Das erste Interview für “Zwischen Neugier und Bewunderung“ habe ich mit Marlen Albrecht aka Goldmarlen geführt. Wir sprachen darüber, andere Wege zu gehen, seinem Tatendrang zu folgen und über ihre Arbeit als Schmuckdesignerin. Getroffen haben wir uns ganz 2020 getreu virtuell via Zoom.
Ich kenne Marlen persönlich schon seit einiger Zeit. Im letzten Jahr, hatten wir uns für kurze Dauer ein gemeinsames Studio geteilt. Marlen als Schmuckdesignerin und Unternehmerin, ich als Fotografin, bevor ich Stuttgart dann für eine Zeit verlassen habe. Gerne wäre ich noch geblieben, denn Marlen ist so ziemlich der krasseste Mensch überhaupt, wenn es darum geht Ideen umzusetzen und Dinge anzupacken.
Nach ihrem Studium im Bereich Schmuck, ging Marlen für vier Monate für ein Praktikum nach Stockholm, um bei einem großen Modekonzern zu arbeiten. 2018 gründete sie ihr Label “Goldmarlen“, das national und international immer mehr an Bekanntheit gewinnt.

Deine Label-Gründung direkt nach dem Studium, war das etwas wobei du das Gefühl hattest “das ist jetzt ein anderer Weg“? War das etwas, wofür du dich hast rechtfertig müssen?
Meinst du in der Gesellschaft oder in der Familie?
In der Gesellschaft.
Das verrückte ist, dass es garnicht so geplant war anfangs. Es ist irgendwie so aus dem Affekt passiert. Ich war ja in Stockholm und habe dort gearbeitet, gesehen, wie es in der Modeindustrie aussieht. Dann habe ich für mich gedacht “so will ich das nicht, ich muss meinen eigenen Weg gehen“ und die ganzen Strukturen und Abläufe für mich selbst entscheiden können. Aus diesem Gefühl raus ist die Entscheidung passiert.
Rechtfertigen müssen habe ich mich nicht. Es war eher so, dass die Leute überrascht waren. Es ist schon etwas blauäugig, direkt nach dem Studium so etwas zu machen. Ich kann bei meinen Eltern im Haus wohnen, vielleicht hätte ich die Entscheidung nicht getroffen, wenn ich gewusst hätte, neben der Ladenmiete müsste ich noch meine eigene Wohnung finanzieren. Vielleicht hat es mir das etwas erleichtert, dass ich auch von meiner Familie die Unterstützung hatte. Es war nicht so, dass ich mich vor der Familie rechtfertigen musste, die Unterstützung war da und das hat mir wahrscheinlich auch den Mut gegeben, das zu machen.
Ja! Jetzt kennen wir uns ja auch schon eine Weile. Mich hat es immer total beeindruckt, dass du die Dinge immer gleich anpackst und umsetzt. Ich kenne das von mir selbst, so im kreativen Bereich ist es total gefährlich wenn man Ideen hat und die nur im Kopf behält und ewig darüber debattiert, ob man es umsetzten soll und wie denn überhaupt. Und bei dir ist das so, du machst es halt einfach.
Wie sieht da dein Prozess aus, der Ablauf von Inspiration zu Idee zu Umsetzung?
Da muss ich ganz kurz ausholen. Das liegt sicher an meiner Kindheit und an meinem Wesen. Ich war schon immer super ungeduldig. Es war früher schon so, das wenn ich eine Wand in meinem Zimmer Rot streichen wollte, dann musste das am selben Tag passieren. Meine Eltern waren so cool und haben das mitgemacht. Dann haben wir am selben Tag halt noch die Wand Rot gestrichen. Das hat sich dann bei mir verankert. Zu wissen das wenn ich eine Idee hab, dann kann ich das direkt umsetzen, das funktioniert. Ich bin auch so unglaublich neugierig. Wenn ich in meinem Kopf eine Idee habe, dann muss ich wissen, ob das funktioniert. Dann muss ich direkt das Teil aussägen und zusammenbauen. Beim Schmuck ist es halt auch so, man kann das direkt umsetzen, ohne von anderen abhängig zu sein.
Wo findest du die Inspiration für ein Schmuckstück?
Das ist total unterschiedlich. Bei manchen Kollektionen ist es so, dass es sich wirklich entwickelt. Dass ich zeichne, lese. Manchmal kommt mir aber auch einfach was, wenn ich unterwegs bin, wenn ich Farben und Formen sehe. Auf einmal ist es da und ich muss es irgendwie umsetzen. Dann schmeiße ich auch Sachen oft um und dann formt sich so was. Es kommt auf unterschiedlichen Wegen.

Wie ist das im Allgemeinen mit der Selbstständigkeit bei Dir, bezogen auf Selbstdisziplin und Dranbleiben und jeden Tag zur Arbeit gehen. Gibt es da was, das dir hilft am Ball zu bleiben? Oder kommt das wenn man ein eigenes Business hat, das man einen Sinn für Verantwortung entwickelt?
Ich glaube, das muss sich entwickeln. Am Anfang hatte ich die Öffnungszeiten von Dienstag bis Donnerstag, habe ich immer noch, aber ich merke, dass ich eigentlich von Montag bis Freitag da bin. Ich glaube, es liegt daran, dass man die Bestätigung spürt. Von den Leuten, die die Sachen schätzen und kaufen. Dass man dementsprechend auch was zu tun hat, Bestellungen abarbeitet. Man kriegt gutes Feedback und das gibt mir schon das Gefühl “hey cool, das gibt Sinn, was ich da mache, “ wenn es Veröffentlichungen in der Presse gibt und zu sehen, es wird angenommen. Und natürlich auch was ich tue, das macht einfach unglaublich Spaß. Klar, es hat auch die Seiten mit Steuern und Sachen, die man nicht so gern macht. Aber man hat auch einfach diese Freiheit, dass man auch mal sagen kann, heute Nachmittag gehe ich raus zum Zeichnen oder ich treffe mich auf einen Kaffee mit jemandem. Diese Freiheit die man hat, lernt man so zu schätzen, dass man bereit ist Disziplin aufzubringen.
