Liebe & Triebe
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Pablo

Auch genannt der Italiener, um ehrlich zu sein, immer genannt der Italiener. Ich frage mich, wie lange es noch braucht, bis ich seinen Namen vergessen habe.

Pablo hat mich, classy as fuck, beim Arbeiten angesprochen, frei nach dem Motto: „Wer braucht schon Tinder?“.

In der Bar, in der ich arbeite, ist es sehr eng und ich kleiner Tollpatsch bin praktisch auf ihn drauf gestolpert, woraufhin er einfach nur gesagt hat „Gehen wir mal was trinken?“. Ich dann bisschen perplex am undefinierten Antworten geben, weil mir anscheinend schon das zu viel Entscheidungsdruck ist. Ich glaube, ich sage, ich muss es mir überlegen.

Auf jeden Fall kommt Pablo, bevor er geht, zu mir und fragt, ob ich es mir überlegt habe. Habe ich natürlich nicht und gebe weiterhin weirde Antworten, aber auch mein Handynummer.

Pablo meldet sich circa einen Tag später und fragt mich, ob ich mich an den Jungen aus der Bar erinnere. Erstens, Pablo ist 28 und denke dadurch, per Definition, kein Junge mehr, zweitens bin ich dumm? Vielleicht ist so ein Vorfall bei mir aber auch einfach nur sowas besonderes, dass es extrem abwegig, ist so ein Highlight zu vergessen.

Na ja, wie auch immer, ich weiß, so läuft das Game und schreibe natürlich nett zurück. Es stellt sich heraus, dass Pablo Sozialarbeiter ist und Jugendliche und junge Erwachsene bis 21 betreut (also genau mein Alter). Ich bin #sassy und frage, wann er mich denn mal betreut. #flirtenkannich

Wir verabreden uns und ich bin total aufgeregt, weil ich vergessen habe, wie er aussieht, auf seinem Whatsappbild sieht er aus wie ein HipsterAssi. Dementsprechend habe ich Angst, dass er nicht hot ist. In der Bar angekommen, die große Erleichterung, er ist hot. So hot, dass ich einer Freundin schreibe, als er auf dem Klo ist: „OMG, er ist so hot!“ (oder so ähnlich, mein Handy ist mir in der Zwischenzeit des Öfteren abhanden gekommen, also sind alle Zitate meinem Erinnerungsvermögen entnommen). Wir trinken ein, zwei Drinks und dann fragt er, ob wir uns auf’s Sofa setzen wollen.

Ich willige ein und keine 5 Minuten später wird wild geknutscht.

Allgemein ist Pablo die erste Person, mit der ich Sex haben will, obwohl fast alles, was aus seinem Mund kommt, mich nicht so wirklich überzeugt (ich glaube, er glaubt an Engel). Deswegen nehme ich Pablo noch mit zu mir und wir haben den bis dato klischeebehaftetsten Abend meines Liebeslebens. Wegen dem Sex nehme ich ihn mit zu mir, nicht wegen den Engeln! Bei mir öffne ich eine Flasche Wein (Rot natürlich #romantic), wir dimmen das Licht und ich mache meiner Meinung nach stimmungsvolle Musik an (The Unknown Mortal Orchestra).

Es funktioniert und es gibt ein bisschen sexy Time. Weil ich schon länger keine sexy Time mehr hatte, sticht es hier und da mal, aber sonst ist die sexy Time wirklich sehr, sehr sexy. Danach kuscheln wir noch und dann geht Pablo nach Hause, was mich irritiert und ich gekonnt mit einem Witz überspiele. Er fragt, wo die Haustür ist und ich zeige auf die Küchentür. Er versteht den Witz nicht und die Situation ist auf einmal ziemlich seltsam. Auf dem Nachhauseweg fragt Pablo dann noch, wie die Playlist hieß und dass es sehr schön war und warum ich am Ende so komisch war… unangenehm.

Ich war allgemein aber doch so positiv überrascht von der sexy Time, dass ich beschließe auf jeden Fall nochmal mit ihm schlafen zu wollen. Circa zwei Tage nach unserem ersten Date werde ich dann gefragt, ob ich nicht Lust habe, mit ihm Schwimmen zu gehen. Das verwirrt mich nun mehr als alle zuvor passierten Ereignisse, muss aber eh wegen meinem gesundheitlichen Zustand absagen. Da Pablo aber eindeutig mit seiner Einladung zum Badetag weiteres Interesse bekundet hat, bin ich ganz entspannt und verfolge den Plan, abzuwarten, bis der eingesetzte Blutfluss zwischen meinen Beinen (nur meine Tage, keine Angst Leute) wieder aufhört um dann in die Offensive zu gehen.

Leider macht mir da meine Augenärztin einen (Ab-)Strich durch die Rechnung. Seit geraumer Zeit (pipapo 1.5 Jahre) leide ich an chronisch verklebten Augen und meine neue Augenärztin kam auf die glorreiche Idee, mal einen Test zu machen und nicht einfach zu empfehlen Augentropfen zu benutzen und beim Schlafen die Augen zu zu machen. Jedenfalls habe ich Chlamydien, wie mir eine peinlich berührte Ärztin erklärt (so oft kommt das beim Augenarzt dann wohl doch nicht vor) und weist mich sofort zur Gynäkologin weiter. Gesagt, getan und natürlich findet man die fiesen Bakterien nicht nur in Schleimhäuten oberhalb meines Bauchnabels.

