Das Outing ist ein Thema, mit dem sich viele Menschen irgendwann in ihrem Leben konfrontiert sehen. Die eigene Sexualität zu erkennen, zu definieren und offen zu legen kann für die einen sehr befreiend sein, andere fühlen sich dadurch noch mehr in eine Ecke gedrängt oder bestimmte Schubladen gesteckt. Ich habe meine Freunde gefragt, ob sie von ihrem eigenen Outing berichten können – und was sie von dem Thema an sich halten. Vielleicht nimmt das dem ein oder anderen von euch den Druck und könnt das Thema in Zukunft vielleicht weniger als Mutprobe betrachten.
„Mein Coming Out bestand aus No-Angels-CD’s und der Leidenschaft für Barbies im Kindergarten. Meine Eltern wussten schnell, was Sache ist. Viel musste dazu später nicht mehr gesagt werden und das ist auch gut so.
Ich finde es sehr schade, dass ein Coming Out in der heutigen Zeit noch notwendig ist und diese „Aussprache“ einen viel zu großen Stellenwert bekommt. Viele Menschen fühlen sich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu einer Rechtfertigung gezwungen. Das sollte im Jahr 2018 meiner Meinung nach keine Rolle mehr spielen und als Normalität angesehen werden.“
– Heiner, 21
„Ich halte nicht viel vom Coming Out. Es stützt und reproduziert die Grundannahme, dass jede Person heterosexuell sei und alles andere dann die Abweichung. Wir müssen grundsätzlich vom Denken in Kategorien wegkommen und Menschen mehr als Menschen sehen – so pathetisch das auch klingt. Wir sind mehr als unsere Sexualität(en)! Und wir müssen allgemein weg von dieser Identitätspolitik.“
– Thalea, 20
„Es ist absurd, dass es immer noch notwendig ist, sich überhaupt zu outen. Dem Ganzen liegt letztendlich nur die engstirnige Annahme zu Grunde, alle Welt sei hetero. Ich liebe das Gesicht der Leute, die mich nach meiner Sexualität fragen, wenn ich deren Frage an sie zurückgebe. Scheinbar herrscht immer noch ein Konsens darüber, dass alles fernab heteronormativer Konventionen weltfremde Ausnahmen sind und die Welt eventuell ja doch eine Scheibe ist.“
– Oliver, 20
„Der schwierigste Teil des Coming-Outs ist nicht das erste Geständnis vor deinen Lieben, sondern vor der wichtigsten Person in deinem Leben: dir selbst. Der Weg zur Selbstakzeptanz ist lang, doch er lohnt sich. Niemand hat jemals bereut, ihn zu gehen.“
– Jan, 25
„I love men. I love women. I love sex. I don’t really consider sexual orientation in general. I don’t even think about gender that much so it’s not very important to me. Sometimes I feel like a man, sometimes I feel like a woman. And sometimes neither really works. That’s basically how I approach my lovers. I want to be with a woman one night and then the next I’m all about men.“
– Lady Gaga, 31
„Mein Coming-Out war gar nicht so spannend, wie man sich das immer vorstellt. Ich hab’s meinen Eltern und engsten Freunden erzählt, der Rest hat sich nach und nach ergeben – oder eben auch nicht. Meine liebsten Menschen sind super offen und unterstützen mich in allem was ich tue. Das ist mir sehr wichtig. Negatives Feedback hab ich noch nie bekommen, höchstens komische Fragen, aber ich denke das ist normal.“
– Lielie, 20
„Ich würde sagen, ich habe schon ziemlich viele Outings hinter mir, die alle gut ausgegangen sind. Das, vor dem ich am meisten Angst hatte, war jedoch das vor meinem beste Freund. Es war 4 Uhr morgens, ich war 18 und sturzbetrunken und wir saßen zusammen bei ihm zuhause, als ich es dann einfach gesagt habe. Aus Panik und um irgendwie trotzdem witzig zu klingen und die Situation auszulockern, habe ich sogar in der dritten Person von mir selbst gesprochen. Seine Reaktion war kein „Ich hab’s ja immer gewusst“, oder was man sonst so hört, sondern ein einfaches „Okay, cool, dass du es mir sagst. Find ich echt toll“, worüber ich sehr erleichtert war. Seitdem ist unsere Freundschaft noch enger geworden.“
– Baran, 20
„Mein Coming-Out würde ich als unproblematisch und gut aufgenommen beschreiben. Meine Freunde haben es als erste erfahren, das war keine große Sache. Bei meiner Mama habe ich gewartet, bis ich meine erste feste Freundin hatte und es nicht länger für mich behalten konnte. Sie hat mich mit den Worten „Hauptsache du bist glücklich, egal, mit wem“ in den Arm genommen.
