In diesem Moment sitze ich mit Kaffee und Laptop auf der Fensterbank meines Schlafzimmers.
Mein Blick schweift nach draußen. Der Nebel liegt auf der Straße. Meine Aufmerksamkeit widme ich der Melodie in meinen Ohren, die das lautstarke Gespräch meiner Nachbarn verstummen lässt.
Ich lausche einem Song von Fink: „And you don’t want to hurt yourself looking too closely“, singt der Musiker und macht mich nachdenklich.
Wie viele Male konstatieren wir das seelische Leid, die Not und Verzweiflung unserer Mitmenschen und meiden die präzise Konfrontation mit den Hintergründen? Legitimiert der Schutz unserer eigenen Person derartige Egozentrik?
Jeden Tag begegnen wir Fremden und Vertrauten; hin und wieder werden Fremde zu Vertrauten. Wir umgeben uns bewusst mit Ihnen, verbringen etliche gemeinsame Stunden, erleben Gutes und Schlechtes, erzählen mal mehr, mal weniger.
Nicht selten wird Kummer verschwiegen, seine Resonanz in Form von Melancholie, Abwesenheit oder Verschlossenheit hingegen wahrgenommen. Wir hinterfragen oberflächlich, vermeiden jegliche Vertiefung und entziehen uns einer Freundschaft zugrunde liegenden Verantwortung.
Gesunder Egoismus oder inadäquate Selbstsucht?
Meist rechtfertigen wir die elaborierte Ignoranz mit unseren eigenen Sorgen, deren Belastung mit fremden Ballast eine Bedrohung unseres seelischen Wohlergehens darstellen würde – eine Exkulpation, deren kausale Selbstsucht als gesunder Egoismus idealisiert wird.
Das eigene Glück ist zweifelsfrei primär, ohne Freundschaften jedoch rudimentär. Folglich sollte das Glück unserer Nächsten eines unserer eminentesten Anliegen sein.
Einem Freund mit Achtsamkeit, Interesse und Rückhalt zu begegnen, bedarf keiner Unterordnung eigener und Überordnung anderer Misslichkeiten; die Folge auf Gegenseitigkeit beruhender, freundschaftlicher Fürsorge ist nicht die Maximierung, sondern die Minimierung von Leid.
Akzeptanz vereinzelter Schweigsamkeit
Einigen, insbesondere sehr introvertierten Menschen fällt es schwer, das Schweigen zu brechen, ihren Emotionen Ausdruck zu verleihen. Für sie stellt die Kommunikation ihrer inneren Konflikte eine Herausforderung dar. Wird nachgefragt, verbergen oder bestreiten sie ihr Unbehagen.
Um niemanden in Verlegenheit zu versetzen, sollte man die latent verlangte Distanz wahren, Raum und Zeit gewähren.
Sobald der Zustand allerdings prekäre Dimensionen annimmt, die Situation aussichtslos erscheint, führt kein Weg an einem Gespräch in Begleitung gänzlicher Empathie vorbei. Verständnis zu zeigen, Mut und Hoffnung zu schenken, wird nicht nur zur Erleichterung des Anderen beitragen, sondern auch die Freundschaft intensivieren.
Wie Ihr mutmaßlich vernommen habt, ist gegenseitige Unterstützung meines Erachtens nicht nur von immenser Bedeutung, sondern Grundlage einer jeden aufrichtigen Freundschaft.
Wenn ihr Euch das nächste Mal dabei erwischt, einer Auseinandersetzung mit den Problemen anderer zu entgehen, erinnert Euch sowohl an meine Worte als auch den persönlichen Wert Eurer Liebsten.
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Svenja ist 19 Jahre alt und plant, im Sommer nach Berlin zu ziehen. Nach drei Semestern Jura möchte sie sich dort umorientieren, irgendwas mit Medien machen. Genauer gesagt erhofft sie sich einen Studienplatz an der Universität der Künste. Auf ihrem Blog verleiht sie ihren Gedanken Ausdruck. Doch sie liebt nicht nur das Schreiben, sondern auch guten Kaffe, Zeichnen, Sonnenstrahlen im Gesicht, inspirierende Menschen und jeglichen Krimskrams, dem der Begriff Krimskrams nicht gerecht wird.
Text von Svenja / Fotos von Luka
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