Wenn ich daran denke, Gaga bald endlich wiederzusehen, kann ich mir ein Lächeln kaum verkneifen, denn ich glaube, es gibt nur wenige Dinge, die mich momentan glücklicher machen könnten. Denn diese Frau macht einen ziemlich großen Teil meines Lebens aus und ihr Dasein trägt viel zu der Person bei, die ich heute bin.
Es ist jetzt schon vier Jahre her, dass ich, heiser, mit vom Bier verklebten Schuhen, Konfetti im Haar und Glitzer-Steinen auf der Stirn, aus der Mercedes Benz Arena in Berlin gestolpert bin. Zwei Konzerte einer Tour lagen hinter mir, zwei Erfahrungen, an die ich mich immer noch bis ins kleinsten Detail erinnere. Mit einem Gefühl in mir, dass sich einfach nicht beschreiben lässt.
Seit 2008 bin ich nun schon dabei: Checke jeden Tag sämtliche Plattformen, um immer auf dem neusten Stand zu bleiben. Warte sehnsüchtig auf Release-Tage neuer Songs oder Alben. Stehe mitten in der Nacht auf, um mir die Grammys live im Fernsehen anzuschauen, nur weil sie auftritt. Gebe unfassbar viel Geld für T-Shirts aus, auf denen ihr Name steht. Schwänze die Uni, weil ich Konzertkarten bestellen muss, damit sie ja nicht ausverkauft sind. Werde von Verwandten, um ein Gesprächsthema zu haben, gefragt: „Und, was macht Lady Gaga im Moment so?“
Für die meisten Leute ist unverständlich, warum man so viel Zeit (und Geld) in eine Person investiert, mit der man nie gesprochen hat. Mit der es, als „Normalsterblicher“, nicht wirklich möglich ist, ein richtiges Gespräch aufzubauen, weil man genau 30 Sekunden mit ihr hätte, bevor der Nächste dran ist. Warum man sich so für das Leben von jemandem interessiert, dass so anders und unerreichbar zu sein scheint. Oder warum man mit zwanzig noch kreischend durch die Wohnung rennt, wenn ein neues Album angekündigt wird.

2014.
Als ich am 7. Februar 2017 um 00:30 den Superbowl einschaltete, gähnte ich erst mal laut und zog mir eine Tasse Kaffee. Nur bis zur Halbzeit durchhalten, bei einem Spiel, das mich null interessierte und von dem ich überhaupt keine Ahnung hatte. Im Jahr zuvor hatte ich dieselbe Prozedur durchgemacht, da Gaga aber zur Eröffnung des Spiels die Nationalhymne sang, konnte ich mich danach ins Bett legen.
Doch das hier war anders. Viele Künstler bezeichnen es als Karrierehighlight und Ehre, die Halbzeitshow des Superbowls zu gestalten. Sie bereiten sich monatelang auf das Event vor, das sich weltweit mehr als 800 Millionen(!) Zuschauer im Fernsehen ansehen.
Als die erste Hälfte des Spiels vorbei war, ich sogar die Regeln durchschaut hatte, und die Kommentatoren anfingen, die Halbzeitshow anzukündigen, wurde ich nervöser. „Es soll Leute geben, die den Superbowl nur wegen der Halbzeitshow anschauen!“, sagte einer der beiden. Ich musste schmunzeln. Und dann war es endlich soweit. Das Dach wurde geöffnet, Gaga begann zu singen. Und sprang ins Stadion. Und ich heulte und schrie, von der ersten bis zur letzten Sekunde.
Und unerwarteterweise wurde diese Performance zu einer meiner schönsten Fan-Momente, zu einem, von dem ich Euch erzählen will. Warum? Weil ich zu jedem Song, der anklang, eine andere Erinnerung hatte. Weil mich Just Dance, Poker Face und Love Game an meine ganz frühe Jugend erinnern, daran, dass The Fame eins der ersten Alben war, dass ich besaß, daran, dass ich das Booklet so viel in der Hand hatte, dass es irgendwann auseinander fiel. Daran, dass Poker Face einer der meist gespielten Songs auf Viva war und dass ich mir damals dachte „Was ist Lady Gaga eigentlich für ein Name?“.
