakrise – meist Klimawandel genannt – ist der Grund dafür. Mittlerweile ist das Thema Klima “sogar” in den Wahlen angekommen. Fast kein Mensch kommt darum herum, sich mit der Klimakrise zu beschäftigen. Aktivist*innen wird oft gesagt: “Ist doch super. Das Thema ist in der breiten Gesellschaft angekommen, Menschen demonstrieren, Politiker*innen reden – was willst …

Woher ich komme

Ich will dir nicht in meiner ersten Nachricht beantworten, woher ich komme. Ich bin 24Jahre alt, swipe hin und wieder auf Tinder herum und das nicht, um erst mal ausgedehntüber meine Herkunft zu sprechen. Aber Priya sei doch ein indischer Name. Ja, ist indisch.„Spannend!“, meinst du. Wäre das hier eine echte Unterhaltung, könntest du jetzt sehen,wie ich augenrollend mein Handy in die Ecke werfe.Wer denn von meinen Eltern indisch sei, steht da, als ich ein paar Stunden später wiederauf mein Handy blicke. Zu meiner anfänglichen Genervtheit tritt Ungeduld. Soll ich es nochweiter versuchen oder lieber gleich aufgeben? Ich antworte nicht mehr. Schnell noch einenScreenshot von dem Chat an eine Freundin senden, die sich darauf prompt mit “Nicht seinErnst, oder?” meldet. Sie hat vermutlich schon eine ganze Sammlung ähnlicherScreenshots. Sie versteht das Problem, ohne das wir es explizit benennen. Zwei Tage belasse ich es dabei, dann frage ich „Was ist denn daran spannend?“.Einerseits ärgere ich mich darüber, dass es dir als fremde Person gelingt, so einUnbehagen in mir auszulösen. Andererseits lässt es mich nicht so recht …

Weil Ausdruck alles baut #zwischenTürundAngel

Friedrich Dürrenmatt richtete sein Leben nach seinen Stoffen aus, kreisenden Gedanken. Aber was heißt das? Über Wolgadeutsche, Fehlschlüsse und Ausdruck. Ich: Mit welcher Farbe identifizierst Du Dich?Er*Sie: Schwarz.Ich: Und welche Farbe ist Deine Lieblingsfarbe?Er*Sie: Rot. Aber so ein Hellrot. Wie sieht sein*ihr Hellrot aus? Ich blicke mich nach roten Dingen um. Wir stehen im Flur unserer Schule und warten darauf, dass wir in unseren Klassenraum gehen können. Donnerstagnachmittag, Deutsch-LK. Wir kennen uns noch nicht lange, ein knappes Dreivierteljahr würde ich schätzen. Er*Sie hat sich in unsere Freund*innen-Gruppe so schnell integriert wie Robin in How I Met Your Mother, – nur mit dem Unterschied, dass uns diese seltsame Dreier-“Ex“-Konstellation verschont bleibt. Ich: Und welches Geräusch bist Du?Er*Sie guckt mich stutzig an.Er*Sie: Welches Geräusch?Ich: Ja! Welches Geräusch macht Deine Seele? Über Pusteblumen im Regen Er*Sie fängt an darüber zu sprechen, welches Geräusch er*sie gerne wäre. Er*Sie spricht von Musik, – David Bowie fällt natürlich. Dabei singt er*sie selbst auch so wunderschön. Und er*sie kann schreiben! Ich: Aber welches Geräusch wärst Du, wenn Du nicht das Geräusch wärst, …

Du (bist weg)

Du Du und ich, ich und duSo nah wie noch nieSo intensiv als wärst du ewig weg gewesenDeine Nähe so warm und beruhigendDu tust mir gut und ich hoffe, ich tue dir gutWohlfühlen und intime ZweisamkeitSo fühlt sich bestimmt Zuhause anDeine Arme so kräftig und doch so zartIch möchte es nie wieder missenIch vermisse dichDeinen GeruchDeinen AtemDein LachenIch bin hier, du bist daWir sind mal hier mal daMit dir bin ich immer daImmer da, wo ich mich am wohlsten fühle Sind wir da, bin ich dein und du bist mein Du bist weg Seit du weg bistfühle ich mich verlorenfühle ich mich so leerfühle ich mich so einsamSeit du weg bistbin ich nicht mehr ich selberbin ich nicht mehr glücklich  bin ich nicht mehr ZuhauseSeit du weg bisthört mir keiner mehr zu wie dufasst mich keiner mehr an wie dunimmt mich keiner mehr ernst wie duSeit du weg bistliebt mich keiner mehrwärmt mich keiner mehrschätzt mich keiner mehrSeit du weg bistFuck seit du weg bist, bist du wegDu bist weg und ich bin hierOhne dich, bin ich …

„Oft wird mir einfach viel zu wenig zugetraut“ #Wie ist es eigentlich…?

In der ersten Ausgabe von „Wie ist es eigentlich…?“ treffe ich Sarah. Sarah ist 30 Jahre alt und wurde in Münster geboren. Sie singt gerne, häkelt, bevorzugt Decken in knalligen Farben, hat Probleme damit, ihre Locken zu bändigen und eine Behinderung, die sich VACTERL-Assoziation nennt. Wir treffen uns bei ihr Zuhause. Neben fünfzehn Minuten Verspätung bringe ich auch eine Frage mit: Sarah, wie ist es eigentlich im Rollstuhl zu sitzen? VACTERL-Assoziation. Eine Behinderung, die den meisten Menschen nicht bekannt ist. Sie äußert sich durch eine Kombination verschiedener angeborener Fehlbildungen. Dabei ist das Wort VACTERL ein Akronym für die Regionen, die betroffen sein können. Derzeit wird davon ausgegangen, dass etwa eines von 10.000 bis 40.000 Neugeborenen VACTERL hat. Statistiken zufolge überleben etwa die Hälfte der Kinder mit VACTERL-Assoziation das erste Lebensjahr nicht. Sarah hat überlebt. Sarah hat überlebt, doch ihre Behinderung führte unter anderem dazu, dass sie seit ihrem 6. Lebensjahr im Rollstuhl sitzt. Ich treffe sie in ihrer Wohnung im dritten Stock eines weißen Mehrfamilienhauses. Den Weg dorthin finde ich ganz ohne Google Maps, denn …

In Honig schwimmen

9:30 Mein Wecker klingelt. Ich stehe auf und starte die Kaffeemaschine, schnappe meine Sportklamotten und laufe eine Runde durch den Park. Wieder daheim, warten nach dem Duschen schon Müsli, Kaffee und Podcasts auf mich. Danach ziehe ich mir ein frisches Outfit an, setze mich mit einem Buch bewaffnet in den Park und erledige dann Dinge für die Uni. Okay das war gelogen. Leider. 9:30 (jetzt wirklich) Der erste Handyalarm klingelt. Ich werde wach, gehe über die kalten Dielen zum Handy und schalte ihn aus. In den nächsten Minuten werden noch weitere klingeln. Ich habe Zeit, warum sollte ich die Wärme meines Bettes auch verlassen? Aber anstatt wieder einzuschlafen, denke ich daran, was ich gerade eigentlich machen sollte oder könnte. Ich merke nicht, wie ich immer tiefer in Laken und Gedanken versinke. 10:00 Der zweite Alarm klingelt. Ich gehe zum Handy, schalte den Flugmodus aus und deaktiviere alle noch kommenden Wecker. Ich bin ja wach. Oder zumindest sowas in der Art. Ich sehe nach, wer mir geschrieben hat und aktualisiere meine sozialen Medien. Dann gehe ich …