Das Semester ist vorbei. Endlich. Wie immer war alles stressiger als geplant, wie immer habe ich mehr gemacht, als ursprünglich geplant und wie immer habe ich bestimmte Sachen bis nach ganz hinten aufgeschoben. Ich habe außerdem drei Jobs gehabt und versucht, alles so cool wie möglich zu auf die Reihe zu kriegen und nebenbei noch kreativ zu sein. Die Realität: Ich habe seit Wochen weder in mein Notizbuch geschrieben noch eine Collage gemacht. Gelesen habe ich mühselig 30 Seiten in einem Buch, auf das ich mich lange gefreut habe. Ich vergesse Termine, komme ständig zu spät, hänge hinterher, und fange mit diesen Blogpost ungefähr eine Stunde, bevor er online gehen soll, an. Ich mache alles nur noch halbherzig und will, dass die Ergebnisse trotzdem hundertprozentig sind.
Ich muss etwas ändern.
Ich dachte, dass mich die Quarantäne-Phase entschleunigt hätte. Ich habe ausgemistet, Podcasts gehört, war viel spazieren und habe jeden Abend ein neues Rezept ausprobiert. Ein paar Wochen lief das auch super, bis sich irgendwann das kleine böse Teufelchen wieder auf meine Schulter gesetzt und gesagt hat: „Du schaffst viel zu wenig!“. Ich habe angefangen, mir wieder mehr aufzuhalsen, neue Projekte anzufangen, mehr Ja zu sagen.
Am Freitag habe ich mich komplett ausgelaugt gefühlt, so, als hätte jemand all meine Energie aus mir rausgezogen. Ich war schon mittags trotz zwei starker Kaffees komplett erledigt, jede Kleinigkeit hat mich gereizt und traurig gemacht. Als mich eine Freundin umarmt und gefragt hat, was mit mir los ist, habe ich gemerkt: Ich muss besser zu mir selbst sein.
Ich habe mir angewöhnt, immer besser werden zu wollen. Ich will mehr, schneller, cooler, effizienter und produktiver sein. Etwas, das mir eigentlich von der Leistungsgesellschaft, in die ich hineingeboren wurde, in die Wiege gelegt wurde, habe ich mir perfekt antrainiert. Ich kann mich und das, was ich wirklich brauchen könnte, komplett zurücknehmen, um schneller und besser zu sein.
Immer besser werden wollen
Jetzt ist das Semester vorbei, ich habe zwei Jobs abgehakt und weiß: Ich muss besser zu mir sein. Ich habe gemerkt, dass ich nur noch ausgeführt habe und dass das, was ich liebe, komplett auf der Strecke geblieben ist: Statt zu kreieren, habe ich nur noch To-Do’s abgehakt. Von mir und für mich ist nichts mehr übrig geblieben.
Ich verdiene das, wofür ich arbeite
Ich habe dieses Jahr viel geschafft und erreicht. Ich bin besser und schneller geworden. Aber ich habe nie das Gefühl, dass es reicht: Es gibt immer Luft nach oben. Ich klopfe mir nie selbst auf die Schulter und bin stolz auf das, was ich erreicht habe. Vor allem auch, weil ich oft am Hochstapler-Syndrom leide und denke, dass das eh alles nur Glück war und womit ich das, was ich habe, überhaupt verdiene. Dabei ist das Schwachsinn: Hinter allem, was ich tue, steckt extrem viel Arbeit. Ich mache nichts halbherzig. Ich will (und muss) öfter zurückschauen und stolz auf mich sein. Ich verdiene das.
Nein-sagen lernen
Eine Sache, in der ich immer besser werde, ist Nein sagen. Früher habe ich zu allem Ja gesagt, um es allen Recht zu machen. Aber je mehr Zeit vergeht, desto mehr merke ich, was mir wirklich etwas bringt und was Zeitverschwendung ist. Ich lerne, mir meine Kräfte einzuteilen, Aufgaben bis zu einem gewissen Punkt auszuführen, aber Aufgaben auch abgeben und ablehnen zu können.
Zeitverschwendung lernen
Schöne Dinge sollten auch mal Vorrang haben. Ich möchte sie fester in meinen Alltag integrieren: Schwimmen gehen, Sport machen, schreiben und lesen. Beweglicher werden, Zeit mit Freund*innen verbringen, spazieren gehen. Dinge, die mir guttun, sollten genauso wichtig sein, wie To-Do’s, die ich abhake. Ich will lernen wie es ist, wenn man einen Tag lang nichts Produktives gemacht hat und sich trotzdem gut fühlt. Ich will lernen, nichts zu tun. Ich will Balance finden.
Mein Wert ist nicht an meiner Produktivität messbar
Ich bin mehr als das. Diesen Satz sollte ich mir eigentlich wie ein Mantra jeden Tag sagen, damit ich ihn endlich zur Realität mache.
Dieser Post ist eine Entschuldigung an mich selbst (und vielleicht ein Weckruf an diejenigen, denen es ähnlich geht). Keine To-Do-Liste, kein*e Chef*in, keine Abgabe ist es Wert, sich selbst dauerhaft hinten anzustellen. Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben und du musst auf dich aufpassen. Jeden Tag.
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Worte und Grafik (mit Lyrics von Taylor Swift) von Imina.