Wer kennt es nicht: Nach Hause kommen und von einem Berg an dreckigem Geschirr und dem berühmten Stuhl, auf dem sich Klamotten über Klamotten stapeln, begrüßt werden. Auf dem Schreibtisch sieht man vor lauter Arbeitsblättern, Mappen, Stiften und sonstigem Kram die Oberfläche nicht. Das Regal ist gefüllt mit lauter Das kann ich bestimmt irgendwann noch gebrauchen-Zeug. Doch nicht nur vor uns, sondern auch in unseren Köpfen kreisen die Gedanken und scheinen überhaupt nicht zum Stillstand zu kommen: Was muss ich als nächstes machen? Etwas für die Schule oder die Uni vorbereiten? Kochen? Nein, dann muss ich ja erst noch abspülen. Und neben diesem ganzen Trubel sind wir dauerhaft am Handy, schauen Snapchat-Stories, die uns nicht wirklich interessieren und vergeuden unsere Zeit beim stundenlangen Scrollen durch die Weiten Instagrams.
Diese ganze Unordnung bedeutet nur eines: Stress. Und den haben wir gleich, wenn wir aufwachen und als erstes das Chaos sehen, das uns umgibt. Das erzeugt sofort schlechte Laune, raubt Energie, lenkt uns von den eigentlich wichtigen Gedanken ab und führt uns in die Sackgasse mit dem Titel „Das läuft falsch, das ist dreckig, das muss ich machen (…)“. Und schwups, schon haben wir uns im Chaos verloren und der eigentliche Fokus ist flöten gegangen.
Deshalb fängt das Thema Minimalismus hier an: Im Kopf. Denn zu allererst muss hier aufgeräumt und das Mindset geändert werden – dann können wir immer einen Schritt weiter gehen. Für den Anfang ist es gut, in sich zu gehen und sich folgende Fragen zu stellen: Was ist wirklich wichtig? Was muss erledigt werden? Was hat noch Zeit? Was lenkt mich vom Wesentlichen ab? Mein Handy? Der unaufgeräumte Schreibtisch? Dass ich mein Lieblings-Shirt im Kleiderschrank nicht finde?
Die heutige Konsumkultur trichtert uns dauernd ein, dass wir genau diese Jeans oder genau diese Sonnenbrille brauchen, um glücklich zu sein, uns gar vollkommen zu fühlen und das Leben erst so richtig genießen zu können. Also kaufen wir mehr, mehr, mehr Zeug, in der Hoffnung, dass es uns damit irgendwie besser geht.
Aber muss man dann nicht anderweitig ansetzen? Denn offenbar fehlt uns ja etwas, dass wir mit Konsum zu füllen versuchen? Vielleicht glauben wir ja, dass wir mit genau dieser Jeans viel besser aussehen: Doch fehlt uns dann nicht einfach Selbstbewusstsein? Müssen wir dann nicht woanders ansetzen?
Geh einfach mal in dich, und überleg‘ dir, was du eventuell zu verdrängen versuchst: Ein Problem, dass du schon länger hast oder eine Konfrontation, die du schon ewig vor dir herschiebst. Sei ehrlich zu dir selbst, anstatt noch mehr Staub auf nie benutzten Cremes, die sich im Badezimmerschrank türmen, anzusammeln.
Sobald wir (zumindest ein bisschen, schließlich ist das ein Prozess, der nicht von heute auf morgen getan und abgehakt ist) in unseren Köpfen ein wenig ausgemistet und umgeräumt haben, widmen wir uns unserer Umgebung.
Denn wie kommt es, dass wir die ganze Sache anders angehen, wenn wir Gäste erwarten? Wenn eine Freundin sich ankündigt, wird auf einmal hysterisch aufgeräumt, alles in irgendwelche Schränke geschmissen. Bloß nicht unordentlich wirken. Und das alles nur, weil wir heimlich den Anschein erwecken wollen, wir hätten unser Leben voll im Griff.
Doch sind wir uns ein schönes, sauberes, aufgeräumtes Zuhause nicht auch selbst schuldig? Ist es nicht schön, aufzuräumen und es einfach schön zu haben? Warum sollten wir denn nur bemerken, wie wohl wir uns in einem aufgeräumten Zuhause fühlen, wenn wir für Gäste aufräumen? Warum verdienen nur unsere Gäste eine schöne, aufgeräumte Wohnung? Warum nicht wir selbst?
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Text und Illustrationen von Imina
im Rahmen des minimalismus mai