Du & Ich
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So, wie ihr uns haben wollt… #wir

…werdet ihr uns nicht bekommen!

Hast du dir schon einmal die Frage stellen müssen, wo du hingehörst? Ob es vielleicht sogar an dir liegt, dass du hin und wieder das Gefühl hast, hier nicht angekommen zu sein? Obwohl es keine Frage des „Ankommens“ sein sollte. Denn du bist doch schon hier, inmitten anderer Menschen. Du lebst hier und das ist auch gut so!
Jedoch gibt es Menschen in diesem Land, die ausgrenzen, Hass verbreiten und spalten.
Es braucht eine Gegenbewegung dazu. Findet ihr nicht?

Wir versus Ihr.

Eine Aussage, die nicht spurlos an mir vorbeigeht.
Sie hinterlässt Bilder in meinem Kopf, die von außen an mich herangetragen wurden. Es sind Bilder, die ich angefangen habe, von klein auf zu malen. Mir wurden ein paar Stifte in die Hand gedrückt, mit denen ich all diese Bilder ausmalen sollte. Dabei waren die Umrisse vorgegeben, sodass ich allein in der Auswahl der Farben frei sein konnte.

Ich bin frei, aber ich bin es nicht.

Mit der Zeit wurden diese Bilder ausgemalt, es wurden Fortsetzungen angefertigt, die Bilder wurden immer größer, sodass sie ganze Wände eingenommen und sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt haben.
Es sind Bilder, die mir missfallen. Es sind ebenso Schmerzen, an die sich mein Herz bis heute nicht gewöhnen konnte.
Bilder, die ich aus meinem Gedächtnis löschen will.
Schmerzen, die ich loswerden möchte.

Aber wie viel ist das, was ich möchte überhaupt wert? Mein Wille allein, wie viel kann er ausrichten?

Es sind Bilder, die ich zerreißen möchte, um sie dann durch neue Bilder ersetzen zu können.

Wer hat es erfunden?

Zurück zur “Wir vs. Ihr” Aussage. Es ist eine Aussage, die ich mir nicht selbst zurechtgelegt habe. Denn diese Macht habe und werde ich in diesem Land niemals haben.

Hier ist es wichtig zu erwähnen, dass es vielen anderen Menschen ähnlich geht wie mir. Ich spreche von Menschen, die migrantisiert und als fremd markiert werden.
Dabei spielt es keine Rolle, ob wir hier geboren wurden, hier aufgewachsen oder erst später in dieses Land gekommen sind.

Wir leben in einer Gesellschaft, die keineswegs homogen ist.
Wir leben in einer Gesellschaft, die geprägt ist von der Verschiedenheit ihrer Menschen. Das ist gut!
Wir leben in einer Gesellschaft, die dadurch erst bereichert und vorangetrieben wird. Auch das ist gut!

Doch wer hat hier das Sagen?

Es sind Menschen, die mächtig genug sind, um Narrative vorzugeben, die bestimmte Menschen in einem falschen und negativen Bild dastehen lassen.
Es sind weiße Menschen mit Privilegien.
Es sind aber auch diskriminierende Strukturen, die sich seit Jahrhunderten verfestigt haben. Strukturen, die Menschen bevorzugen und andere links liegen lassen.

Wer formt also dieses “Wir” und wer bestimmt, welche Menschen oder Menschengruppen mitgemeint und mitgedacht werden?

Das Wir, also die sogenannte “Norm” ist das Privileg, die Macht und die Deutungshoheit. Es entscheidet, wer dazugehören darf und wer nicht.
Es macht gleichwertige Menschen zu “(den) anderen”, zu “(den) Fremden” dieses Landes.

Blicke, die dir das Gefühl geben soll, mit dir würde etwas nicht stimmen.
Blicke, die du nicht mehr los wirst, weil du tagtäglich von Augen verfolgt wirst, die dich hier nicht sehen wollen.
Sätze, die mit einer einzigen Absicht formuliert werden: Sie sollen dich ganz tief treffen und brechen. Dein Herz und dein Ich.
Verhaltensweisen, die respektloser und ausgrenzender nicht sein könnten.

Du willst dazugehören? Ein Teil dieses Landes sein?
Dabei stellen allein schon diese Fragen ein großes Problem dar. Wie kann ich irgendwo hingehören, wenn ich doch schon da bin?! Ich bin hier!
Wie kann ich als Teil dieser Gesellschaft anerkannt werden, wenn meine Existenz allein schon Grund genug ist, um immer mitgemeint und mitgedacht zu sein?

All das scheint immer noch nicht in allen Köpfen der hier lebenden Menschen angekommen zu sein.
Also tun wir doch etwas um das zu ändern. Aber wer sollte etwas tun? Die Betroffenen oder die Ausübenden?

Deutsch, deutscher, am Deutschesten

Was müssen wir als migrantisierte Menschen also tun, um als ebenbürtige und gleichberechtigte Mitglieder dieser (weiß-)deutschen Gesellschaft anerkannt zu werden?

Unsere Existenz allein wird das nicht regeln können. Sie allein sollte genügen, doch ist dies nicht der Fall.

Also frage ich: Was müssen wir tun, welche Kriterien müssen wir erfüllen um “dabei sein zu dürfen”?

Wann sind wir „deutsch genug“ für euch? Wann hört ihr endlich auf, uns zu „(den) anderen“ machen zu wollen?