Das ist wahrscheinlich dann auch wichtig, solche Nachmittage zuzulassen. Damit man sich da nicht übernimmt mit zu viel Verantwortung.
Ja ich merke auch, dass das wichtig ist. Man kann nicht acht Stunden am Tag nur kreativ sein und abliefern, man braucht auch seine Auszeiten. Was halt cool ist, in dem Bereich in dem ich arbeite, man kann einfach mal sagen, heute mache ich zwei Stunden nur Kreolen an der Werkbank. Das hat dann auch was Meditatives.
Was würdest du jemandem raten, der gerade sein Studium beendet hat und überlegt “soll ich gründen und nicht dem folgen, was gerade wahrscheinlich von mir erwartet wird“?
Was mir gut getan hat, direkt nach dem Studium, war das kurz weg sein. Einfach drei Monate nochmal für mich zu sein und das Studium revue passieren lassen. Und auch einen Einblick zu bekommen, wie es sich anfühlt, zu arbeiten ohne festangestellt zu sein. Wobei ich glaube, man kann auch festangestellt sein und noch in der Probezeit kündigen. Ich glaube es ist auch wichtig, manchmal Entscheidungen dagegen zu treffen. Und auch mal zu sagen: „Ich habe jetzt zwei Wochen dort gearbeitet. Ich weiß, das ist nichts für mich und ich kündige jetzt und mache mich selbständig.“Das wichtige ist denke ich, das wenn man was beendet, man weiß wie man danach weitermachen möchte. Wenn man wirklich einen Plan hat und weiß ich möchte nicht aufstehen und in diesen Konzern gehen und irgendwas tun was die Welt nicht verändert, dann ist das total okay sein eigenes Ding zu machen. Es ist wichtig einen starken Willen zu haben. Es ist immer so das es nicht einfach ist, aber wenn man wirklich dieses Ziel und einen Plan hat, dann schafft man das auch. Mein Tipp ist, einfach mal zu schauen, wie es sich anfühlt und sich auch gegen Dinge zu entscheiden und nicht zu denken, ich muss da jetzt ein Jahr arbeiten, weil es gut für den Lebenslauf ist. Ich glaube, das muss man nicht und es gibt genügend andere erfolgreiche Menschen, die das schon bewiesen haben.
So wie sich das anhört, hast du auch voll auf dein Bauchgefühl gehört. Dass du dir dann die Zeit genommen hast, bevor du den Schritt gegangen bist. Das hört sich gut an.
In diesem Sinne habe ich mir vorgenommen, am Ende von so einem Interview immer noch eine positive Frage zum Abschluss zu stellen, so was die Zukunft betrifft. Gerade ist alles irgendwie bisschen viel in der Welt. Deshalb wäre meine Frage, was lässt dich hoffnungsvoll in die Zukunft blicken?
Was mich hoffnungsvoll stimmt, ist zu sehen, was sich in der Gesellschaft tut. In Bezug auf Corona, hatte ich am Anfang echt ein Schockgefühl. Dann hatte ich diesen Rabattcode “15% support your local brands“ und es kamen so viele Bestellungen rein, ich war einfach überwältigt von der Unterstützung. Ich habe gemerkt, wie viele Menschen es jetzt einfach sehen und dass kleine Labels dadurch auch sichtbarer wurden. Und viele verstanden haben, wie wichtig es ist diese zu unterstützen.
Ich muss auch sagen, diesen Wandel, den ich selber gemacht habe, dadurch, dass ich mal für einen großen Modekonzern gearbeitet habe, habe ich auch gesehen, wieviel Kleidung und Fast Fashion ich selbst konsumierte. Und dann aber auch für mich beschlossen habe, nur noch bewusst zu konsumieren. Anstatt fünf Teile dann halt ein Teil kaufen. Und ich glaube insgesamt ist es so, dass ganz viele ein Gefühl dafür bekommen haben und dass sich etwas in den Gedanken tut. Es ist ein Wandel da und das gibt mir auf jeden Fall Hoffnung.
Voll schön. Danke Marlen!
Alter, wir haben gerade richtig Hochdeutsch gesprochen!
Wirklich? Haben wir nicht geschwäbelt?
Unser schwäbisch hat sich richtig zusammengerissen.
Goldmarlen auf Instagram / www.goldmarlen.com
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Mara ist Crossmedia Publishing Studentin, Fotografin und Hutmacherin. Sie lebt in Stuttgart und Kalmar.
In ihrer Kolumne Zwischen Neugier und Bewunderung unterhält sich Mara mit Menschen aus Kultur, Gesellschaft und Politik. Irgendwo zwischen Neugier und Bewunderung, Nähe und Distanz, treffen sich die Charaktere meist im virtuellen Raum.
Lea studiert Grafikdesign & Kommunikation in der Nähe von Nürnberg. Neben dem kreativen und ästhetischen Gestalten, ist ihre große Leidenschaft das Tanzen. Auf ihrer Instagramseite kombiniert sie die Kunst des Grafikdesigns mit der Dynamik des Tanzes.