Körper & Bewusstsein, Tabuthema?
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Tabuthema? Haare/Rasieren

Wir alle haben sie, uns alle beschäftig dieses Thema: Haare! Haare ja oder nein, rasieren oder einfach der Natur freien Lauf lassen? Sowohl die Mädels unter uns, als auch die männliche Partie beschäftigen sich spätestens am Anfang der Pubertät mit der Körperbehaarung. Darunter versteht man übrigens jede Behaarung des menschlichen Körpers im Unterschied zum Kopfhaar. Und obwohl der Körper des Mannes mit viel mehr Haar bedeckt ist, machen sich vor allem Frauen viele Gedanken, ob sie ihr Körperhaar entfernen sollen oder nicht.

Aber fangen wir ganz von vorn an, um vielleicht besser zu verstehen, warum eigentlich niemand genau weiß, was richtig oder falsch ist, wenn es um dieses heikle Thema Haare geht.

 

Geschichtlich

Schon in der Steinzeit fingen Höhlenmenschen an, Körperhaare mit Hilfe von geschärften Felssteinen zu entfernen. Dies geschah zu diesem Zeitpunkt jedoch vor allem aus hygienischen Gründen, um sich, beispielsweise, besser vor Parasitenbefall zu schützen.

Auch in frühen Darstellungen des alten Ägyptens ist keinerlei Behaarung an den dargestellten Figuren zu erkennen. Sie galten als unzivilisiert und wurden auch hier anhand von geschärftem Bronze abgeschabt. 

Dasselbe lässt sich eigentlich über die Antike sagen: Weibliche Marmorstatuen sind so glatt wie der Stein selbst, während Männer über üppige Intimbehaarung verfügen. Es machen sich also Unterschiede bemerkbar! Gerade in der Antike galt die Schamhaarentfernung jedoch als Statussymbol, dass die Oberschicht klar abgrenzte.

Interessant wird es nach dem prüden, mittelalterlichen Zeitalter mit seiner sexual- und körperfeindlichen Einstellung erst wieder in 1866, als der französische Maler Gustave Courbet die erste, weibliche Vulva überhaupt bildlich darstellt und mit dem Titel „L’origine du monde“, übersetzt also „Der Ursprung der Welt“, würdigt und enttabuisiert. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Bild geheim gehalten. Durch das Fehlen des Kopfes wirkt es auf den Betrachter häufig pornografisch, doch dem Maler ging es wohl eher um einen Protest gegen die damaligen künstlerischen Konventionen.

Mit der Patentieren des Sicherheitsrasierers in 1904 durch King Camp Gillette wird die Rasur allgemein zugänglicher und somit auch populärer. In einer frühen Ausgabe des Magazins Harper’s Bazaar werden Frauen erstmals mit rasierten Achseln und glatten Beinen gezeigt. Durch das Aufkommen von kürzeren Röcken und ärmellosen Kleidern in der Mode gilt Haarlos-sein zunehmend als hygienisch und wird, vor allem durch die Werbung, als feminin propagiert.

Die 60er und 70er Jahre stehen im Zeichen der sexuellen Revolution und Liberalisierung, des Aufkommens der Pornoindustrie und der zunehmenden Beliebtheit von Bikinis. Frauenrechtsbewegungen zeigten sich in dieser Zeit aus Protest für sexuelle Selbstbestimmung behaart und nicht dem Idealbild des Objektes der Begierde entsprechen, welches propagiert wurde.

In Brasilien kommt in den 1980ern das Brazilian Waxing auf, von dem wir alle schon einmal gehört haben – die Komplettentfernung der Körperbehaarung anhand von einer Paste aus heißem Wachs. Gerade die westliche Kultur, vor allem die USA, springen ziemlich schnell auf diesen Trend an – und Carrie Bradshaw aus Sex and the City fühlt sich nach ihrer Waxing-Session wie „walking sex!“.

Und heute?

Etwa 90% der 18- bis 25-Jährigen entfernen sich, laut einer Studie der Universität Leipzig, die Schambehaarung entweder teilweise oder komplett. Der Trend geht, laut einer amerikanischen Studie, jedoch noch eher, sowohl bei Männern als auch bei Frauen, in Richtung Komplett-Enthaarung. Zum einen wollen moderne Frauen und Männer dem entsprechen, was in Medien und Pornos als Idealbild propagiert wird und deshalb den Sehgewohnheiten von uns allen entspricht (ist es nicht verrückt, wie uns die Medien unterbewusst beeinflussen?), zum anderen gilt die Enthaarung und „Offenlegung“ zuvor behaarter Körperstellen somit auch als Zeichen der Befreiung und als Bereitwilligkeit für neue sexuelle Abenteuer. Und nicht zu vergessen springt die Schönheitsindustrie natürlich auf jeden Trend an, der ihr selbst mehr Geld verspricht – und es wird gewaxt, epiliert und rasiert was das Zeug hält.