Am Anfang gehen alle von der selben sexuellen Orientierung aus oder Menschen werden durch ihr Äußerliches in Schubladen gepackt. Outen oder nicht, jede Person sollte das machen, womit sie sich am Besten fühlt. Für mich hatte das Ganze etwas Klärendes und Befreiendes.“
– Silvana, 24
„Mein Outing fand eigentlich nur im familiären Rahmen statt. Dadurch, dass mir bereits mit 13 bewusst war, schwul zu sein, und ich damit auch kein Problem hatte, ging ich damit schon immer offen um.
Ich würde mir wünschen, dass ein Outing in Zukunft nicht mehr nötig ist. Wenn ich jemanden kennenlerne, erzähle ich der Person ja auch nicht, dass ich Lila schöner finde als Grün.„
– Marcel, 25
„Mir ist es extrem wichtig, dass meine engste Familie und besten Freunde darüber Bescheid wissen, dass ich nicht auf Männer stehe, weil ich mir sicher sein will, dass sie mich so akzeptieren, wie ich bin und ich das Gefühl haben kann, vollkommen zu mir selbst stehen zu können. In Beziehungen, die mir nicht viel bedeuten, sehe ich meistens jedoch keine Notwendigkeit, mich “offiziell“ zu outen, wenn sich nicht von alleine eine passende Gelegenheit ergibt.“
– Lena, 21
„Dinge , die ich gelernt habe: 1. Mach dir keinen Druck. 2. Dein Coming-Out ist nicht ein großes Ding – du wirst es dein ganzes Leben immer wieder tun, da unsere Gesellschaft trotzdem noch sehr heteronormativ ist. 3. Es gibt mehr Leute die so sind und so fühlen wie du, als du denkst. Es wird besser.“
– Valentina, 21
„Mein Outing war ein bisschen wie ein Fallschirmsprung. Ich war super aufgeregt, aber hatte auch unheimlich große Angst davor, diesen Schritt zu gehen. Ich hab lange gebraucht, um dem Entschluss zu fassen, weil ich mir immer wieder selbst gesagt hab „Bitte sei einmal in deinem Leben normal“ – Ich hab mich quasi lange dagegen gewehrt.
Bis ich dann schließlich verstanden hab, dass überhaupt nichts daran unnormal ist und ich mehr und mehr durch Musik und Kunst zu mir selbst gefunden habe. In dem Moment, in dem man sich selbst akzeptiert so wie man ist, geht das alles auf einmal ganz leicht über die Lippen und ich finde man fühlt sich befreit, glücklich und auch irgendwie komplett.“
– Lisa, 23
Danke an Euch!
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Idee & Interview von Imina.
Lisa’s Fotografien sind bunt, in-your-face und glitzern. Sie sind schwarz-weiß, berührend und einfach anders. Die junge Fotografin porträtiert junge Menschen in Berlin und Umgebung, die durch ihre Bilder förmlich „Hier bin ich – und ich bin gut, wie ich bin“ schreien. Mehr findet ihr auf ihrem Instagram-Account @iamlisawild.
Mutprobe erscheint als monatliche Serie und beschäftigt sich mit den kleinen (und großen) Mutproben des Alltags, mit Ängsten und Überwindungen, die eigentlich keine sein sollten. Wieso trauen wir uns nicht? Weshalb haben wir Angst? Wer oder was sorgt für böse Stimmen in unseren Köpfen?