Du & Ich
Kommentare 3

Ich bin mir selbst genug

Vor kurzem habe ich mit einer Freundin über das „Wir selbst sein“ gesprochen – und inwiefern wir in letzter Zeit gelernt haben, wir selbst zu sein – ohne sich abhängig von einer anderen Person, ob freundschaftlich oder darüber hinaus, zu fühlen. Und wenn ich eines in den letzten Jahren gelernt habe, dann ist es genau das.

Ich kann gar nicht aufzählen, wie oft ich die Sätze „Meine beste Freundin kennt mich besser als ich selbst“ oder „Jede Blondine braucht eine Brünette“ gehört habe. Ich weiß nur, dass sie mir dauernd eingebläut wurden – und immer, wenn ich aus der Schule kam und allein zuhause saß, bin ich fast verrückt geworden, weil ich nicht allein sein wollte. Gerade in der Mittelstufe war das besonders schlimm: Meine Freundinnen und ich konnten kaum eine Minute ohne einander verbringen, haben zusammen gekichert, uns Zettelchen geschrieben, im Unterricht nicht aufgepasst sondern getuschelt. Es gab nichts wichtigeres als unsere Freundschaft. Und immer, wenn zwei Freundinnen etwas ohne mich, unternommen haben, bin ich fast ausgerastet vor Eifersucht. Aber warum eigentlich? Aus Angst, etwas zu verpassen? Aus Angst, dass sie schlecht über mich reden könnten? Aus Angst, allein zu sein?

Als ich in die Oberstufe kam, wollte ich eigentlich nur noch meine Ruhe. Die Leute um mich herum haben sich verändert und verschiedene Richtungen eingeschlagen, die mir selbst nicht passten. Auch ich habe mich natürlich verändert. Wir alle haben eigene Erfahrungen gemacht, unsere Werte und das, was wir von Freundschaften erwarteten, hatte sich verändert. Ich habe also unglaublich viel Zeit allein verbracht. Viel nachgedacht, viel geschrieben und irgendwie in meiner eigenen Welt gelebt. Die anderen waren mir egal, oder ich wollte, dass mir alle egal sind. Ich war viel mit mir selbst beschäftigt und manchmal mehr, manchmal weniger glücklich damit. Meine Schulnoten wurden besser weil mein Fokus im Unterricht jetzt woanders lag. Aber natürlich habe ich mich auch einsam und meistens auch unverstanden gefühlt.

Ich weiß, dass ihr diesen Satz inzwischen wahrscheinlich gar nicht mehr hören könnt, aber mit der Zeit und vor allem mit meinem Auszug von Zuhause und dem Studienbeginn, einer Zeit, in der man niemanden kennt und komplett auf sich allein gestellt ist, bin ich ganz langsam zu der Erkenntnis gekommen: Ich bin mir selbst genug.

Ich brauche keine andere Person, die sich jeden Abend meine Sorgen anhört. Der ich dauernd erzähle, was gerade in meinem Leben vorgeht. Der ich mich irgendwie verpflichtet fühle.

Damit wurden meine Freundschaften irgendwie leichter, es war schön, sich gegenseitig zu besuchen und zu updaten, wenn man sich lange nicht gesehen hatte, gemeinsam in fremden Mensen zu Mittag zu essen und Verabredungen in Städten zu organisieren, nur weil man gerade zufällig in derselben zu Besuch ist. Die meisten meiner FreundInnen waren in Beziehungen, ich war allein, aber irgendwie war das okay. Man hatte nicht mehr das Gefühl, sich gegenseitig irgendwas schuldig zu sein, hat lockere Unterhaltungen geführt aber auch ernste Themen angesprochen. Alles ohne diesen „Wir sind beste FreundInnen also müssen wir einander alles erzählen“-Zwang.

Ich glaube, ein großer Teil dieses Erwachsenwerdens ist es, zu der Erkenntnis zu kommen, dass man immer sich selbst hat. Egal, welche Leute, von denen du dachtest, sie wären deine Freunde, gerade über dich herziehen. Egal, ob du gerade verlassen wurdest oder jemanden verlassen hast. Egal, ob du seit zwei Jahren Single bist oder noch nie eine Beziehung hattest. Egal, ob du gerade neu in der Stadt bist oder schon immer in derselben hockst.

Und gerade aus diesem Grund solltest du selbst als allererstes mit dir klarkommen. Dich mit dir selbst anfreunden und am besten die allerbeste Freundschaft der Welt mit dir anfangen. Dich selbst auf eine Tasse Kaffee und ein riesiges Stück Kuchen einladen. Dir abends etwas schönes kochen und dich mit Schokolade und Wein ins Bett verkrümeln. Yoga machen, ins Kino oder ins Museum gehen – allein mit einem Notizbuch und deinen Gedanken. Lesen, dich weiterbilden, deinem Gehirn Futter geben, dich selbst herausfordern und dir neue Aufgaben geben, dich an den Rand deiner eigenen Komfortzone stellen und springen. Reflektieren. Dich selbst kennenlernen. Mit dir selbst sprechen. Dir auf die Schulter klopfen, wenn etwas gut läuft und dich selbst trösten, wenn etwas nicht so läuft.

Du wirst von anderen Menschen weniger enttäuscht, wenn du nicht deine gesamte Energie in dein Gegenüber, sondern vorrangig in dich selbst steckst. Egal, ob du mit deinem Gegenüber befreundet bist oder ob ihr eine Liebesbeziehung führt. Am Ende wirst du immer dich selbst haben, zu dir selbst zurückkommen und dich mit dir selbst konfrontieren.

Dir sind deine Freunde und deine Beziehung wichtig? Sei dir selbst mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger.

_

Text und Illustration von Imina.

3 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert