Mit durchschnittlich 11,8 Jahren fangen Mädchen an, sich zu schminken und über 80% der Menschen benutzen täglich Beauty-Produkte. Im Alter von 10-14 Jahren schminken sich lediglich 27% der Menschen, doch bei 15-20 Jährigen nutzen nur 21% selten bis nie Make-up. Also: etwa vier von fünf der heranwachsenden Frauen schminken sich beinahe täglich, was sehr erschreckend ist. Denn es gibt unfassbar viele Gründe, welche für die Natürlichkeit sprechen, finde ich!
Wer ist das?
Ich gehöre nicht seit jeher zu den 21% der ungeschminkten jungen Frauen. Ich habe mich ab der 6. Klasse täglich vor der Schule geschminkt und erinnere mich noch ganz genau an eine Situation, über die ich im Nachhinein nur lächeln kann.
Als ich eines Morgens in der Schule ankam, bekam ich zu meinem Erschrecken mit, dass ich den Fototermin für das Jahrbuch vergessen hatte, welcher alle zwei Jahre anstand. Dazu war es mein erstes Jahrbuch-Shooting auf dem Gymnasium und natürlich sollte dieses als Erinnerungsstück besonders schön werden. Als meine Freundinnen die Situation bemerkten, wollten sie mir aushelfen und baten mir all ihre Schminke an. Natürlich nahm ich den Lidschatten und das Rouge dankend an und kleisterte mich ein. Mit „neuem“ Gesicht konnte ich selbstbewusst zum Fototermin erscheinen und stellte mein breitestes Grinsen zur Schau.
Leider fragt man sich beim Angucken der Fotos heute, wer dem Kind denn die Schminke nicht weggenommen hat.
Eine weitere prägende Geschichte aus meiner Schulzeit trug sich auf meiner Studienfahrt zu. Im Gruppenbad der Frauen schaute mich beim Zähneputzen auf einmal aus der Dusche herausgebeugt ein Mädchen mit Handtuch auf dem Kopf an und sprach zu mir. Ich erkannte sie nicht. Im ersten Moment war ich überfordert und fragte mich, ob sie wirklich mit mir redet. Doch das musste sie, weil ich nach einem verwirrten Umherschauen feststellte, dass ich die Einzige dort war. Nachdem die Verwirrung abließ, erkannte ich sie: Es war eine Mitschülerin, die ich noch nie zuvor ungeschminkt gesehen hatte.
Warum ich schmink-frei bin
Ich bin ein rötlicher Haartyp, weshalb meine Augenbrauen nach außen hin so hell werden, dass man sie kaum sehen kann. Das war damals für mich ein Grund sie nachzumalen, was ich heute nur noch an Tagen mache, an denen ich mich unwohl mit meiner Gesichtshaut bzw. unausgeschlafen fühle.
Mit 16 Jahren erzählte ich meiner Friseurin von meinem „Augenbrauen-Problem“ und diese bot mir direkt an, die Brauen meinem Typ entsprechend zu färben. Ich probierte es aus und war begeistert! Endlich sah man mir an, dass ich volle Augenbrauen besitze, was einem Gesicht viel Kontur verleiht. Außerdem fragte sie mich, ob wir nicht auch noch meine blonden Wimpern färben wollten, wenn wir schon einmal dabei seien. Mit dem Ergebnis war ich außerordentlich glücklich und schaute gerne in den Spiegel.
Das Färben zeigte sich nicht nur sehr positiv hinsichtlich meiner Psyche, sondern ebenso praktisch im Blick auf die ersparte Zeit am Morgen und am Abend. Ich musste mich nicht mehr schminken, abschminken und über den Tag aufpassen, dass ich nichts verschmiere. Besonders als Allergikerin war es für mich im Sommer sehr unangenehm geschminkt zu sein, wenn die Augen extrem jucken.
zSomit war das Ersetzen von Schminke durch Färben meiner Augenbrauen und Wimpern der erste Schritt in Richtung ungeschminkt sein.
Aus Schritt Nummer eins ergab sich ganz von allein der zweite.
Langsame Akzeptanz
Beim schleichenden Herauswachsen der Farbe, welches ungefähr vier Wochen dauerte, konnte ich mich unbewusst an den Anblick von immer weniger „Schminke“ gewöhnen. Für mich wurde mein ungeschminktes natürliches Gesicht zur Gewohnheit und ich fand mich schön. Ich hatte absolut keinen Grund mehr darin gesehen, wieder das Schminken anzufangen, weil der schleichende Prozess für mich keine extreme Veränderung aufzeigte, an die ich mich hätte gewöhnen müssen.
Und außerdem: Meiner Meinung nach dürfen Pickel gezeigt werden, denn jeder hat sie mal und sie sind ganz natürlich! Und: Sie verabschieden sich umso schneller, je weniger Beachtung man ihnen schenkt.
Mit Schminke auf dem Gesicht fühle ich mich schlichtweg unwohl. Denn ich kann mir nicht gedankenlos ins Gesicht fassen und trage so etwas wie eine zweite Haut auf mir. Einerseits finde ich es schade, weil mir das Schminken an sich Spaß bereitete, weshalb ich es manchmal nach Lust und Laune noch mache. Allerdings erschrecke ich danach beim Blick in den Spiegel, weil ich mich geschminkt nicht mehr hübsch finde und möchte mich am liebsten direkt wieder befreien. Das bin einfach nicht mehr ich.
Text von Anna. Sie ist ein Dezemberkind und 22 Jahre jung. Sie hat ihr Abitur 2015 absolviert und entschied sich bewusst für ein freiwilliges soziales Jahr bei einer Gesellschaft für integrative Sozialleistungen, welches ihr so gut gefiel, dass sie es verlängerte. Danach suchte sie nach einem neuen Abenteuer, dass sie in Australien als Au Pair fand. Zum Wintersemester 2017 nahm Anna ihr ersehntes Förderpädagogikstudium mit dem Nebenfach Mathematik auf.