Immer wieder lande ich bei dieser Frage. Sie zermürbt mich, obwohl ich eigentlich weiß, wie die Antwort lautet.
Ich darf. Ich darf glücklich sein.
Ich darf Dinge nur für mich tun. Ich darf für meine Meinung einstehen. Ich darf mein selbst verdientes Geld für mich ausgeben. Ich darf Entscheidungen treffen, ohne mich dafür rechtfertigen zu müssen. Ich darf meinen eigenen Weg gehen.
Das alles weiß ich. Eigentlich. Und doch fällt es mir fast immer schwer, mir das zuzugestehen.
Ich spreche in der Innenstadt mit einem Obdachlosen, kaufe ihm eine Mahlzeit, gebe ihm Geld für eine Zweite. Ich verabschiede mich, gehe weg und weine ein bisschen, denn seine Lebensweise geht mir nah. Nicht nur seine.
Und in diesem Moment, als ich wieder daran denke, dass ich hier in der Innenstadt bin, weil ich für mich etwas Schönes kaufen wollte – dass ich gerade eben noch traurig war und mich arm gefühlt habe, weil ich mir einen Pulli nicht leisten konnte – dass ich quasi sinnlos mein Geld ausgeben wollte, um mir ein Glücksgefühl zu verschaffen – in diesem Moment überwältigt mich die Frage.
Darf ich das?
Darf ich mir erlauben, mich glücklich zu machen, wenn es anderen Menschen so schlecht geht?
Darf ich mein Geld ausgeben für etwas, was ich einfach nur schön finde, aber nicht wirklich benötige, wenn andere Menschen nicht einmal Geld für ihr Abendbrot haben?
Mir ist bewusst, dass ich solche Dinge oft intensiver spüre als Andere. Dass ich für Leid hypersensibel bin und mich mit meiner dünnen Haut in den Gefühlen Anderer verlieren kann.
Eigentlich ist das schön. Ich merke, wenn es Menschen schlecht geht, und kann ihnen helfen. Genauso können aber ihre Glücksgefühle auch auf mich überspringen.
Doch in diesem Fall bin ich gelähmt von der Frage nach dem Glück – meinem und dem Anderer.
Dann brauche ich jemanden, der mich auf den Boden zurückholt. Der mir sagt, dass ich darf. Diese Bestätigung braucht es.
Und ich weiß, ich darf. Ich darf glücklich sein, denn ich bin nicht verantwortlich für andere Menschen. Ich gebe mir viel Mühe, gut zu jedem zu sein, der es auch zu mir ist, und weiß, dass das genug ist.
Bin ich nicht glücklich oder zufrieden, oder habe ich mein letztes Hemd gegeben, um jemandem zu helfen, bin ich mittellos. Ein hilfloser Helfer. Das nützt dann niemandem mehr.
Also darf ich nicht nur – ich muss.
Martje ist 19. Sie bäckt, singt und versucht, das Leben auf sich regnen zu lassen.