Als Gaga von einer Plattform auf die eigentliche Bühne, von zwei Seilen getragen, schwebt und Born This Way erklingt, denke ich an eine Zeit in meinem Leben, in der ich mich gar nicht zurechtfand. Nicht wusste, wer ich bin. Mich als Außenseiter wahrgenommen habe, bestimmte Dinge nicht wahrhaben wollte, überall angeeckt und nie hineingepasst habe. An die Message, die ich gebraucht habe und die bis heute Gaga Fans auf der ganzen Welt zusammenschweißt „I’m on the right track baby, I was Born This Way!“
An so viele Leute, die ich in dieser Zeit durch meinen Gaga-Blog auf Tumblr kennen- und lieben gelernt habe. Daran, dass ich ein Gespräch mit einem Lehrer hatte, am Tag als Born This Way herauskam, in dem er mir nur vermittelte, was ich denn alles falsch machte. Daran, wie ich es mir anhörte, nickte, den Kloß in meinem Hals herunterschluckte, nach Hause fuhr und den Song das erste Mal hörte. Und mir dachte: Das wird schon alles. Du bist gut so, wie du bist.
Als die ersten Töne von Telephone und Bad Romance erklingen, erinnere ich mich an die Zeit, in der ich mit zwei Freundinnen die Choreographie aus diesen faszinierenden Musikvideos gelernt habe. Daran, wie ich mit meiner Mama auf meinem ersten Gaga-Konzert war und wie ich meine Jeansjacke mit einem Born This Way-Schriftzug verzierte.
Als sich Gaga ans Klavier setzt und Million Reasons anspielt, denke ich an meine Zeit in Bremen, daran, etwas zu tun was überhaupt nicht mein Ding war, daran, allein in meiner Wohnung zwischen Acrylfarbe, halbleeren Weingläsern und Zeitungsausschnitten zu sitzen, das Album Joanne zu hören und an meiner Bewerbungsmappe zu arbeiten, grenzenlos kreativ zu sein.

2014 und 2015.
Ich denke aber auch daran, was Gaga dieser Moment bedeutet und wie wir, als Fans, so lange schon dabei sind und ihren Weg verfolgen. Wie wir ineinander Freunde und Halt gefunden haben, sich eine Community geformt hat, in einer Zeit, in der wir das brauchten. Wie es ist, viele nach drei Jahren endlich wiederzusehen, wie alte Freunde, und zusammen vor einer Halle auf den Einlass zu warten. Und dass sie das, wovon sie träumt, seit sie drei Jahre alt ist, gerade verwirklicht und man selbst auch irgendwie Teil dieses Prozesses ist. Und irgendwie habe ich mir an diesem Abend zum ersten Mal Gagas Worte wirklich zu Herzen genommen: Glaubt an eure Träume, und kämpft mit allem, was ihr habt, dafür – denn so lassen sie sich in die Realität umsetzen.
Warum ich mit zwanzig immer noch Fan bin und einen ewig langen Post darüber verfasse? Weil mich diese Frau auf meinem Weg seit neun Jahren begleitet. Weil ich durch sie so viele, tolle Menschen kennengelernt habe, die ich ich heute als meine Freunde bezeichne. Weil ihre Musik läuft, wenn ich nicht weiter weiß. Weil sie so viel dazu beigetragen hat, dass ich heute stolz auf die Person bin, die ich bin. Weil sie mich jeden Tag mit ihren Worten inspiriert. Weil ich mir, ehrlich gesagt, gar nicht wirklich vorstellen kann, wo und wie ich heute, ohne ihren Einfluss, wäre.
Und weil ich mich es nicht abwarten kann, meine Plattformschuhe wieder herauszuholen, mir Glitzer ins Gesicht zu klatschen, durch Europa zu reisen und sie ab nächster Woche endlich wiederzusehen.
Text, Bilder und Bearbeitung von Imina.
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