Du & Ich
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Neue Fremde (und alte Bekannte)

Ich lerne Leute oft on the go kennen. Auch in längerfristigen Umfeldern, beispielsweise an der Uni, wenn man ein Semester lang ein Modul mit den gleichen Leuten besucht, aber sich nur miteinander versteht, weil man sich jede Woche über Thema xyz aufregt. Vielleicht mal auf Whatsapp anschreiben weil ‘oh schau hier, das erinnert mich an diese eine Situation in der wir beide xyz’. Aber dann doch nicht treffen, doch kein näherer Kontakt. 

Auf Reisen passiert mir das ständig. Ich bin in Hostels mit Leuten aus aller Welt, wir sind im selben Schlafsaal und unterhalten uns über Politik in Europa. Ich erzähle, dass ich morgen ins Museum gehen will, du rätst mir früh hinzugehen, weil es immer so schnell voll sein würde. Nach zwei Stunden Reden über Gott und die Welt gehen wir beide ins Bett, du musst morgen früh um acht zum Flughafen, um nach Griechenland zu fliegen und ich bin einfach nur müde von der Anreise. Nachts liege ich dann wach im Bett und bin irgendwie so ruhig wie nie, habe Neues über die Welt gelernt und eine super Unterhaltung für länger als zwei Stunden führen können. Als wir uns am nächsten morgen sehen, sagst du Tschüss und dass du hoffst, dass ich noch eine gute Zeit hier haben werde. Ich wünsche dir das gleiche. Nichts weiter. 

Andere Zeit, gleiche Situation in einem anderen Hostel. Im Zug mit meinen Sitznachbar*innen. Auf beruflichen Seminaren, in Jugendherbergen, Konzerten. Überall lerne ich Leute kennen, wir unterhalten uns, wir lachen zusammen, tanzen zusammen, passen aufeinander auf. So viel Zärtlichkeit und Fürsorge und Liebe empfinde ich immer nur, wenn ich da draußen bin mit fremden Leuten. Leute, die ich nur kurz in meinem Leben habe, einen Bruchteil und die dann genau so wie ich weitergehen. Und am Anfang hat mich das traurig gemacht, weil ich diese Leute wirklich kennenlernen wollte. Vielleicht werden wir Freunde und können erzählen, wie wir uns auf diesem Konzert kennengelernt haben, wo wir dann abends noch über Kuhglocken im alten VW Golf geredet haben. Aber das ist so nie passiert. 

Und dann kam die Zeit, in der mir das egal war, weil ich mich damit abgefunden hatte, da keine Freundschaften schließen zu können. Obwohl ich gerade da die interessantesten Menschen in meinem Leben  kennengelernt habe. Aber ich wusste einfach, dass ich da nur zu viel Energie und Trauer reinstecken würde, also habe ich es gelassen. 

Jetzt während Corona, wo ich genau diese ‘Chance’ nicht mehr hatte, Leute so kennenzulernen, bin ich aber trotzdem nochmal in so eine Situation reingerutscht. Und diesmal tat es weh. Ich weiß nicht wieso, aber es tut weh. Menschen loszulassen, die einen wirklich interessieren, in deren Umfeld man frei sein kann, diese eine (oder mehrere) Situationen miteinander erlebt. All das loszulassen, einfach nur weitergehen in seinem Leben ohne weiterer Kontakt, keine Ahnung, aber ich kann da nicht einfach winken und Tschüss sagen. Und irgendwie auch dadurch zu wissen, dass man im Umkehrschluss einfach nicht interessant genug für die andere Person ist. 

Manchmal ist es komisch, sich Gedanken zu machen, über die Freundschaften, die man hat. Warum bin ich mit dir eigentlich noch befreundet? Und wo haben wir uns überhaupt kennengelernt? Welche Leute hat man noch um sich, nur aus Routine, und welche wirklich, weil sie einen weiterbringen, weil man sich bei ihnen geborgen fühlt, dank ihnen glücklich ist (wenn auch nicht immer)?

Ich merke gerade, dass ich mir darüber noch nie wirklich Gedanken gemacht habe. Aber ich weiß, dass mir diese flüchtigen, fremden Beziehungen auch Freude bringen. Vielleicht ändert sich ja irgendwann mal was. Vielleicht trifft man sich ja dann irgendwann mal wirklich nochmal (bekanntlich ja zweimal). Vielleicht ist es mir irgendwann möglich, diese unsichtbare Mauer zu durchbrechen. Oder vielleicht kann ich irgendwann auch einfach winken und Tschüss sagen. Und dabei lächeln. Ohne großes Tamtam. 

Luna ist da zuhause wo sie fremd ist, reist gerne in andere Städte um sie auf Film aufzunehmen, will immer etwas neues über die Welt lernen und setzt sich gerne mit politischen Themen auseinander. Später möchte sie mal in der naturwissenschaftlichen Forschung mitwirken, im Kittel die Welt verändern.

Luise ist eine junge Gestalterin und Künstlerin, sie lebt in Berlin und studiert dort an der Universität der Künste. Sowohl in der Kunst als auch im echten Leben liebt sie die Spannungen zwischen dem Komischen und Sensiblen, dem Ehrlichen und Emotionalen, der Freiheit und dem in Gedankenversinken.

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