Es war Spätsommer als wir uns kennen lernten. Wir waren auf einem Dorffest in deiner Heimatstadt. Gemeinsame Freunde stellten uns vor. Ich fand dich auf den ersten Blick super attraktiv, habe aber keinen weiteren Gedanken daran verschwendet. Vorerst. Je mehr Alkohol floss, desto lockerer wurde die Stimmung. Wir tanzten, wir lachten, wir flirteten. Irgendwann habe ich dich einfach geküsst. Es war unglaublich schön. Wir saßen auf einer Mauer, der Mond schien auf uns herab und die Sterne funkelten. Alles schien so einfach und unbeschwert in diesem Moment. Einfach perfekt. Ich fühlte mich leicht und von allem befreit, was mir zu dem Zeitpunkt auf der Seele lag. Du hast mir so gutgetan.
Das Fest ging einige Tage weiter und wir begegneten uns noch zweimal. Nebenbei hatten wir Kontakt übers Handy, alles passte. Es gab nichts, was sich unangenehm oder nicht richtig angefühlt hat. Als wir uns am Sonntagabend verabschiedeten, ahnten wir nicht, dass es nur noch einmal so einfach werden sollte. Du kamst mich dort besuchen, wo ich derzeit wohne. Wir schlenderten durch die Stadt, gingen vietnamesisch essen. Es war einer der heißesten Tage des Jahres, aber voneinander lassen konnten wir nicht. Du hast mich zum Lachen gebracht, wie ich lange nicht gelacht habe. Ich fühlte mich in eine wohlige rosa Wolke eingebettet. Es war, als würden wir uns schon Ewigkeiten kennen.
Wir verabschiedeten uns am nächsten Morgen am Bahnhof. Erst dann wurde mir allmählich bewusst, dass nichts so einfach wird wie es schien.
Wir blieben in Kontakt, schrieben jeden Tag oder telefonierten. Ich fuhr 4 Stunden, um dich zu besuchen. Es war eins der schönsten Wochenenden dieses Jahres, weil ich es mit dir verbringen durfte. Jede Umarmung, jedes Hand in Hand laufen, jeder Kuss auf die Stirn löste in mir ein Gefühl aus, was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht zu beschreiben wusste.
Wir verabschiedeten uns am nächsten Morgen am Bahnhof. Erneut. Auf dem Weg nach Hause, fühlte ich mich elend. Ich war nie die Person, die sich Hals über Kopf in jemanden verliebt. Dennoch habe ich dich ab dem Zeitpunkt vermisst, wo ich in den Zug gestiegen bin. Ich wollte den Kontakt trotz der Entfernung aufrechterhalten, du schienst es mir wert zu sein. Du warst nach langer Zeit der erste Mann, der mich wieder mit dem nötigen Respekt behandelt hat. Du warst nach langer Zeit der Erste, mit dem ich mir eine Beziehung hätte vorstellen können. Du warst alles, was ich zu dem Zeitpunkt brauchte. Meine Hoffnung, mein Halt und mein Lachen. Ich habe mich noch nie bei einer Person so geborgen gefühlt, wie bei dir.
Nach dem Wochenende habe ich einiges durchmachen müssen. Du warst stets da. Du hast gefragt, wie es mir geht, hast angerufen. Wir wollten uns wiedersehen. Ein Besuch von dir war in Planung. Zwei Tage vorher ist dir eingefallen, dass wir reden müssen. Du seist dir nicht sicher, würdest dir wegen der Entfernung Sorgen machen. Wir telefonierten. Ich weinte. Du kamst trotzdem her. Wir redeten. Das war das erste Mal, dass du wirklich komplett ehrlich zu mir warst. Du hast mir alles erzählt, was dich belastet und was für ein Päckchen du mit dir rumträgst. Für mich änderte sich nichts. Du warst immer noch du. Wenn man jemanden mag, ist man bereit, das extra Päckchen mitzutragen. Ich war ja selbst nicht ganz ohne, aber wer ist das schon. Wir beschlossen, uns noch einmal aufzurappeln, es aber langsamer angehen zu lassen. Wir machten kein nächstes Treffen aus, ich versuchte dich nicht unter Druck zu setzen, dich aber dennoch in Sicherheit zu wiegen. Ich war stets da. Ich habe gefragt, wie es dir geht, habe angerufen.
Ich brauchte wen, der mich aus meinem Loch rauszieht. Du brauchtest wen, der dich aus deinem Loch rauszieht. Ich dachte, wir könnten diese Person füreinander sein.
Du hast gefragt, wann wir uns das nächste Mal sehen würden. Voller Hoffnung, dass du dich entschieden hast, den Schritt mit mir zu gehen, buchte ich das Ticket zu dir. Vorfreude. Zwei Wochen später sollte es losgehen.
Zwei Tage vorher ist dir eingefallen, dass wir reden müssen. Erneut.
Text anonym eingereicht. Foto von Nora.