Trends gehen aber gerade in der heutigen Zeit in verschiedene Richtungen, wie zum Beispiel dieses Magazincover oder diese Werbung von American Apparel aus 2013 versprechen. Außerdem hätte in den 90ern auch keiner gedacht, dass buschige Augenbrauen nochmal cool sind – und jetzt?

 

Gesellschaftlich

Seit einigen Jahrzehnten ist vor allem in den westlichen Ländern eine zunehmende Tendenz zur Enthaarung des Körpers, vor allem bei Frauen, zu beobachten. In vielen Kulturen der heutigen Zeit gilt ein zu starker Haarwuchs als unästhetisch.) In Werbung und sozialen Medien wird das Idealbild des glatten und haarlosen Körpers unterstützt und bestätigt. Fast nie bekommt man heute noch einen weiblichen, behaarten Körper zu sehen. Junge Frauen bekommen also vorgelebt, dass es ein Muss sei, einen rasierten Körper zu haben und dass Haare, egal an welcher Stelle, unschön sind.

Natürlich wird dir von der Schönheitsindustrie verkauft, dass nur ein enthaarter Körper schön ist. Verdient irgendjemand daran Geld, wenn du deine Körperbehaarung einfach sprießen lässt und komplett auf die Rasur verzichtest? Nein! Ganze Kosmetikstudios leben sogar davon, dir deine Härchen zu entfernen. Die Industrie hat also einfach ein großes Interesse daran, alle nur möglichen Merkmale als Schönheitsmakel zu identifizieren, für die sie dann kostenpflichtige Abhilfe anbietet. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass im Internet und im Fernsehen kaum Frauenbilder mit Körperbehaarung auftauchen. Wiederholtes Anschauen steigert in der Regel ästhetisches Gefallen. Die pausenlose Konfrontation mit Bildern von Models wirkt deshalb wie Gehirnwäsche. Heute sind die Ikonen der Schönheit hochgradig unrealistische, artifiziell aufbereitete Bilder. Dadurch wird die Kluft zwischen dem eigenen Aussehen und dem angestrebten Ideal sehr viel größer. Vor allem junge Menschen haben beinahe notwendigerweise das Gefühl, diesen Bildern nicht gerecht zu werden.

Ich habe es satt, immer stundenlang unter der Dusche stehen zu müssen, nur damit all meine kleinen Minihärchen verschwinden. Auf Instagram und YouTube gibt es einige Accounts, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Lass‘ dich inspirieren, denn Haare können auch mega cool sein. Einige färben sie sogar. Und denk immer daran: sie sind das natürlichste auf der Welt.

Trotzdem sollte jede Person für sich die beste Lösung herausfinden und deswegen das gesamte Konzept der Rasur hinterfragen – nicht einfach nur das machen, was alle anderen auch machen. Auch bei diesem Phänomen handelt es sich um eine Gewohnheit. Bricht man einmal die Norm, kann schnell vieles verändert werden.
Frage dich selbst, was du willst und lasse dich nicht davon abbringen, nur weil deine Freunde sich anders verhalten. Vielleicht magst du dich selbst mit glatter, haarloser Haut viel lieber, dann ist das völlig okay. Aber vielleicht hast du auch noch nie ausprobiert, wie es ist, mit einem leichtem Flaum unter deinen Armen.

Und obwohl die gesellschaftliche Akzeptanz von Körperhaaren bei Männern wesentlich höher ist, ist auch hier ein Trend zur Rasur zu erkennen. Die Entfernung der Körperbehaarung bei Männern ist allerdings weniger üblich als bei Frauen. Manchmal ist hier sogar genau das Gegenteil der Fall: rasiert ein Mann sich die Beine, gilt er schnell als „schwul“, hat ein Mann keinen Bart, ist es „unmännlich“.

