Ariana Grande singt „God is a woman“, unsere Kanzlerin ist eine Frau, Frauen besetzen IT-Lobare und Finanzbörsen. Immer mehr wird der Vorschein erweckt: Feminismus, das können wir. Statt Kinder, Küche, Kirche, wollen immer mehr Frauen an die Spitze – das heißt, heute wird nach „Karriere und aufsteigen“ gerufen. Doch welche Frauen sind es, die wir im Fernseher sehen, die uns zeigen wollen, dass wir einen feministischen Erfolg erleben? An wen denken wir, wenn wir an Frauen denken? Und: Welche Frauen werden sichtbar gemacht, welche verdeckt?

Der globalisierte Neoliberalismus erfindet seinen eigenen Feminismus und seine eigenen Feministinnen
Mit dem Einschalten des Fernsehers sehen wir Frauen, die vermeintlich ganz oben stehen. Frauen, die im Reichtum leben und das politische Geschehen mitbestimmen.
Aber diese Frauen sehen nicht aus wie ich; sie sind mehrheitlich weiß und gehören der aufsteigenden Mittelschicht an. Es sind diese „Alpha Frauen“, die wir sehen dürfen. Frauen, die miteinander konkurrieren und die in erster Linie erwerbstätige Konsumentinnen sein sollen. Christa Wichterich kommentierte 2007 in der taz: „Der globalisierte Neoliberalismus erfindet seinen eigenen Feminismus und seine eigenen Feministinnen.“ Und so werden Chefinnen, die ihre Arbeiterinnen ausbeuten, Stars, die in überirdischem Reichtum leben, kurzerhand für „Feministinnen“ erklärt. Darauf folgt die Message: Feminismus können wir schon längst. Brauchen wir nicht mehr.
Was ist jedoch mit der eingewanderten, nicht-weißen Frau, die tagsüber als Putzkraft arbeitet und sich abends noch Gedanken darüber macht, wie sie und ihre Familie den nächsten Tag überleben sollen? Diese Frau kümmert es nicht, ob ihre Chefin nun eine Frau ist, sie feiert dies nicht als Erfolg. Denn ob nun eine Frau sie schlecht bezahlt oder ein Mann es tut – Sie hat existentielle Sorgen und weiß, dass sie von diesem vermeintlich feministischen Erfolg nichts hat.

Ist jede*r des eigenen Glückes Schmied?
Die Herrschaftskritik, die feministische Denkerinnen ausmachte, verblasst. Nach dem Motto „Jeder ist des eigenen Glückes Schmied“ wird Frauen gesagt: Wenn ihr wollt, könnt ihr. Also braucht ihr Herrschende und das System nicht mehr zu kritisieren.
Doch kein Mensch kann sich seine Ausgangssituation aussuchen. Die eingewanderte, nicht-weiße Frau, hatte nie die Chance, die gleiche Bildung zu genießen wie ihre Chefin. Sie hatte nie die Gelegenheit, aufzusteigen, sie musste stets arbeiten.
Statt sich damit zufrieden zu geben, dass nun eine Chefin die Putzkraft schlecht bezahlt, sollten wir gemeinsamen gleiche Chancen für alle Frauen einfordern; wir sollten kritisieren, dass diese Frau trotz ihrer Arbeit noch existentielle Sorgen hat.
Für Feminismus müssen wir noch kämpfen
Solange nicht alle Frauen unterschiedlichster Herkunft, Sexualität etc. befreit werden, müssen wir weiterkämpfen. Uns gemeinsam von patriarchalen Strukturen befreien und für alle Menschen ein lebenswertes, sicheres Leben einfordern.
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Gastgedanken von Hevidar Isik.
Gestaltung von Imina.
Collagen und Schnipsel aus „Mädchen – Das Aufklärungsbuch“ von Franziska Krauch & Antje Kunstmann, 1991 und dem „Ratgeber“, 1967
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