Mir werden Antibiotika und das umgehende Informieren meiner Sexualpartner verschrieben. Ich schreibe Pablo also eine nette Nachricht und erläutere die Umstände. Er bedankt sich und dann herrscht mindestens eine Woche Funkstille. Das war’s erstmal mit der sexy Time, denke ich, doch unverhofft kommt ja bekanntlich oft und als hätte Pablo schon öfters Erfahrungen mit Chlamydien gemacht, schreibt er etwa zeitgleich mit dem Einnahmeende des Antibiotikas, dass er heute in meine Bar kommt. Zur Begrüßung findet eine mir bis dahin unbekannte Mischform von Umarmung, Oma- und Zungenkuss statt, aber ich überlebe es. Nicht mehr ganz so undefiniert knutschen wir dann später im Toilettengang rum und Pablo fragt, ob er nicht mit reinkommen soll. So yolo bin ich dann doch nicht (zumindest nicht nüchtern) und es bleibt derweil bei verheißungsvollen Blicken. So verheißungsvoll, das ich ihn für den nächsten Abend zu mir einlade.

Was niemand hat kommen sehen, ist, dass mir am nächsten Tag von meinem eigentlichen Loveinterest das Herz gebrochen wird. Die Verabredung sage ich trotzdem nicht ab, teils aus Trotz, teils weil es mir einfach nicht in den Sinn kommt. Wäre wahrscheinlich eine gute Idee gewesen, so höre ich auf mit heulen bevor Pablo kommt und fange, direkt nach dem er gegangen ist, wieder damit an. Die paar Stunden, wo er da war, waren einigermaßen ablenkend. Hauptsächlich, weil Pablo immer seltsamere Sachen von sich gibt. Als kleines Mitbringsel hat er zwei Dosen vorgemischte Jackie Cola dabei und glaubt, laut eigener Aussage, sexsüchtig zu sein. Einmal hätte er seine Freundin am Flughafen abgeholt und dann kurz mit ihr in der S-Bahn geschlafen, weil warten nun wirklich zu viel verlangt ist. Insgesamt kommt seine Exfreundin zur Sprache, und dass er einfach ein Arschloch ist, weil er nicht treu sein kann. Genau wegen dieser Freundin bekomme ich ein paar Tage später eine Abschieds-SMS, die einfühlsamer ist, als die von meiner ersten Fast-Beziehung.

Sie lautet in etwa so:

Ich bin am Bahnhof und immer noch heartbroken, paradoxerweise rührt mich die SMS und ich wünsche Pablo auch alles erdenklich Gute für die Zukunft.

In ziemlich naher Zukunft (keine 2 Wochen später) fragt mich Pablo dann unerwartet, ob ich nicht Lust hätte mit ein paar Freundinnen auf seine Hausparty zu kommen. Ich denke, er hat sich verschrieben und frage, ob ich denn auch mit Freunden mit Penis vorbeischauen kann. „Nur Mädels wären besser, weil es sind schon so viele Jungs.“ Weder ich noch meine Freundinnen haben Bock auf einen Gang-Bang oder andere sexistische Kacke und Pablo und ich gehen getrennte Wege.

Bis zum letzten Herbst, wo wir uns am Kottbussertor in die Arme laufen. Ich grüße ihn nur kurz und frage mich, ob das angemessen war oder wir Smalltalk hätten betreiben sollen. Gott oder die Engel geben mir 20 Minuten später die Chance das nachzuholen, als sich Pablo und wahrscheinlich seine Freundin beim Italiener direkt neben uns setzen. Es ist eins dieser neuen leger-schicken Restaurants, wo man fast mit Fremden an einem Tisch sitzt – wie praktisch. Meine Freundin und ich bekommen einen komischen Lachanfall und können uns für 10 Minuten auf keine Konversation konzentrieren und reden nur über den Wein. Pablo scheint verunsichert und seine Begleitung versteht wahrscheinlich die Welt nicht mehr. Ich auch nicht.

Summa summarum ist Pablo eine lustige Story für die nächste Party und ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Jackie Cola aus der Dose getrunken (eklig). Also Leute, never stop sexploring, man weiß nie, wer unter der nächsten Decke wartet.

Der Text wurde anonym eingereicht.

Die Gestaltung ist von Linda. Sie studiert Kommunikationsdesign in Bayern und liebt gute Gestaltung. Sie gibt definitiv zu viel Geld für Schreibwaren und Zimmerpflanzen aus und verbringt oft Stunden mit dem Sortieren ihrer Spotify-Playlisten.

*Für unsere neue Sex-Kolumne suchen wir Eure Stories! Was habt ihr gelernt? Was wollt ihr noch lernen? Was habt ihr Lustiges oder Peinliches erlebt? Wollt ihr anderen etwas mitgeben? Schickt uns eure Texte, Gedanken und Bilder an gastgedanken@tierindir.de! Natürlich können eure Beiträge anonym veröffentlicht werden.

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