Alles niederzuschreiben, was ich momentan denke und fühle, passt auf kein weißes Blatt Papier.
Man sagt immer, dass der Sommer nach dem Abi, vor dem Studium, eine der besten Zeiten wird. Mir fällt es schwer, mich dieser Vorstellung anzupassen. Klar Denken geht momentan fast gar nicht, obwohl mich nichts daran hindert. Meinen letzten Schultag im April habe ich nicht miterlebt, weil mir vor Fieber die obere Schädeldecke nahezu explodiert ist.
Doch dann war erstmal ein bisschen Frühling, die Zeit war einfach schön, über irgendwelche Prüfungen habe ich mir nicht viele Gedanken gemacht aber sie trotzdem geschafft. Nach meiner letzten Prüfung war es dann schon Ende Mai. Ich kam nach Hause und dachte: jetzt wird es richtig, richtig schön – weil man eben sagt, dass das immer so ist.
Gerade mal eine Woche hat diese Euphorie angehalten. Danach war jeder Tag mehr und mehr eine Last. Schon vor den Prüfungen war der Verlust dieser Routine, jeden Tag in die Schule gehen zu müssen, irgendwie befremdlich, aber durch das Abi war ich erstmal beschäftigt und dieses befremdliche Gefühl hatte im Kopf nicht so viel Platz. Als die Prüfungen vorbei waren und ich von einen auf den anderen Tag dann überhaupt keine Verpflichtungen mehr hatte, war ich irgendwie bodenlos. Nicht, weil ich traurig war, endlich mal entspannen zu können und nichts machen zu müssen, sondern weil der Kopf frei war und plötzlich all das angekrochen kam, was lange irgendwo in einer Schublade verstaut war.
Auf einmal war Platz für all die Gedanken, denen ich mich eigentlich nie stellen wollte. Der Begriff „Zukunftsangst“ wäre der falsche; was mein Studium betrifft, bin ich mir über vieles sicher und es sieht auch was die anderen Umstände betrifft nicht schlecht aus.
Vor was ich Angst habe ist Verlust. Wir verstreuen uns. Obwohl noch nichts passiert ist, fühle ich mich trotzdem schon allein. Vieles, was ich momentan mache, fange ich schon an unter Erinnerung ad acta zu legen. Alles, was mein bisheriges Leben war, Routinen, Abläufe, Rituale, für und bei Menschen einen Namen und einen Platz haben – damit muss ich bald nochmal von vorn anfangen. Ich habe das Gefühl, das jetzt der Beginn vom Rest meines Lebens stattfinden wird.
Ich will eigentlich nichts als abwarten; aufhören nachzudenken und das Schicksal regeln lassen. Meine Oma sagt immer: Kommt Zeit, kommt Rat. Nur die Zeit vergeht nicht und alle erdenklichen Decken fallen mir gerade auf den Kopf. Ich will am liebsten nichts, als einfach im Moment sein. Aber auch der ist gerade ziemlich schwer erträglich. Hitze macht mir extrem zu schaffen (ja, nicht nur Winter kann depressiv machen) und meine Pollenallergie ist dieses Jahr so stark, dass ich mich nicht allzu lang im Freien aufhalten kann. Ich möchte die übrigbleibenden Tage an einer Hand abzahlen können, aber so viele Finger wie übrige Tage habe ich nicht. Aber ich weiß auch, dass ich mich für diesen Weg entschieden habe und wenn dieses momentane Tief ein Teil von ihm ist, dann ist es eben so.
Was ich aber auch sagen will: seid ehrlich zu euch selbst. Nur weil Sommer ist und jeder gut drauf sein muss, müsst ihr das noch lange nicht. Und auch die oft auf Instagram und Co. angepriesene Lebens-Positivity kann toxisch werden. Wenn es euch nicht gut geht, dann ist die Einsicht darin und die Akzeptanz, dass es gerade so ist wertvoller und besser für euch, als alles wegzureden und euch selbst zu guten Gedanken zu zwingen – „stay positive“ klappt eben nicht immer.
Ich weiß nicht, was ich noch schreiben soll, weil mein Hirn momentan Matsch ist. Aber ich denke auch das ist gut: wenn man nicht schreiben kann, dann eben darüber zu schreiben, dass man gerade nicht kann. Kommunizieren, wie es einem gerade geht. Zuhören, wie es anderen in dieser Situation geht. Einsehen. Zu sich selbst sagen: so ist es gerade – und auch das geht vorbei.
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Der Text ist von Dominik.
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