Gastgedanken, Selbst & Inszenierung
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Ich bin (niemals) gut genug.

Niemals gut genug
& was Musik mir bedeutet

Meistens kann ich, wenn ich unterwegs bin, in der Bahn sitze oder durch die Stadt laufe, keine Musik hören. Es ist mir zu viel, zu laut, es nervt mich. In Geschäften würde ich am liebsten alle Lautsprecher, aus denen Charts dröhnen so lange anschreien, bis jemand sie ausmacht.
Ich liebe Musik unglaublich unfassbar unschlagbar.

Aber nach 8 Stunden Musik machen, wahrnehmen und hören – jeden Tag, 7 Mal die Woche – genieße ich jede Minute Ruhe.
Für dich ist Musik vielleicht ein Ruhepol, ein Ausgleich, es macht Spaß, sie zu hören und ist einfach schön. In meinem Leben gab es viele Momente, da hätte ich meine Geige am liebsten auf den Boden geschmissen und meine Geigenlehrerin angeschrien, warum ich jetzt zum zehnten Mal diese eine Stelle wiederholen soll; wenn sie immer noch nicht gut genug intoniert war, dann kann ich es anscheinend einfach nicht! Einmal habe ich meinen wertvollen Bogen tatsächlich vor Wut auf mich selbst, da ein paar Takte einfach nie so geklungen haben wie in meinem Kopf, so auf den Boden geschlagen, dass er brach, splitterte & nicht mehr repariert werden konnte.

Ich schäme mich dafür, denn diesen Bogen habe ich fast genauso unglaublich unfassbar unschlagbar geliebt wie meine Geige.
Oft war ich kalt und schlecht gelaunt, wenn mein Lehrer mir zum bestimmt hundertsten Mal sagte, dass Takt 15 immer noch nicht im Tempo bleibt & der Anfangsakkord nicht breit genug ist, nicht genug Bogen & die Oktaven aber wie immer zu viel Bogen hatten.

Ich glaube ich bin keine einfache Schülerin, aber wie kann es sein, dass auch wenn ich schon den ganzen Bogen nutze, dies immer noch nicht genug ist?

Es macht mich wütend, so wütend auf mich und meine Fähigkeiten, die nie genug sind & für die Prüfung aber hundertprozentig PERFEKT SEIN MÜSSEN.

Warum kann ich nicht einmal gut sein, nicht einmal gut genug?
Warum ist die Konkurrenz so hart und lässt mich nicht einfach mit aller Liebe, die ich in mir habe, spielen?
Denn davon habe ich genug, ich liebe meine Geige so sehr, dass es unglaublich unfassbar unschlagbar doll wehtut, wenn ich nicht gut genug bin. Niemals gut genug sein werde. Was ist, wenn all der Schmerz umsonst ist und ich am Ende ohne Studienplatz dastehe?
Was ist, wenn kein Geigenprofessor mich unterrichten will, weil meine Technik zu schlecht ist & mein Gesicht zu unsicher?
Ich will doch nur Musik machen und bewegen.
Wieso wird meine große Liebe zum Kampf, Schmerz und Hass?
Wieso dreht sich mein gesamtes Leben nur noch um Angst & Panik, obwohl ich doch einfach nur tue was ich liebe?

Antonia

beginnt jetzt, an der UdK in Berlin Geige zu studieren.

Ich bin genug

ich bin genug
und mit all meinen schwächen
bin ich genug

ich bin genug
und auch wenn ich oft das gefühl habe
ich sei es nicht
bin ich immer genug

ich genüge
immer

und vielleicht verstehe ich meine schönheit nicht
vielleicht sehe ich nicht klar genug

wie unglaublich schön ich bin

und mich irritieren diese liebenden augen, die mich anschauen, als sei ich genug
ich verstehe sie oft nicht

doch genau mit diesen augen muss ich mich anschauen
ich genüge

ich muss nicht sie sein
nicht ihr schönes lächeln haben

denn mein lächeln macht menschen die ich liebe glücklich
wieso sollte ich mein lächeln dann ändern wollen?

ich genüge
die richtigen menschen werden das immer wissen
sie werden meine schönheit verstehen

um schön zu sein muss ich nicht leiden
wer hat mir das eingeredet?
Ich muss nur klarer schauen

und irgendwann wenn ich mich traue genau hinzuschauen
werde ich es erkennen
und ich werde trauern weil ich nicht früher erkannt habe
nicht klar genug gesehen habe
nicht sehen wollte

wie unglaublich schön ich bin

ich bin genug

Anonym

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Grafik und Bearbeitung von Imina.

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