Gastgedanken, Liebe & Triebe
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Ein Plädoyer für die Selbstliebe

In letzter Zeit ist mir aufgefallen, wie sehr es in unserem Denken veranlagt ist, dass man eine*n Partner*in, eine Person an seiner Seite braucht, um glücklich und etwas wert zu sein. Wenn jemand frisch getrennt oder schon jahrelang Single ist, bekommt der oder diejenige häufig: “Ach du findest schon noch den/die Richtige“ zu hören.
Versteht mich nicht falsch, ich liebe dieses Gefühlschaos des Verliebtsein oder die stille, bedingungslose Vertrautheit nach hunderten, gemeinsam verbrachten Tagen und Nächten, aber meint ihr nicht auch, dass es ein bisschen gefährlich ist, den Wert eines Menschen darauf zu reduzieren, ob er sie*er in einer Partnerschaft lebt oder nicht?

Das Wichtigste, was ich für mich in diesem Jahr festgestellt habe, ist, dass man mit sich selbst im Reinen ist.

Ich habe mich nach drei Jahren von meinem Freund getrennt, weil ich gemerkt habe, dass ich ihn zwar vielleicht noch liebe, aber mich nicht mehr ausstehen kann, wenn ich mit ihm zusammen bin. Seitdem ich also Single bin habe ich so viel über mich und über das Leben allgemein gelernt: Niemand hat euch vorzuschreiben, dass ihr jemanden anderen an eurer Seite braucht, aber vor allem solltet ihr euch nicht abhängig von jemand anderem machen. 

Ich kann es einfach nicht mehr hören, wenn mir jemand sagt: „Ach, du findest schon jemanden!“, als ob ich nur auf den Moment warten müsste, bis sich irgendein Typ erbarmt, sich mir anzuschließen, damit ich endlich wieder glücklich sein kann, befreit von meinem frustrierenden, schrecklichen Single-Dasein. Wie traurig ist es, dass so viele kluge, junge Menschen nur darauf aus sind endlich „the one“ zu finden anstatt ihre Träume, Ziele und Leidenschaften zu verfolgen.

Warum reduzieren sich so viele junge Leute auf die Partnersuche, wenn Sie sich selbst noch nicht einmal richtig gefunden haben?

Das Single-Sein ist kein Zustand, der möglichst schnell wieder beendet werden muss, so als ob das Leben nur aus einer einzigen Single-Börse bestünde, und diejenigen, die niemanden „finden“, die Verlierer sind und traurig nach Hause gehen müssen. Ich gehe fast jeden Tag alleine nach Hause und tue das nicht mit den Tränen kämpfend, weil ich neben mir im Auto das glückliche Pärchen sehe und vor Neid fast umkomme, im Gegenteil, ich laufe mit einem Lächeln durch die verregnete Straße, weil ich mich auf die Gespräche mit meinen Mitbewohner*innen freue, weil ich wieder in meinem Buch versinken kann und weil ich mir abends noch Zeit für mein Tagebuch nehmen kann.

Selbstliebe ist wichtiger als Bestätigung von einem Partner zu erhalten.

Dies ist kein Plädoyer gegen die Liebe, nein, im Gegenteil, dies ist ein Plädoyer voll und ganz für die Liebe. Aber eben für die Liebe zu euch selber, für eure Selbstachtung und für die zwischenmenschliche Liebe, in welcher Form auch immer. Ich wünsche jedem das ,was sie*ihn am glücklichsten macht, trotzdem soll dies auch ein kleiner Denkanstoß an euch selber sein:

Braucht ihr wirklich gerade dringend euer „significant other“ oder ist es die Gesellschaft, die euch das einredet?

Meiner Meinung nach haben gerade junge Mädchen viel zu oft dieses Gefühl, dass sie irgendetwas falsch machen, wenn sie als letzte ihrer Freund*innen immer noch keine Partner*in haben, wenn sie immer noch ungeküsst sind oder noch nie einen Liebesbrief haben. Ich glaube tatsächlich, dass das ziemlich dramatisch in dieser Zeit ist. Es ergibt jedoch gar keinen Sinn, sich selber in Frage zu stellen und nicht zu lieben, nur weil man in keiner Beziehung ist, oder war, und trotzdem schaffen es die Medien und die Gesellschaft und uns dies einzureden.

Also noch einmal: Anstatt eure Energie nur damit zu verschwenden, nach einem/einer möglichen Partner*in Ausschau zu halten, investiert sie lieber in euch selbst. Kauft euch Blumen, lest, bildet euch weiter, schreibt einen Liebesbrief an euch selbst, trefft euch mit Freund*innen, geht in Museen, hört Musik.

Mach einfach das, was dich glücklich macht.

 

Gastgedanken von Lisa, klick hier für einen weiteren Beitrag von ihr.
Überarbeitet und mit Illustration von Imina

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