Was passiert eigentlich mit uns, wenn wir uns umsehen und das Gefühl bekommen, dass alle um uns herum besser sind in dem was sie tun? Wann sind wir produktiv genug? Sollte ich noch Sport machen heute? Gesund gekocht habe ich auch noch nicht.
Wir sind alle aus unserem Alltag gerissen worden. Sollte das nicht heißen, dass wir endlich ruhigen Gewissens durchatmen können?
Wir sind isoliert und haben nichts mehr wirklich Greifbares. Keinerlei Kontakt zu den üblichen Aktivitäten, die wir sonst hätten. Also bleibt uns niemand wirklich zum Vergleich mehr, außer die Vorstellung von den Dingen, die wir von unserem Umfeld haben oder das, was uns über Soziale Medien vermittelt wird.
Es gibt zur jetzigen Situation keine Norm. Keine Orientierung.
Wir sitzen alle in 4 Wänden, egal wo und egal ob mit oder ohne Gesellschaft, es fühlt sich nicht gleich an. Die Freiheit ist eingeschränkt. Denn umso länger das geht, umso stärker wünscht man sich das Neue.
Das einzige legitime Fenster zur Außenwelt sind doch die Bildschirme, die wir haben. Die Isolation stellt uns in eine Position, in der wir bemerken können, wie sehr wir uns eigentlich vergleichen.
Es ist so gesehen unsere einzige Möglichkeit zu sehen, wie und womit sich unsere Altersgruppe die Zeit vertreibt. Aber was mir extrem auffiel ist, dass viele sich jetzt nur noch fragen „wie werde ich produktiver“, der Leistungsdruck sitzt mir tief im Nacken. Zu sehen wie andere ihre Zeit mit Vorlesungen, Zusammenfassungen und Karteikarten verbringen, gibt mir das Gefühl, ich hinke hinterher. Alles was ich tue, wird meinen Leistungswünschen nicht gerecht werden. Das Gefühl, welches aufkommt, wenn man den Satz „Ich habe auch noch nicht angefangen“ hört. Das fehlt. Auch wenn das nur symbolisch scheint, die Beruhigung und Entschleunigung, von der die meisten sprechen fehlt, wenn es um die Leistung geht.
Was machen eure Freunde?
Es ist nicht mehr so, dass wir Input passiv erleben können. Wir setzen uns nicht mehr in eine Klasse, eine Vorlesung, Restaurant, Bar oder sonst einen mit Menschen befüllten Raum. Dabei würde um uns herum etwas passieren.
Doch alles, was uns jetzt passiert, wird durch uns überwiegend aktiv ausgelöst. Ob das jetzt der tägliche Spaziergang oder der wöchentliche Einkauf ist, es steht mehr oder minder auf dem Plan und wirklich auslastend fühlt es sich meist auch nicht an.
Das gewisse Selbstgefühl kommt nicht mehr von außen, Keine Bestätigung. Kein großer Austausch von Angesicht zu Angesicht, obwohl das ja auf unserer Natur basiert. Wir leben nicht für andere, dessen sind wir uns bewusst. Aber was behalten wir als Messung? Was ist noch als okay und was als nicht okay anzusehen? Habe ich genug gemacht heute?
Wir setzen uns durch, wir nehmen uns in Schutz, ich habe genug geleistet, das reicht.
Wenn der ganze Tag, jeden Tag offen steht. Dann aber doch nur, um dem Druck von allen Stand zu halten.
Okay also was nun? Arbeiten wir jede Vorlesung sofort nach, antworten auf jede E-Mail direkt, lernen eine neue Sprache, lesen jedes Buch was noch so herum liegt, machen Kunst bis keine leere Seite mehr bleibt? Doch während wir das tun, kommen die Wände immer näher und im Vergleich wird der Bildschirm immer größer. Doch auf dem Bildschirm steht weiterhin, dass wir diese Zeit nutzen müssen.
Aber ich will doch einfach nur durchatmen.
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Fatih ist 20, neben seinem Psychologiestudium versucht er, sich die Lebensqualität so gut es geht zu bewahren und seine impulsiven und meist unüberlegten Handlungen bringen ihn gerne mal in Situationen, die im Nachhinein sehr lustige Geschichten darstellen.
An jedem dritten Freitag alle zwei Monate veröffentlicht Fatih einen Text zu seiner Kolumne „Schlaflos“. Hier beschäftigt er sich mit den Themen, die uns in schlaflosen Nächten wach halten. Bringen Sie uns irgendwie weiter?