Dass man sich weiterentwickelt und viele neue Erfahrungen macht, ist wahrscheinlich eines der schönsten Gefühle, die man haben kann und doch so selten bemerken wir es wirklich. Es geht alles doch viel zu schnell. Betrachten wir uns im Nachhinein in den Phasen des Umbruchs, dann sehen wir eine Person vor dem Erlebten und eine Person nach dem Erlebten.
Es ist schön zu sehen, wie weit wir kommen können. Dass manchmal Stagnieren dabei hilft, uns umsehen zu können. Dass wir Ziele neu ausrichten und Entscheidungen voller Elan treffen können.
Doch was, wenn wir uns so arg verändern, dass unser Umfeld kaum mithalten kann – wodurch manche Freundschaften nicht mitziehen können? Dass man sich von Geliebten beim Aufmarsch in das Neue so weit entfernt, dass ein Zurück nur mit dem Aufgeben von Erkenntnissen und der Zurückhaltung vom Neuen erreichbar scheint?
Wenn ich so darüber nachdenke, so wie in den Filmen ist das meistens nicht. Es gibt keinen Moment, in dem klar wird, was das Problem ist. Keinen Punkt, an dem man sich denkt „Jetzt bin ich jemand anderes“. Keinen großen Streit, keine großen Gefühle. Es geht nicht so eindeutig, wenn wir uns doch mitten im Jetzt befinden.
Die Freundschaften, die wir eingehen, halten selten für die Ewigkeit. Das ist auch gut so, denn unterschiedliche Menschen helfen uns auf unterschiedliche Weisen. Wir lernen neu dazu, betrachten Dinge durch die Perspektive der anderen und lernen, mit neuen Erfahrungen umzugehen.
Bereuen wir es am Ende? Ist da nicht der Gedanke, doch in die falsche Richtung gegangen zu sein – Ja, den falschen Menschen den Rücken gekehrt zu haben? Denn ist das, worauf wir uns hinbewegen, auch erfüllend oder nur eine temporäre Veränderung?
Ist es beschlossen, voller Entschlossenheit im emotionalen Affekt?
Sehen wir zurück, betrachten wir nach dem Umbruch eine Person, die noch vieles durchleben wird. Eine Vergangenheit und die Emotionen, die wir dieser zuschreiben. Ja, meistens sind unsere Erinnerungen nicht sehr präzise, was Gefühle angeht. Je nach Grundeinstellung, können kleine negative Ereignisse viele schöne Abschnitte in Schatten hüllen. Der Grund für unser Bewegen ist jedoch immer eine Suche. Die Suche nach Neuem, denn das Alte erfüllt nicht mehr. Wir leben hin und her und suchen nach Dingen, mit denen wir uns brüsten, an den wir wachsen und mit denen wir uns auseinandersetzen können.
Der Grund ist: Manchmal bringen uns Menschen nicht mehr die Erfüllung, die wir uns selbst wünschen.
Es handelt sich hierbei nicht um die Unabhängigkeit und das Gefühl von Kontrolle in jeglicher Situation im Leben. Vielmehr um das Gefühl von Selbstwert und einer Ambition in Sachen Selbstwahrnehmung. Es geht nicht um die Suche, nicht nach jemandem, der sich ändern sollte oder der einem aus der Situation hinaus hilft. Es geht darum, dass man innehält, tief durchatmet und sich fragt, wie möchte ich mich fühlen und wie komme ich dahin?
Manchmal ist es jedoch auch nicht so, dass wir es bemerken, wie schlecht es uns geht. Bindungen sind facettenreich, Menschen lösen die unterschiedlichsten Gefühle ineinander aus.
Doch, ab wann ist es genug? Ab wann ist es nicht mehr empfehlenswert?
Die höchsten Hochs lassen die tiefsten Tiefs in unseren Gedanken verschwinden. Toxische Bindungen sind meistens erst dann so wirklich schwierig, wenn wir einander sehr nah herangelassen haben. Das Verlassen wird schwer, da die Angst mitgeht und zeigt, wie nah uns das doch kommen kann. Es ist nicht der Mensch, der uns an die Bindung hält. Es ist doch meistens die Angst – was, wenn wir dann loslassen, zurückblicken und merken, dass das Gefühl fehlt? Das Befreiende, die Bestätigung, gewachsen zu sein. Dem Ich, zu dem wir hin arbeiten, nicht wirklich näher gekommen zu sein.
Dieser Text beschreibt keine Verachtung gegenüber Menschen, denen man entronnen ist. Er handelt vielmehr von der Form von Respekt, den wir uns alle schuldig sind. Als Hauptakteur unserer eigenen Gefühlslage, sind wir es uns schuldig, mutige Schritte zu gehen. Dem Teufelskreis zu entrinnen und zu bemerken, zu was wir die Möglichkeiten haben. Wenn wir unserem Ich mehr wünschen, als das was uns gerade widerfährt. Weg von dem Selbstmitleid und dem Gefühl des Gefangenseins in Beziehungen und Bindungen, welche schlichtweg nicht mehr dem gerecht werden, was sie eigentlich sein sollten.
Es sollte dir doch gut gehen.
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Fatih ist 20, neben seinem Psychologiestudium versucht er, sich die Lebensqualität so gut es geht zu bewahren und seine impulsiven und meist unüberlegten Handlungen bringen ihn gerne mal in Situationen, die im Nachhinein sehr lustige Geschichten darstellen.
An jedem dritten Freitag alle zwei Monate veröffentlicht Fatih einen Text zu seiner Kolumne „Schlaflos“. Hier beschäftigt er sich mit den Themen, die uns in schlaflosen Nächten wach halten. Bringen Sie uns irgendwie weiter?