Gastgedanken, Selbst & Inszenierung
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Iss den verdammten Kuchen und genieß dein Leben!

Wie viel Zeit wir in unserem Leben damit verschwenden, uns um Dinge Sorgen zu machen die, meiner Meinung nach, eigentlich keine Aufmerksamkeit verdient haben. Das Leben ist zu kurz und es gibt so viel schönere Dinge mit denen wir uns beschäftigen können als zum Beispiel: Diäten.

„Ach, ich hab so viel gegessen, jetzt muss ich aber wieder mal Diät machen.“
„Das kann ich nicht essen, das hat zu viele Kalorien.“ „Ich habe mich ganz schön gehen lassen, ich muss weniger essen!“ „Hast du abgenommen? Du siehst toll aus!“ „Das solltest du nicht essen.“ „Glaubst du nicht du hattest schon genug?“

Das ist nur ein kleiner Teil der Sätze, mit denen ich aufgewachsen bin. Jeden Tag. Ob in meiner Familie, bei Freunden, in Filmen, Serien, Werbungen. Wir merken gar nicht mehr, dass wir diese Dinge sagen und wie abgefuckt sie eigentlich sind. Der Diätwahn ist überall. Wirklich überall – und es kotzt mich richtig an. Ich bin sicher nicht die Einzige – Doch fühlt man sich ziemlich allein, wenn man glaubt, dass das, was auf deiner Waage steht, deinen Wert als Mensch und ob du Liebe und Glück verdienst, bestimmt.

Je höher die Zahl auf der Waage, desto mehr Selbsthass baust du auf. Andere Leute sind auch immer gerne da um dich daran zu erinnern, dass du dick bist. Wobei du irgendwann all diese hässlichen Kommentare, Witze, und pseudo-besorgten Bemerkungen von Menschen, die dir doch nur sagen wollen, dass „das echt voll ungesund ist und so“, so internalisiert hast, dass niemand mehr etwas sagen muss.

Als ich mich das erste Mal in den Spiegel gesehen habe und angeekelt von mir selbst war, war ich 6 Jahre alt. Im Sommer 2002 war ich mit meiner Mutter Badesachen einkaufen. Es war so drückend heiß in Wien, dass die Leute entweder in ihre Wohnung verschwunden sind oder in einem der überfüllten Freibäder sich abzukühlen versuchten. Während also meine Mutter Badeanzüge anprobierte, wartete ich in ihrer Nähe und bewunderte die Bikinis für Mädchen. Ich fand einen, der mir gefiel und wollte ihn ihr zeigen, da kam eine Frau die mich schon die ganze Zeit verachtend von der Seite beäugt hatte, auf mich zu und sagte: „Du musst aber schon abnehmen bevor du diesen Bikini anziehen kannst, das ist nichts für mollige Mädchen.“ Ich hängte den Bikini traurig wieder zurück und wartete auf meine Mama, die von dem ganzen nichts mitbekommen hatte. Ich sagte ihr, ich hätte nichts gefunden, und wir gingen.

Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, was die Leute alles gesagt haben um mich zu verletzen oder um gut gemeinte Ratschläge loszuwerden, aber es hatte mit meinem Gewicht zu tun -So wie jede Beleidigung und jede Bemerkung zu meinem Körper, bis heute.

Ich will gar nicht davon anfangen, wie oft Ärzte meine Beschwerden ignorieren und meinen ich soll „erst mal abnehmen“.
Während ich das hier schreibe werde ich unheimlich wütend.  Ich habe immer geschwiegen. „Ignoriere die einfach, die sind unsicher.“
„Die sind hässlich, dagegen können sie nichts tun, aber du kannst etwas tun: abnehmen.“

Tolle Sprüche oder? Bullshit. Ich war ein bezauberndes junges Mädchen. Braune Augen, wilde Locken immer interessiert an allem, klug, mit großen Plänen für die Zukunft. Ich sehe dieses Mädchen vor mir und ich umarme es fest anstatt es ständig daran zu erinnern, dass es besser wäre, wenn es 5 Kilo abnehmen würde. Stattdessen erinnere ich es daran, wie toll es ist und was es alles schaffen kann.

All die Energie, die ich in Diäten, Weight Watchers, Fitnessapps und Abnehmcamps (Ja sowas gibt es), investiert habe. All die Nächte, in denen ich mich in den Schlaf geweint habe, weil ich dachte, dick zu sein ist das allerschlimmste, was man sein kann. Ich bin aufgewachsen mit dem Gefühl, nie gut genug und immer zu viel von allem zu sein. Den Großteil der letzten 21 Jahre wollte ich jemand anders sein.

Letztes Jahr hat es mir endgültig gereicht. Diagnose: Essstörung . Und ich war wütend!

Ich hatte keine Lust mehr, mich ständig selbst runter zu machen und zu hassen. Also habe ich beschlossen, meinen Körper erstmal „nur“ anzunehmen. Das fängt damit an, einfach ziemlich nüchtern zu betrachten, wie dein Körper aussieht und wie er dich so täglich durchs Leben trägt. Dann setzt man das Ganze mit Akzeptanz fort. Ich bin meinem Körper dankbar, für das was er für mich tut. Wie er mir hilft. Ich bin dankbar für meine Arme mit denen ich Menschen umarmen kann, die ich lieb habe. Ich bin dankbar für meine Beine, mit denen ich auf einem von der Sonne gewärmten Steg Anlauf nehmen kann, um ins blaue, kühle Nass zu tauchen. Wie frei und glücklich ich mich fühle, wenn ich auftauche und mir meine Lungen erlauben tief die Sommerluft einzuatmen.
Der letzte und schwierigste Schritt der übrigens eine Lebensaufgabe für jeden ist, ist die Selbstliebe. Sich selbst umarmen, das Leben genießen und sich um sich selbst zu kümmern. Eine gesunde Einstellung zu Essen und seinem Körper aufbauen.
Es ist hart, es tut weh, und man kann sich nicht jeden Tag mögen, das tut niemand, aber es lohnt sich. Oh, und wie es sich lohnt.

Diese Energie, die ich so lang verschwendet habe, gebe ich nicht mehr so einfach her, ich investiere sie lieber in eine glückliche Zukunft, in mein Studium, meine Arbeit, meine Familie, Freunde und meine Beziehungen, in Selbstliebe.

Ich arbeite jeden Tag hart daran, all das zu verlernen was ich mir seit meiner Kindheit eingeredet habe, und es tut so verdammt gut. Ich spüre wie ich langsam heile.

Nutze deine Energie lieber, die Welt zu erobern! The rest will follow.
Hier noch ein paar Tipps:

Valentina ist 21 und lebt für die Kunst, Literatur, den intersektionalen Feminismus und lacht unglaublich gerne. 

Bild und Text von Valentina. Bearbeitung von Imina.

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