Nippel – jede Person hat sie.
Und obwohl männliche Brustwarzen, wenn wir mal ehrlich sind, genauso aussehen, wird trotzdem immer noch ein ganz schöner Wind um die weiblichen Brustwarzen gemacht. Aber woher kommt das eigentlich? Was können wir tun, um die weibliche Brust zu normalisieren? Wie können wir uns selbst sicherer mit unserer Oberweite fühlen, ohne dauernd zu denken: Es ist kalt – sieht man jetzt meine Nippel? Die eine Brustwarze befindet sich viel weiter oben als die andere! Ist doch klar, dass die Frauen am FKK Strand ihr Oberteil ausziehen – wenn ich solche Brüste hätte…
Erste Frage: Warum haben Männer überhaupt Nippel, auch wenn diese bei ihnen überhaupt keine Funktion haben? Jeder Embryo ist zunächst weiblich (verrückt, oder?), weshalb also auch Männer, die übrigens, genauso wie bei Frauen, komplett verschieden aussehen können, Brustwarzen haben. Durch weibliche Sexualhormone wie Östrogen oder Gestagen, welche dann während der Pubertät ins Spiel kommen, beginnt die Brust, zu wachsen und sich zu entwickeln.
Doch warum werden männliche Brustwarzen als soviel harmloser wahrgenommen, auch wenn sie doch prinzipiell genau das gleiche sind? Warum wird um die weibliche Brust so viel Wind gemacht, obwohl hinter unseren Nippeln eigentlich nur ein Fett, Bindegewebe und Drüsen stecken? Warum stehen alle so auf die weibliche Brust?
Die Autorin Reena Glazer sieht in der ganzen Thematik einen patriarchischen Unterton: Frauen hätten seit Anbeginn die Rolle der sexuellen Objekte, sie seien der Mittelpunkt männlicher Begierde. Daher sollte das, was den Mann „erregen könnte“, auch nur gezeigt werden, wenn dieser eben erregt werden will.
Gesellschaftlich werden Männer von Geburt an dazu getrimmt, die weibliche Brustwarze als „sexuelles Accessoire“ anzusehen – das für sie eigentlich nur so erotisch ist, weil sie die Nippel ihres weiblichen Gegenübers nur während dem Sex zu Gesicht bekommen und daher, laut einer wissenschaftlichen Studie, mit Sexualität und Erotik in Verbindung bringen. Wir leben heute zwar in einer Zeit, in Sex immer und überall stattfindet, uns in der Werbung förmlich entgegen springt und jede Person schon mindestens einen Porno gesehen hat, doch das war eben nicht immer so – und so wurde die weibliche Brust früher nur ihrem Gegenüber zur Schau gestellt und ansonsten „versteckt“. So werden die Nippel einer Frau unfreiwillig und zu jeder Zeit als sexuell angesehen, während Männer oben ohne nur erotisch sind, wenn sie mit Öl eingeschmiert sind oder bei den Chippendales tanzen.
In andern Kulturen sieht das ganz anders aus! Denn wo der weibliche Nippel normal ist und von der Gesellschaft nicht erotisch aufgeladen wird, ist es auch nicht komisch oder gar illegal, oben ohne herumzulaufen.
Es sollte also vorrangig darum gehen, die weibliche Brust zu desexualisieren.
Auch in den Sozialen Medien sind Nippel ein Tabuthema, vor allem die der Frau. Es ist gesellschaftlich okay, einen Justin Bieber oberkörperfrei in der Werbung zu sehen. Bei Frauen sind die Nippel immer verdeckt, verpixelt oder ein schöner schwarzer Balken ziert das Bild. Wieso ist das so? Wieso wird auf Instagram direkt jedes Bild gelöscht, wo auch nur der Ansatz eines weiblichen Nippels zu sehen ist? Und wenn dann doch mal ein Nippel gezeigt wird, dann von einer Brust, die wir als Ideal ansehen würden.