Männer haben Haare, Frauen haben keine, so ist es an unseren Köpfen verankert. Die Bestätigung bekommen wir jeden Tag. Ob wir uns daran halten wollen oder eine ganz eigene Meinung über dieses Thema haben, liegt an jedem einzelnen von uns. Jede Person sollte es so machen, sich so enthaaren (oder eben nicht), wie sie es für richtig hält. Es gibt kein Richtig und kein Falsch, probiert euch aus.

 

Mit Körperbehaarung umgehen

Was kann man nun also machen mit seiner Körperbehaarung?

Die erste Antwort lautet: Sie einfach lassen. Ihr das Sprießen, Wachsen & Blühen erlauben. Und übrigens: irgendwann ist von Natur aus Stop. Deine Bein- Arm- und Achselhaare können nie so lang werden, wie die auf deinem Kopf!

Und wenn Du dich mit den Härchen nicht anfreunden kannst? Dann gibt es diese Möglichkeiten:

Rasieren – die wohl bekannteste, einfachste, … aber auch lästigste Methode, um Haare zu entfernen. Denn kaum sind die Haare erstmal weg, wachsen sie auch schon wieder nach. Bei der Rasur werden die Haare nämlich nicht an der Wurzel entfernt, sondern nur oberflächlich. Dass die Haare aber umso schneller wachsen, desto mehr man sich rasiert, ist Quatsch. Dadurch, dass die Stoppeln leichter und unangenehmer zu spüren sind, scheint das nur manchmal so. Achte bei einer Rasur darauf, dass …

… Du am besten keinen Einwegrasierer nimmst. Die Dinger taugen meistens nichts und man verletzt sich unglaublich schnell.
… die Klingen Deines Rasierers scharf sind. Nur so ist Hygiene und das Nicht-Verletzen gewährleistet. Man sollte die Klingen des Rasierers aller 3 Monate austauschen.
… Du Rasierschaum, -creme oder etwas ähnliches verwendest, was die Rasur erleichtert und vor Schnitten schützt.
… der Intimbereich besonders empfindlich ist, sodass Du dort auch besonders vorsichtig sein solltest. Am besten immer in Wuchsrichtung rasieren und hier keine Chemikalien drankommen lassen!
… dass Deine Haut – besonders deine Achseln und dein Intimbereich – nach der Rasur sehr gereizt sein können und Du sie erstmal in Ruhe lassen solltest! Das heißt kein Deo, keine Creme, kein Nichts.
Ein Rasierer kann zwischen 10 und 100 Euro kosten.

Epilieren ist eine schmerzhafte, aber auch wirksame Methode, Haare länger verschwinden zu lassen. Hierbei kommt es natürlich auch immer auf das Schmerzempfinden der jeweiligen Person an, denn was sich für mich schmerzhaft anfühlt, muss für dich nicht unbedingt genauso sein! Am Epiliergerät sind kleine Pincetten dran, die das Haar an der Wurzel greifen und dann herausziehen. Je kürzer das Haar, je wärmer das Wasser desto weniger schmerzt auch das Zupfen. Auch hier kann ein Rasierschaum oder ähnliches helfen! Aber vor allem: auf’s Gerät kommt’s an! Lest euch hier gründlich Bewertungen durch, denn das kann Euch einigen Schmerz ersparen. Epilierer gibt es zwischen 20 und 100 Euro.

Ähnlich wie das Epilieren ist auch das Waxing schmerzhaft. Aber man hört ja immer wieder, dass man sich an diesen Schmerz gewöhnt. Beim Waxing werden Streifen mit warmen Wachs auf deine Beine, Arme und deinen Intimbereich gelegt und dann mit Schwung abgezogen. Zurück bleiben: keine Härchen, bloß ein stechender Schmerz und etwas Röte. Dafür bist Du dann bis zu 2 Monaten haarlos unterwegs. Allerdings: lässt du deinen Intimbereich auf diese Weise von Schambehaarung befreien, liegst Du – ähnlich wie beim Frauenarzt – entblößt da. Und was kostet es? Kommt darauf an, was Du waxen lässt. Für beide Beine können da schon mal 30 Euro verlangt werden.

Was wir nur nebenbei erwähnen möchten: es gibt auch gewisse Laser-Behandlungen, die den Haarwuchs bis zu 70% und permanent eindämmen. Solche Behandlungen und Geräte sind aber nichts für den schmalen Taler.

Das Allerwichtigste ist: findet eine Art und Weise, mit eurem Körper zurechtzukommen, die euch gefällt.

Und vor allem: Macht nichts für andere. Sondern nur für euch selbst.

Bilder von Lilly

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