Ist es unser Aussehen, das euch stört? Nicht alles, aber vieles kann verändert werden.
Sind es die zusätzlichen Sprachen, die wir sprechen? Dann hören wir doch einfach auf, sie zu sprechen.
Sind wir euch vielleicht zu laut und stehen viel zu oft für unsere Rechte ein? Auch das können wir sein lassen.
Stört euch unser Akzent? Den legen wir im Handumdrehen ab.
Ist es die Art und Weise, wie wir uns kleiden? Wir passen uns einfach der vorherrschenden Kleiderordnung an.
Ist es die Staatsbürger*innenschaft, die euch nicht passt? Wir bemühen uns und geben unser Bestes, um den so wertvollen deutschen Pass endlich in den Händen halten zu dürfen. Versprochen.

Versprochen? Nein, da mache ich nicht mit!

Nicht mit uns!

Machen wir uns nichts vor. Natürlich ist nichts davon ehrlich gemeint. Wir sind so, wie wir sind und das ist auch gut so! Es ist gut so und es bleibt so!

Würden wir dieses Spielchen mitspielen – und glaubt mir, nicht wenige haben versucht, dieses Spiel zu gewinnen – würde sich rein gar nichts ändern. Wir könnten die „deutschesten Deutschen“ sein und sie würden immer noch Gründe (er)finden uns auszuschließen. Das Weiß-Sein und die damit einhergehenden Privilegien sind nun mal keine käuflichen Produkte, die im Supermarkt nebenan erworben werden können.

Marginalisierte Menschen sind eben nicht das Problem. Wir sind nicht das Problem!
WIR. SIND. NICHT. DAS. PROBLEM.
Wir würden hier gerne unbeschwert leben wollen ohne uns über all diese Missverhältnisse Gedanken machen zu müssen. Ohne uns anhören zu müssen, wir müssten mehr leisten, wir müssten erfolgreich(er) sein, um ja nicht negativ aufzufallen. Fehler? Die sind nicht erlaubt!

Seit Jahren werden uns immer wieder Steine in den Weg gelegt, die wir tagtäglich wegräumen müssen. Denn sonst kommen wir nicht voran. Wir müssen uns da durchkämpfen und unser Ziel immer im Blick haben. Aufgeben? Auch das ist nicht erlaubt!

Wenn es an uns läge, hätten wir diesen Missstand schon längst aus der Welt geschafft.
Jedoch liegt es nicht an uns. An wem und an was es liegt, muss ich hier nicht weiter ausführen. Das liegt auf der Hand. Es liegt an der weißen Mehrheitsgesellschaft und an den vorherrschenden Strukturen, die von Grund auf neu definiert werden und sich einem harten Wandel unterziehen müssen.

Also, warum sollten wir uns da noch die Mühe machen, es allen gerecht machen zu wollen?
Warum sollten wir einen essentiellen Teil unserer Identität verbergen, aufgeben oder uns für diesen wunderschönen Teil unseres Ichs schämen?
Es macht uns zu den Menschen, die wir sind.
Wir sind hier und wir haben nicht vor zu gehen!
Wir machen dieses Land neben all unseren Mitmenschen zu dem Land, das es ist.

Wir sind Teil dieser Gesellschaft…
…nicht, weil andere uns „erlauben“, Teil dieser Gesellschaft zu sein.
Wir sind Teil dieser Gesellschaft…
weil wir sind, wie wir sind. Weil wir hier existieren. Weil dieses Land auch unser Zuhause ist. Es sollte das Natürlichste auf der Welt sein, Teil einer Gesellschaft zu sein, in der wir lernen zu lieben, in der wir lachen, weinen und in der wir wachsen.
Es ist unsere Gesellschaft, in der wir existieren und in der wir sind.
Wir sind genauso ein Teil unserer Gesellschaft, wie ihr es seid!

Die Kolumne „Wir“ ist im Großen und Ganzen als Plädoyer für das Miteinander zu verstehen. Sie stellt sich dem Nebeneinander entgegen und betont die Notwendigkeit des Zusammenhalts. „Wir“ leben zusammen in diesem Land und begegnen einander meist nur oberflächlich. Diese Kolumne soll durch die Behandlung von politischen, gesellschaftsrelevanten und identitätsstiftenden Themen dazu motivieren, in den Austausch miteinander zu treten. Parallel dazu wird sie Lebensrealitäten von Menschen abbilden, die migranitisiert und kriminalisiert werden.
Für das Miteinander!

Melis verliert sich tagtäglich in ihren Gedanken und verbringt nicht selten Stunden damit, Antworten zu finden, die sie weiterbringen. Musik spielt eine essentielle Rolle in ihrem Leben, denn sie eröffnet ihr neue Welten, in denen sie oftmals auf tänzerische Art und Weise Zuflucht sucht und findet.
Die Auseinandersetzung mit politischen Themen hat in den vergangen Jahren einen hohen Stellenwert in ihrem Leben eingenommen, denn sie hat aufgrund ihrer Biografie früh erkannt, dass politische Verantwortung mehr als ernst genommen werden sollte.

Illustrationen von Linda.
Linda ist Grafikdesignerin und brennt für gute Gestaltung. Sie arbeitet gerne konzeptionell und legt den Fokus auf aussagekräftige Illustrationen. Neben Kunst und Design liebt sie die Berge, Kaffee und ihr rotes Fahrrad Michl. Außerdem gibt sie definitiv zu viel Geld für Schreibwaren aus.

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