Neulich wurde ein Video gepostet, in dem eine junge Frau nackt getanzt hat. Man hat ihre Brüste und auch ihre Nippel die ganze Zeit gesehen. Ich hatte ein befremdliches Gefühl. Es ist einfach nicht normal, eine wildfremde Frau so entblößt zu sehen. Und dabei ist es alles andere als eine Entblößung! Der Nippel gehört zu dem Körper genau so dazu wie unsere Arme und unsere Beine.
Wenn man mich fragen würde, ob ich ein Bild ohne BH posten wolle, auf dem man meine Nippel sieht, würde ich diese Frage mit Nein beantworten. Was würden andere über meine Brüste denken? Was würde mein Freund sagen? Was wäre, wenn man zukünftiger Arbeitsplatz dieses Foto zu Gesicht bekäme?
Wir sind es in unserer Gesellschaft einfach nicht gewöhnt, die Brust einer fremden Frau zu sehen. Wie selten sieht man in Filmen, in Magazinen oder eben auch im Netz die weibliche Brust in ihrer vollen Pracht? Es ist ein Zusammenspiel aus unserem Denken und unserem Umgang mit diesem Thema. Würden die Medien anders damit umgehen, würde unser Denken verändert.
Es gibt tatsächliche einige Accounts auf Instagram, die mit dem Thema offen und frei umgehen. Das Nipple Magazine oder auch Free the Nipple sind nur einige Beispiele dafür, dass man mit dem weiblichen Nippel auch ganz ohne Vorurteile umgehen kann. Diese Accounts sind ein gutes Beispiel dafür, dass Nippel nicht mit irgendwelchen sexuellen oder auch unangenehmen Gedanken belastet werden sollten.
Sie gehören zu unserem Körper dazu, so wie jedes andere Körperteil auch. Es gibt große und kleine Nippel, helle und dunkle. Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Kein Normal und Unnormal. Kein Schön und Unschön. Und vor allem: kein komisch. Wer legt das denn überhaupt fest? Die gleichen Menschen, die festlegen, welche Personen hübsch und welche nicht hübsch sind? Ein Blödsinn. Alle Nippel sind wunderbar. Und kein Nippel ist gleich. So wie auch wir Menschen nicht gleich sind.
Folgendes Szenario: Du stehst vor dem Spiegel. Schaust Dich in Deinem Shirt an.
Merkst, dass man Deine Brustwarzen erkennen kann. Nickst es ab und ziehst los.
Und nur wenn du wirklich willst, „musst“ Du einen BH anziehen. Die Welt sollte Dir nicht vorschreiben, was Du zu tun und zu lassen hast. BHs können schön, sexy, elegant, bequem und selbstbewusstseinsfördernd sein. Aber eben auch verdammt nervig. Können weh tun, drücken, nicht richtig sitzen und so weiter. Also trag so ein Teil nur, wenn Du auch wirklich willst. Denn es gibt nichts zu verstecken. Das Gleiche gilt für Bikinis. Schätz da ab, was für Dich angenehm ist und was nicht. Was im Schlimmsten Fall passieren könnte? Du bist vielleicht mit Freunden da und die finden das komisch. Also? Kommt ihr in’s Gespräch. Und dadurch ist wieder ein Schritt in die richtige Richtung getan. Denn anzusprechen, was das Problem ist, hat noch nie geschadet. Wem schaden Nippel denn überhaupt? Sie sind kein Tabu sondern gehören – so wie sie sind – zu dir. Also lass sie frei. Und werd frei mit ihnen.
Lasst uns selbstbewusster mit unseren Nippeln umgehen! Niemand muss sich schämen, niemanden muss es irgendwie peinlich sein. Nur, wenn wir ganz normal damit umgehen, schaffen wir es, diesen „Teufelskreis“ zu durchbrechen, denn alles ist nur eine Frage der Gewöhnung.
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Mit Illustrationen von Imina.
Quellen: I . II . III . VI
Mutprobe erscheint als monatliche Serie und beschäftigt sich mit den kleinen (und großen) Mutproben des Alltags, mit Ängsten und Überwindungen, die eigentlich keine sein sollten. Wieso trauen wir uns nicht? Weshalb haben wir Angst? Wer oder was sorgt für böse Stimmen in unseren Köpfen?
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