Gastgedanken, Liebe & Triebe
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Und ich habe nicht gewartet

Es fällt mir schwer, daran zurückzudenken, was ich mir früher unter dem Begriff ,,erstes Mal‘‘ explizit vorgestellt habe. Ich weiß nur, dass ich diesbezüglich schon immer ein gewisses Interesse empfand, bzw. neugierig war.

Es wurde über das vermeintliche Liebe-Machen gesprochen, wie man mit dem ersten Freund oder der ersten Freundin auf Dates geht, dann der ersten Kuss und schließlich das Petting  bis hin zum heiligen ersten Mal. Und wie das sein kann, dass es trotz anfänglicher Unsicherheiten und Schwierigkeiten unbeschreiblich schöne Gefühle in einem wecken kann. Einfach das Gefühl von Liebe, von unantastbarer Innigkeit. Aber auch, dass man sich sicher sein muss und dass man all das auch wirklich will.  Ich wollte in meiner damaligen Situation wissen, wie es sich anfühlen würde. Ich wollte so etwas auch spüren. Und ich habe nicht gewartet.

Denn ich war 14, als es passierte. Und nicht bereit, nein, auf keinen Fall. Der Junge, mit dem es geschah, ein guter Freund von mir, war es wahrscheinlich auch nicht, denn wir sprachen über das Thema nie wieder. Er wollte ebenfalls wissen, wie Sex so ist, und so fassten wir, vom einen auf den anderen Tag, ohne Nachzudenken und ohne besondere Bindung, den Entschluss, wir könnten doch miteinander schlafen, so hätten wir es hinter uns. Sein Interesse stammte allerdings aus schätzungsweise hunderten von desillusionierenden Pornos. Letzten Endes dauerte mein erstes Mal vielleicht ganze 20 Sekunden. Dass es kurz werden könnte, wusste ich, doch so kurz nun auch nicht und ich bin mir bis heute nicht sicher, ob man das ernsthaft als Sex betiteln kann. 

Und all das, was ich mir vorstellte, oder viel mehr gewünscht hatte zu fühlen, trat nicht ein.

Ich wollte etwas fühlen. Ich war 14, hatte von Selbstverletzungen übersäte Hüften und übergab mich täglich. Ich fühlte mich entweder leer oder zerberstend vor Gefühlen, die meist unerträglicher Natur waren. Beide Zustände missfielen mir und ich hoffte, durch Sex endlich etwas Positives, ja vielleicht sogar Erfüllendes fühlen zu können. Aber nein.

Das bewies mir auch der darauffolgende Junge. Denn in den war ich, im Gegensatz zum Ersten, verliebt, oder eher gesagt verknallt. Er aber nicht in mich. Und ich wusste, würde ich nicht tun, was er verlangte, würde er einfach gehen. Und das wollte ich in meiner früheren Lage nicht, also tat ich es wieder. Ich stellte mich zur Verfügung, ich war nicht mehr als ein Objekt. Dieses Mal war der Akt selber auch wieder von kurzer Dauer, jetzt aber aufgrund eines geplatzten Kondoms nach wenigen Minuten. Panik breitete sich in meinem 14-jährigen Ich aus und so fuhr ich, natürlich ohne ihn,  in das nächste Krankenhaus und besorgte mir die Pille danach. Reine Vorsichtsmaßnahme. Meine Eltern bekamen nichts mit, wie auch hätte ich ihnen sowas erzählen sollen.

Da war ich nun, mit 14, hatte mit zwei Jungs Sex gehabt oder eher gesagt es versucht und war für mich durch mit dem Thema. Ich mochte Sex nicht. 

