Das soll jetzt kein pseudointellektueller Mist werden – eine 19 Jahre junge Studentin, die glaubt ihre ganze Generation verstanden zu haben und die Weisheit mit Löffeln gegessen zu haben. Nein, genau das wird es eben nicht werden. Mir sind jedoch in der letzten Zeit verschiedenste Sachen aufgefallen. Ich studiere eigentlich Jura und lebe das klassische Studentenleben, bestehend aus Alkohol, Konsum, essen, schlafen und eher weniger lernen.
Ich bin mit einer blauäugigen Vision an die Uni gegangen und habe geglaubt, alle würden wie einst Rudi Dutschke an die Uni gehen, um wirklich was zu ändern und dass wir die Generation sein werden, die alles besser macht. Stattdessen erwartete mich eine Armee von Studenten, selbst an einer recht kleinen und überschaubaren Universität, die alle so schnell wie möglich am besten in Regelstudienzeit und ohne Umwege schnurstracks zum Examen oder zum Bachelor wollen. Keine Zeit verlieren, kein Abbiegen, kein Ausprobieren und kein Interesse daran die Welt zum Besseren zu ändern. Genau diese Menschen wollen einfach nur ihren Platz in der Welt und den möglichst schnell und ohne Umwege.
Und dann ist da dieser andere Sorte von Studenten, die von dem einen NC-freien Studiengang in den Nächsten wechseln und den Status des Studenten niemals im Leben aufgeben wollen. Sie studieren im dritten Bachelorstudiengang, jetzt im sechsten Semester, kennen die halbe Stadt und die halbe Stadt kennt sie. Aber dieser Typ Student hat nicht den Spirit, den ich mir an der Uni erhofft hatte.
Wo bleibt das Revolutionäre, das Fortschrittliche, wofür eine Universität stehen soll, wieso will jeder nur noch reinpassen, nicht mehr auffallen, nicht mal zu laut sein, nicht mal provozieren und nicht für Etwas einstehen.
„Was für ein gespaltenes, geschichtsloses, finanziell reiches, geistig immer ärmer werdendes Volk ist existent in diesem Staat“
In der Zeitschrift „Das da“ unter dem Pseudonym R. Bald (Rudi Dutschke)
Wir könnten die Generation sein, die wieder etwas macht. An Problemen auf der Welt mangelt es uns wahrlich nicht, aber man will sich nur oberflächlich drüber unterhalten. ,,Hast du das mitbekommen, mit der Flüchtlingskrise?“ ,,Ja klar, habe mein Refugees Welcome Shirt schon bestellt, und meinen Jutebeutel mit Kein Mensch ist Illegal auch, das muss dann aber auch reichen, mich wirklich mit den Problemen beschäftigen möchte ich nicht, da müsste ich dann ja mal was lesen und mich nervt der Unikram schon genug, lieber die neue Netflix Serie reinziehen.“
Das war jetzt überspitzt dargestellt, ich möchte hier Niemanden mit den genannten Artikeln in einen Topf werfen, aber mit einer plakativen Message (auch wenn sie gut ist) lösen sich leider keine Probleme. Wir brauchen wieder Leute, die sich nicht nur pseudomäßig mit Problemen auseinandersetzen, sondern solche die Lösungen für Probleme finden.
„Warum sind ich und meine ganze Generation so depressiv? Wir sind jeden Tag umgeben von lebenden Toten umgeben von Schildern, die uns sagen: Betreten verboten! „
Samy Deluxe (Weck mich auf)
Das ist ein Zitat aus einem Song, der 2001 veröffentlicht wurden und er ist immer noch aktuell. Wie kann es sein, dass meine Generation so stark auf die Betäubung von allem setzt. In den 90ern wurde Heroin gespritzt und Koks gezogen, dass passiert zwar heute auch noch, aber was meine Generation für sich entdeckt hat sind Mittel wie Codein (Wirkstoff aus einem Hustensaft), Xanax, Antidepressiva und generelle Beruhigungsmittel.

Bricht man es mal runter – wieso hat eine Generation offensichtlich den Hang dazu sich zu beruhigen und zu betäuben? Liegt es am Druck, an der Perspektivlosigkeit einer unberechenbaren Digitalisierung, ist es die Dramatik, dass wir alle sterben, wenn es so weiter geht mit unserer Menschheit oder ist es ganz schlicht und einfach gesagt Angst?
Eine Generation inmitten einer gespaltenen Gesellschaft.
Wir sind die Zukunft, nicht irgendwelche Politiker, die so neunmal klug ihre Reden schwingen, damit sie wiedergewählt werden. Wir müssen schlauer sein, verstehen dass das egal ist, es geht darum was jeder Einzelne erreichen und verändern kann. Wir müssen zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen. Werdet vegan oder lasst es bleiben, aber was genau Ihr auch macht, ihr müsst euch klar machen und spüren, dass wir unsere Zukunft selbst in der Hand haben.
Ich glaube ganz fest daran, dass man etwas ändern kann.
Und ich weiß, dass wir das können.
Eure Lotte
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Lotte ist 19 Jahre alt und hat meist zu viele Gedanken in ihrem Kopf, die sie aufzuschreiben und zu ordnen liebt. Mit diesem offenen Brief an Ihre Generation möchte sie ein paar wach rütteln die vielleicht schlafwandelnd durch ihr Leben gehen. Ein paar animieren sich wieder für etwas einzusetzen, auch mal einen Umweg zu gehen und vielleicht auch mal falsch abzubiegen und zu ermutigen das genau das zum Leben dazugehört.