Ich war dann 15 und auch mit meinem wirklich ersten richtigen Freund, wurde es nicht besser. Er war der Erste, mit dem ich richtig Sex hatte. Doch ich fand es schrecklich. Es tat mir weh, ich wollte es so ziemlich nie und lag eigentlich nur da und wartete, bis es vorüber war. Natürlich denkt man sich spätestens jetzt, warum um alles in der Welt ich es trotzdem tat. Ich kann nur sagen, ich weiß die Antwort nicht darauf. Ich dachte das müsste so. Ich suchte immer noch nach Liebe, nach Gefühlen, doch fand sie bis dahin nicht. Ich hatte den schändlichen Gedanken dessen, dass ich so zumindest zu etwas zu gebrauchen war. 

Daraufhin hatte ich einen Freund, wo mir Sex das erste Mal gefiel. Ich kam zwar nie, doch arrangierte ich mich damit und konzentrierte mich auf die Gefühle währenddessen. Ihm war das sichtlich auch egal, er dachte es sei eine grundsätzliche Störung an mir, dass ich nicht kommen konnte. Nach vielen unaushaltbaren  Streits trennten wir uns fast ein halbes Jahr später, mit einer Irren wie mir konnte man seiner Meinung nach nicht zusammen sein. Das tat weh. 

So war ich erneut auf der Suche nach Linderung dieses inneren Schmerzes. Und ich glaubte, ich bekäme sie bei einem Jungen, den ich von früher kannte. Trotzdem sagte ich ihm von vornerein klar und deutlich, ich wolle mit Sex warten. Es sollte endlich etwas besonderes sein.  

Doch das wurde es nicht. Als ich das erste Mal bei ihm übernachtete, kam ich betrunken von einer Party. Wir machten rum, doch es wurde mir zu viel und ich wollte es nicht mehr. Er aber. Und so brach er in diesem kleinen Moment meinen Willen, akzeptierte mein Nein nicht und brach indes auch ein weiteres Stück in mir drin.

Es folgte ein Schnitt für mich.

Ich lernte meinen jetzigen Freund kennen. Eigentlich war ich nämlich, wie so oft, durch mit dem Thema Jungs. Ich hatte das Gefühl, niemandem trauen zu können. Er zeigte mir, dass es doch möglich sei, dass ich nur den falschen Menschen die richtigen Teile meiner Seele und meiner selbst gegeben hatte. Mit ihm führe ich meine, bis jetzt, längste Beziehung, in welcher ich einen Menschen gefunden habe, den ich liebe und der mich liebt, dafür, wer wir sind, die Menschen hinter der Fassade. Er gibt mir Sicherheit in meinen eigenen Gefühlen. Er gibt mir das Gefühl, dass man mich lieben kann, mein wirkliches Ich, nicht nur meinen Körper.

Trotzdem kann ich den vorhandenen Schmerz in mir nicht beschreiben, was all diese Jungs mit ihren Heucheleien und ihren körperfixierten Verhaltensweisen in mir ausgelöst haben und vor allem, dass ich all dies zuließ. In Situationen, in welchen ich mich selber so sehr hasste, habe ich nach Heilung gesucht, bei Typen, welche sie mir garantiert nicht verschaffen konnten, und vor allem nicht durch Sex. Ich schäme mich zutiefst und ich werde es mir wahrscheinlich nie verzeihen, mich und meinen Körper so sehr verschenkt zu haben. Es tut mir leid um mein jüngeres Ich und wie sich all das bis heute hinzieht. Nichts lässt sich rückgängig machen. Und deswegen möchte ich, dass niemand den gleichen Fehler macht, ohne behaupten zu wollen, jemand könnte genau so naiv sein, wie ich es nun mal war. Jeder und jede hat seinen Wert und jeder ist es wert, aufrichtig geliebt zu werden, auch wenn man die richtige Person  erst später trifft.

Ich wünschte mir, ich hätte gewartet, denn irgendwann kommt jemand, der es besser macht als die anderen, das wurde mir gezeigt. 

Tut das für euch, lasst euch nicht hetzen. 

Seid euch zu schade.

Dieser Text ist anonym eingereicht worden. Photos von Luka.

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